Die Auswerterin - Elk von Lyck BoD ISBN: 9783844816143 132 Seiten |
Der intensiven Dialog zwischen Emily und Harris nimmt den
größten Teil des Buches ein. Dazwischen sind mehrere Szenen eingefügt, die dem
Leser die Eindrücke eines Piloten bei seinem Aufklärungsflug vermitteln, und
man lernt einen kleinen Jungen kennen, der urplötzlich, zusammen mit der
Familie und vielen anderen Menschen, seine Heimat verlassen muss. Nach und nach
werden auch die Zusammenhänge klar. Diese weiteren Handlungsstränge erweisen
sich als Rückblicke, die zu der speziellen Situation in Harris’ Büro hinführen.
Elk von Lycks detaillierte Ausführungen lassen auf sein
fundiertes Wissen und eine sehr intensive Recherche schließen. Viele der
Fakten, die Emily im Gespräch mit Harris erwähnt, sind durchaus nicht der
Fantasie des Autors entsprungen, sondern es handelt sich um belegte Tatsachen,
wie ich sehr bald bei eigenen Nachforschungen erkennen konnte. Das fand ich
besonders erschreckend, denn wenn man erfährt, was alles den Alliierten bereits
bekannt war, fragt man sich, ob nicht durch früheres Eingreifen viele Menschen
hätten gerettet werden können. Man kommt ins Grübeln, was wohl die Beweggründe
damals waren, offensichtlich hilfreiche oder sinnvolle Aktionen auf die lange
Bank zu schieben oder auch ganz zu unterlassen. Je mehr man über die
Hintergründe erfährt, die zu den damaligen Verhältnissen geführt haben, umso
sinnloser kommt einem dieser grausame Krieg vor. Dabei ist die Geschichte weit
entfernt von Schwarz-Weiß-Malerei, denn sowohl Täter als auch Opfer gab es bei allen
beteiligten Nationen.
Das Buch rüttelt auf, und es ist ein starkes Plädoyer für Toleranz
und gegenseitiges Verständnis.
Es animiert, nicht alles als gegeben hinzunehmen, sondern die Dinge auch
einmal zu hinterfragen. Emilys Sichtweise liefert interessante und wichtige
Denkanstöße. Was damals geschehen ist, lässt sich heute nicht mehr ändern, aber
man kann neu darüber nachdenken und die Vorgehensweise in Frage stellen. Das
Erörtern dieses nach wie vor brisanten Themas ist wichtig, damit wir uns auch
heute nicht auf einer vorgefaßten Meinung ausruhen, egal bei welchem Problem. Mutige
Menschen wie Emily braucht es zu allen Zeiten, denn sie können die Welt
verändern, sei es auch nur in winzigen Etappen, aber viele kleine Schritte
führen letztendlich auch zum Ziel.
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