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Hey guten Morgen, wie geht es dir? Martina Hefter Klett-Cotta ISBN: 9783608988260 ⭐⭐⭐1/2 |
Kurzbeschreibung:
Tagsüber hilft Juno ihrem schwerkranken Mann Jupiter dabei, seinen Alltag zu meistern. Außerdem ist sie Künstlerin, tanzt und spielt Theater. Und nachts, wenn sie wieder einmal nicht schlafen kann, chattet sie mit Love-Scammern im Internet. Martina Hefter hat einen berührenden Roman über Bedürfnisse und Sehnsüchte im Leben geschrieben. Und darüber, wie weit man bereit ist, für die Liebe zu gehen.
Juno schreibt online mit Männern, die Frauen online ihre Liebe gestehen und so versuchen, sie um ihr Geld zu bringen. Doch statt darauf hereinzufallen, werden genau diese Männer zu einer Form von Freiheit für Juno. In den Gesprächen kann sie sein, wer sie will und sagen, was sie will – und das vermeintlich ohne Konsequenzen. Ganz im Gegensatz zu ihrem sonstigen Leben, in dem sie immer unterwegs, immer besorgt um Jupiter, immer beschäftigt und eingebunden ist. Also flüchtet Juno ab und zu vor ihrem Alltag ins Internet und spielt dort Spielchen mit Männern, die sie anlügen. Sie selbst wird zur Lügnerin. Aber ist es nicht so, dass man sich beim Lügen zuallererst selbst belügt? Eines Tages trifft Juno auf Benu, der ihre Behauptungen ebenso durchschaut wie sie seine. Und trotz der Entfernung zwischen ihnen entsteht eine Verbindung. »Hey guten Morgen, wie geht es dir« ist ein tiefgehender Roman, aber so leichtfüßig wie eine Komödie.
Mein Eindruck:
Juno ist Performancekünstlerin. Im Alltag kümmert sie sich um ihren Mann Jupiter, der schwer an MS erkrankt ist. Ihre Nächte sind schlaflos, und sie verbringt die Zeit, indem sie im Internet mit Love-Scammern chattet. Allerdings durchschaut sie die Masche der Betrüger und erzählt ihnen alle möglichen Geschichten über sich. Dabei lügt sie das Blaue vom Himmel herunter. Als sie von Benu angeschrieben wird und ihm ebenfalls eine ihrer verrückten Geschichten auftischt, durchschaut er sie. So sind zwei Betrogene gleichzeitig Betrüger. Nun können sie mit offenen Karten spielen und ihr wahres Gesicht zeigen. In diversen Videochats zeigt ihr Benu seine reale Umgebung. Er lebt in Nigeria, und Juno beginnt, sich für das Land und die Situation der Menschen dort zu interessieren. Sie liest immer mehr Bücher über Nigeria, und die Videochats werden immer vertrauter. Und doch spielt Juno eine Rolle.
Ihrem Mann Jupiter erzählt sie nichts von ihren nächtlichen Chats. So ganz habe ich die Beziehung der beiden nicht verstanden, denn Jupiter bleibt für mich in der ganzen Erzählung eher verschwommen. Man erfährt, dass er ein Pflegebett zuhause hat und unterwegs auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Aus Juno bin ich nicht schlau geworden. Sie stellt sich den Kämpfen des Alltags. Da geht es um Geld, von dem immer zu wenig vorhanden ist, um Transporthilfen für ihren Mann, die sie organisieren muss und darum, wie sie ihm kleine Wünsche erfüllen möchte, was seine Essensvorlieben betrifft. Ihre wahre Leidenschaft gehört dem Tanzen, und manchmal fährt sie in die Berge, in ihre Heimat, wo sie ihre Kindheit und Jugend verbracht hat. Juno ist anders, und ich habe den Eindruck, sie möchte gerne mit ihrem Aussehen provozieren. Sie hat einen außergewöhnlichen Kleidungsstil, auf ihre langen, schlanken Beine scheint sie stolz zu sein, denn diese finden mehrfach Erwähnung, und sie beginnt, sich Tattoos stechen zu lassen, wobei sie immer wieder auch mit ihrem Alter kokettiert. Da habe ich ab und zu Zweifel herausgehört, ob sich ihr Verhalten für ihr Alter noch schickt. Andererseits hat sie dann auch oft trotzig reagiert. Irgendwie passt das gar nicht zu ihr, diese Zweifel und dass sie sich von der Meinung anderer abhängig macht. Zwischendurch hat Juno auch ganz banale Träume oder freut sich an den kleinen Dingen des Lebens, so zum Beispiel, wenn sie zusammen mit Jupiter eine kleine Wildbiene beobachtet, die in das Insektenhotel vor dem Fenster eingezogen ist oder wenn sie sich vorstellt, einen Hund zu haben.
Stellenweise hatte ich ein Problem, Junos Chats mit Benu zu folgen. Die Antworten der beiden werden abgesetzt und zum Teil eingerückt gedruckt. Da jedoch nie der Name voransteht, konnte ich manchmal nicht wirklich zuordnen, wer nun welche Bemerkung gemacht hat. Vielleicht ist das im gedruckten Buch besser ersichtlich, im eBook waren gerade die Chat-Passagen eher verwirrend und abgehackt.
So richtig klar war mir auch die Situation mit Jupiter nicht, denn einerseits musste Juno immer zur Stelle sein, für ihn einkaufen, ihn begleiten, und wenn ich das richtig verstanden habe, bekam das Paar auch Pflegegeld. Andererseits lässt Juno ihren Mann dann tagelang allein, wenn sie in die Berge fährt, was ja eine gewisse Selbständigkeit seinerseits voraussetzt.
Der Roman hat einige Preise bekommen, so auch den Deutschen Buchpreis 2024 als bester Roman des Jahres. Ich persönlich bin hier etwas zwiegespalten. Der Schreibstil der Autorin ist schön und tiefgründig, und ich habe das Buch gerne gelesen und mit Faszination verfolgt. Es werden viele Themen angerissen, die zum Nachdenken anregen, so zum Beispiel Kolonialismus aber auch die Gefahr durch Betrüger im Internet. Aber vieles bleibt offen, und von der Handlung her hat mich der Roman nicht ganz überzeugen können, da hat mir irgendwie ein "roter Faden" gefehlt.
Hallo Susanne, ich denke dieses Buch werde ich mir schenken - die Auswahl der Bücher für den Buchpreis erscheint mir eh oft rätselhaft. Ich freu mich aber schon auf die Buchmesse - Donnerstag und wohl auch Freitag werde ich dort stöbern (hoffentlich kommt keine Grippe dazwischen) .
AntwortenLöschenLG Angela