Sonntag, 31. Mai 2015

Der Himmel über Alabama - Marlen Suyapa Bodden


Kurzbeschreibung:
Alabama, 1853. Als Clarissa Allen, Tochter eines reichen und grausamen Plantagenbesitzers, heiratet, erhält sie von ihrem Vater Cornelius ein Hochzeitsgeschenk: Sarah, die junge Sklavin, mit der sie aufgewachsen ist. Nach der Geburt ihres Sohnes behauptet Clarissas Ehemann, nicht der Vater des Neugeborenen zu sein. In Schande kehren Clarissa und Sarah zurück auf die Plantage der Allens und setzen damit eine Kette von Ereignissen in Gang, die für die einstmals so einflussreiche Familie unvorhersehbare Konsequenzen haben wird.

Mein Eindruck:
Ein Großteil des Romans ist aus Sarahs Sicht geschrieben. Die junge Frau ist bereits als Sklavin geboren. Sie hat hellere Haut als ihre Mutter und ihre Schwester, denn sie ist nicht nur Cornelius Allens Besitz, sondern zugleich seine Tochter. Sarah kann sich nicht mit ihrer Situation abfinden. Im Gegensatz zu ihrer Mutter und ihrer Schwester Belle denkt sie häufig an Flucht. Da sie im gleichen Alter ist wie Cornelius' anerkannte, eheliche Tochter Clarissa, wachsen die beiden Mädchen zusammen auf, und Sarah erfährt mehr Bildung als es für eine Sklavin üblich ist. Durch ihre bloße Anwesenheit, während Lady Allen ihre Tochter Clarissa unterrichtet, lernt Sarah fast spielerisch das Lesen und Schreiben. Dieses Wissen ist lebensgefährlich, denn kein Sklave sollte lesen und schreiben können. Käme Sarahs Wissen an die Öffentlichkeit, würde sie ausgepeitscht werden.
Clarissas Verheiratung ändert alles in Sarahs Leben, denn sie begleitet die junge Braut auf die Plantage ihres Ehemanns. Die Tatsache, dass dieser Clarissas Kind nicht als das seine anerkennt, wirft neue Probleme auf, und auch Sarah kommt durch die veränderte Sachlage in Bedrängnis.

Die Autorin zeigt die Situation auf den Plantagen in den Südstaaten, zur Mitte des 19. Jahrhunderts, aus einem anderen Blickwinkel als man es von den meisten historischen Südstaatenromanen kennt, wo es oft in der Hauptsache um die Herrschaften und Plantagenbesitzer geht und die Sklaven nur eine Statistenrolle einnehmen.
Hier erfährt man hautnah, wie sich das Leben der Sklaven auf so einer Plantage abgespielt hat. Welche Demütigung war es für die Versklavten, wenn sie kaum etwas in ihrem Leben frei entscheiden durften, wenn sie nicht als denkende, fühlende Menschen, sondern lediglich als Gewinn bringende Ware angesehen und behandelt wurden. Sie waren ein wirtschaftlich wertvoller Besitz der Plantagenbesitzer, der sich im optimalen Fall sogar noch vermehrte, wenn die Herrschaft einer eheähnlichen Beziehung zustimmte und sich Nachwuchs einstellte.

Zwischen den Kapiteln, in denen Sarah erzählt, gibt es auch Abschnitte aus einem anderen Blickwinkel, nämlich aus der Sicht von Lady Theodora Allen, Cornelius' Gattin. Sie ist zwar die Dame des Hauses und offiziell die Frau an seiner Seite, hat aber genauer besehen nur wenig mehr Rechte als ihre Sklaven. Cornelius bevormundet und betrügt sie und gewährt ihr kaum Einblick in seine Geschäfte und sonstigen Angelegenheiten. Wenn ihm etwas nicht passt, wird er sogar handgreiflich. Dieses Machtgefüge innerhalb der Familie war sicher kein Einzelfall, sondern in vielen Häusern damals ähnlich zu finden.
Die Autorin lässt ihre Protagonisten sehr ausführlich zu Wort kommen. Sarahs und auch Theodoras Erzählungen sind ausgesprochen bildhaft, und der Schreibstil des Romans passt sich sehr gut den damaligen Gegebenheiten an. Manche Episoden im Verlauf der Geschichte wurden für mein Empfinden fast etwas zu detailliert geschildert. Dafür sind die letzten Kapitel sehr kurz gefasst, und gerade hier hätte ich gerne noch ein paar mehr Informationen erhalten, wie es mit den Protagonisten weiterging, auch wenn das Ende plausibel und schlüssig war.
Der Roman hat mich nachhaltig beschäftigt, und besonders Sarahs Schicksal fand ich sehr beeindruckend. Am Ende hat diese auch noch einige Überraschungen parat. Es klärt sich vieles in einer Weise, wie ich es vorab nicht vermutet hätte. 


Dienstag, 19. Mai 2015

Skarabäus und Schmetterling - Elisabeth Büchle


„Skarabäus und Schmetterling“ besteht aus zwei großen Abschnitten, die zu unterschiedlichen Zeiten spielen.

Der erste Teil der Geschichte ereignet sich Anfang der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Die junge Sarah reist zusammen mit ihrer Arbeitgeberin Lady Alison nach Ägypten. Die beiden Frauen treffen Howard Carter und sind fasziniert von den Ausgrabungsstätten, besonders als sich herausstellt, dass Carter anscheinend das Grab des Tutanchamun gefunden hat. Doch dann geschehen seltsame Dinge. Mehrmals gerät Sarah in große Gefahr und wird von einem Unbekannten verfolgt. Lange Zeit glaubt sie an einen Irrtum, denn sie kann sich nicht vorstellen, wer hinter den Anschlägen steckt. Doch die Fakten verdichten sich immer mehr und weisen darauf hin, dass die ahnungslose Sarah einen gefährlichen Feind hat.

Der zweite Teil führt nach Berlin in die Gegenwart. Rahel Höfling, eine junge Praktikantin, die im Berliner Neuen Museum alte Ausstellungsstücke katalogisiert und prüft, gerät unter Verdacht, als plötzlich Tutanchamun-Artefakte auf dem Schwarzmarkt auftauchen. Duke Taylor wird von Europol auf die junge Frau und ihre Großmutter Mary angesetzt, um zu klären, ob die Familie etwas mit der geschmuggelten Ware zu tun hat. In der folgenden Zeit sieht sich Rahel ständig irgendwelchen Gefahren ausgesetzt. Sie wird überfallen, ihr Apartment wird aufgebrochen und verwüstet, und auch bei ihrer Großmutter in England gibt es einen Einbruch. Die Fälle scheinen zusammenzuhängen. Rahel sucht Schutz bei Emma Ritter, ihrer früheren Lehrerin, und Duke steht plötzlich zwischen den Fronten, denn er hat sich in Rahel verliebt. Er sieht in ihr nicht mehr die Verdächtige, die es zu überwachen gilt, sondern hat nur den Wunsch, sie zu beschützen und ihr nahe zu sein. Der Zwiespalt führt zu Differenzen mit seiner vorgesetzten Stelle.

Eigentlich werden in diesem Buch zwei Romane erzählt, die jedoch zusammengehören, deren Handlungsstränge ineinander greifen und deren Charaktere verwandtschaftlich oder auch durch ihr Schicksal verbunden sind, denn Rahel beispielsweise ist Sarahs Urenkelin. Was Sarah 1922 in Ägypten erlebt hat, wiederholt sich nun in ganz ähnlicher Form, denn auch in Rahels Leben gibt es anscheinend unbekannte Feinde, die sie verfolgen und es auf ihr Leben abgesehen haben, und so beginnt eine atemberaubende Flucht für die bisher eher zurückgezogen lebende junge Frau. Zwischen ihrem Leben und Sarahs gibt es einige Parallelen. Zum einen ist da die Faszination für Ägypten und seine Artefakte. Diese Liebe hat sich über Generationen hinweg in der Familie Höfling weitervererbt. Und wie Sarah vor 90 Jahren, so hat auch Rahel einen Mann an ihrer Seite, der sie beschützen möchte und dem sie vertrauen soll. Trotz aller Unwägbarkeiten fühlt sich Rahel fast magisch zu Duke hingezogen, und in ihrem Bemühen, sich über ihre Gefühle klar zu werden und gleichzeitig die Kraft aufzubringen, die beängstigenden Erlebnisse mit den unbekannten Verfolgern durchzustehen, findet sie auch hier Parallelen zum Leben und Wirken ihrer Urgroßmutter.

Wenn Sarahs Geschichte endet und der Abschnitt mit Rahel beginnt, möchte man gleich weiterlesen, zumindest ist es mir so ergangen, wollte ich doch so bald wie möglich erfahren, wie sich alles weiterhin entwickelt. So habe ich den Zeitsprung von 90 Jahren sofort gewagt und mich gleich in die Situation der Handlung hineingefunden, die in der Gegenwart spielt. Hatte der erste Teil einen eher ernsten Grundton, so wird es in der Gegenwart schon öfter amüsant. Besonders Falk, Rahels Schulfreund, ist ein pfiffiger, sehr humorvoller und herzensguter Kerl, nie um eine Antwort verlegen und immer mit schlauen Ideen zur Hand. Er hat sich für mich schnell zu einem Lieblingscharakter entwickelt, und ich habe sein Geplänkel mit Duke und seine Dialoge mit Emma, Daniel und vor allem mit Grandmary sehr genossen. Er wirkt zwar manchmal überdreht, aber bei allem Übermut erweist er sich für Rahel als guter Freund in dieser kritischen Lage.

Beide Frauen, sowohl Sarah als auch ihre Urenkelin, sehen sich hilflos den dunklen, undurchsichtigen Machenschaften gegenüber und wissen nicht, wie sie aus der Sache heil herauskommen sollen. Aber beide wachsen an der Situation und verlieren nicht den Mut. Wenn es wirklich darauf ankommt, beweisen sie ungeahnte Stärke und finden Kraft in ihrem Glauben. Der christliche Glaube zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben der Familie. In die Handlung wird das Thema stets sehr dezent eingebracht, ist aber immer präsent.

Brillant und zugleich sehr gefühlvoll gezeichnete Charaktere, ein faszinierender historischer Hintergrund und eine spannungsgeladene Handlung machen diesen Roman zu einem Pageturner, dessen Protagonisten mir sehr gefallen haben, der mich gefesselt hat und in dem es so mache überraschende Wendung gab. Daher bekommt Elisabeth Büchles Roman mit dem wunderschönen und ein wenig geheimnisvollen Titel „Skarabäus und Schmetterling“ eine absolute Leseempfehlung von mir.




Noch eine Anmerkung:
Dem Nachwort der Autorin habe ich entnommen, dass Rahel und Falk bereits in einem früheren Roman eine Rolle spielten, nämlich in dem 2010 erschienenen Buch „Das Mädchen aus Herrnhut“. Die erwähnte Verbindung zu diesem Roman, in dem es wohl hauptsächlich um Rahels Lehrerin Emma und ihren Mann Daniel geht, hat mich gleich neugierig gemacht, aber leider ist das Buch nicht mehr im Handel erhältlich. Vielleicht gibt es ja eine Chance, das Buch antiquarisch irgendwo zu erwerben; ich werde auf jeden Fall danach Ausschau halten. 

Donnerstag, 14. Mai 2015

Malala / Meine Geschichte - Malala Yousafzai mit Patricia McCormick, das Hörbuch gesprochen von Leonie Landa



Seit die Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai im Alter von 15 Jahren in ihrer Heimat Pakistan von den Taliban in den Kopf geschossen wurde, nur weil sie sich für das Recht von Mädchen auf Bildung eingesetzt hatte, kennt wohl fast jeder diese mutige junge Frau. Sie war auf dem Weg von der Schule nach Hause, als die Terroristen den Schulbus anhielten und das Attentat auf sie verübten. Sehr schwer verletzt überlebte sie jedoch den Anschlag. Wenige Tage nach dem Vorfall wurde sie nach Birmingham in England ausgeflogen, wo sich Spezialisten um ihre Verletzungen kümmern konnten. Auch wenn einige Spuren für immer bleiben werden, so ist Malala doch mittlerweile genesen und führt ihr starkes und großartiges Engagement fort. Stets setzt sie sich für die Bildung und gegen Benachteiligung von Mädchen ein. Ihre Reden fanden weltweit Anerkennung, und im vergangenen Jahr erhielt sie den Friedensnobelpreis und ist damit die jüngste Trägerin dieser hohen Auszeichnung.

In dem Buch „Malala – meine Geschichte“ berichtet sie von sich, nicht nur über das Attentat, an das sie kaum Erinnerungen hat, sondern sie erzählt, wie es überhaupt dazu kam. Mit Unterstützung der Journalistin und Autorin Patricia McCormick hat Malala ihre abenteuerliche und sehr berührende Biographie geschrieben. Ich habe diese als Hörbuch gehört, denn sie ist unter dem Label „Goyalibre“ als ungekürzte Lesung erschienen. Gesprochen wird Malalas Geschichte sehr eindrucksvoll und authentisch von Leonie Landa. Hört man ihre Stimme, so hat man dabei stets Malala vor Augen.

Malala erzählt von einer Zeit, als sie begann, sich für die politischen und sozialen Zusammenhänge und Probleme ihres Heimatlandes zu interessieren. Dass die Taliban immer mehr Macht über das Leben in Pakistan gewinnen konnten, dass sie Mädchenschulen zerstörten und vehement dagegen vorgingen, dass sich Frauen unverschleiert in der Öffentlichkeit bewegten, konnte und wollte die junge Menschenrechtlerin nicht verstehen. Wann immer es möglich war, setzte sie sich gegen derartige Einschränkungen zur Wehr. Sie besuchte ihre geliebte Schule, obwohl es verboten war. Sie erhob ihre Stimme und fand weltweit Gehör.
Den Taliban jedoch ist sie von Anfang an ein Dorn im Auge. Der Anschlag auf sie erfolgte nicht von ungefähr, sondern war das schreckliche Finale eines langen Prozesses, während dem sich die junge Heldin für die elementarsten Rechte, für sich selbst und ihre Geschlechtsgenossinnen, einsetzte. Malala ist ein ganz besonderer Mensch, das wird schnell klar, wenn man ihren Erzählungen folgt. Aber sie ist daneben auch ein ganz normales junges Mädchen, mit den gleichen Sorgen und Nöten wie ihre gleichaltrigen Freundinnen. Mit welcher Courage sie sich für ihre Interessen einsetzt und wie tapfer sie ihr Schicksal nach dem Attentat erträgt, das und vieles mehr erfährt man in diesem sehr berührenden Bericht, der so an die Nieren geht, weil er wahr ist. Malala ist durch ihren Werdegang zum Idol vieler Jugendlicher weltweit geworden, und diese Publikation ist in einem Verlag erschienen, der in der Hauptsache Hörbücher für Jugendliche publiziert, aber ich finde, Malalas Anliegen und ihr Schicksal sind so wichtig, dass alle davon erfahren sollten, egal ob Jung oder Alt.


Dieses Hörbuch habe ich über Blogg-dein-Buch, in Zusammenarbeit mit dem Jumbo-Verlag zur Rezension erhalten, herzlichen Dank. Es kann u.a. direkt beim Verlag bestellt werden: 


Dienstag, 12. Mai 2015

Liebe auf drei Pfoten - Fiona Blum


Klappentext vom Verlag:
Federica lebt in einem kleinen, entlegenen Viertel in Rom – und sie hat es sich in den Kopf gesetzt, die verlassene Bücherei in ihrer Nähe wieder zu neuem Leben zu erwecken. Doch zur Erfüllung ihres Traumes bedarf es erst der Umdrehungen einiger geheimnisvoller Rädchen, die das Schicksal leise vorantreiben: das große Herz einer verrückten alten Frau, das Vertrauen zweier Kinder in Not und den unbändigen Überlebenswillen eines kleinen Katers, der dafür sorgt, dass Federica das Leben lieben lernt...

Mein Eindruck:
Schon nach wenigen Seiten war mir klar: diese Geschichte ist mit dem Herzen geschrieben. Man merkt es an vielen kleinen, liebevollen Details, die sich hier zu einem wunderschönen Ganzen zusammenfügen. Da sind einmal die liebenswerten Protagonisten, von der Autorin sehr gefühlvoll beschriebene Helden ihrer kleinen Welt. Federica ist eine schüchterne und nachdenkliche junge Frau, die sich am liebsten in ihre Bücher vertieft und für ihre Träume lebt. Ihr Umfeld im wahren Leben und ihr Alltag sind ruhig und überschaubar, so dass es fast idyllisch wirkt. Federica hat nur wenige, dafür aber gute und treue Freunde, auf die sie sich verlassen kann.
Ebenfalls in dem kleinen Viertel um den ehemaligen Schlachthof Roms lebt Flavia, eine zerstreute alte Dame mit einem Geheimnis, die alles um sich herum vergisst, nur nicht die herrenlosen Katzen Roms, für die ihr Herz schlägt und um die sie sich rührend kümmert. Eines Tages bringt sie einen schwer verletzten kleinen Kater zu Federica und bittet sie um Hilfe. Im ersten Moment ist die junge Frau ratlos, denn die Hoffnung scheint gering, das Tier zu retten. Das dreibeinige Katerchen hatte sein siebtes Leben fast aufgegeben, aber Federicas Liebe und Fürsorge vollbringen an ihm ein kleines Wunder. In Federicas Bücherei findet Bruno, wie sie das Katerchen nennt, ein neues Zuhause.
Zwei Kinder scheinen sich von der Bücherei magisch angezogen zu fühlen, und Federica spürt, dass auf den Geschwistern eine schwere Sorge lastet. Sie sind immer allein und auf sich gestellt, und nach und nach wird deutlich, dass sie sich um ihre Mutter sorgen, deren Seele krank und verletzt ist. Mit Einfühlungsvermögen und Verständnis gelingt es Federica, das Vertrauen der Kinder zu gewinnen, wobei auch Bruno nicht ganz unbeteiligt ist.
Neben den erwähnten Charakteren spielt auch ein junger, sympathischer und ebenfalls ein wenig schüchterner Tierarzt eine wichtige Rolle, an den sich Federica in ihrer Not und Angst um Bruno wendet und der von da an ständig an die junge Frau und ihren Kater denken muss.
Im Klappentext werden all diese Bewohner des römischen Stadtteils Testaccio mit kleinen Rädchen verglichen, die ineinander greifen und das Schicksal antreiben. Man lernt Rom hier von einer ganz anderen, unbekannten Seite kennen und kann alles aus einer Perspektive betrachten, sie sich Touristen nicht offenbart, sondern ihren Charme nur den Einheimischen erschließt.
Es ist eine ruhige Geschichte, wunderschön und mit viel Gefühl erzählt und immer auch mit einem Quäntchen feinsinnigem Humor dargebracht. Sie passt perfekt in den Sommer, denn so ganz nebenbei bringt sie auch jede Menge italienischen Charme mit. Ich habe Federica und Bruno und all die anderen großen und kleinen Helden dieses Romans sehr schnell ins Herz geschlossen und hatte beim Lesen ständig ein verträumtes Lächeln im Gesicht.




Mittwoch, 6. Mai 2015

Hot Dogs zum Frühstück - Elke Becker


Der Weg ist das Ziel

Romana spürt, dass ihre Ehe auf eine Sackgasse zusteuert. Nachdem ihr Mann ihr dann gesteht, dass er sich in seiner Freiheit eingeschränkt fühlt und eine Auszeit braucht, fasst sie einen spontanen Entschluss. Hannes soll seine Auszeit haben! Romana sucht über eine Anzeige Reisegefährtinnen, denn sie hat sich vorgenommen, mit einem alten VW-Bus die legendäre Route 66 zu befahren. Auf ihre Annonce melden sich Damaris und Hanna. Die drei Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein, aber sie haben etwas gemeinsam: jede von ihnen läuft vor etwas in ihrem Leben davon. Unterwegs trifft nach kurzer Zeit noch Adelheid auf die Gruppe. Zu viert machen sie sich auf eine Reise, die für jede von ihnen etwas verändern wird.

Für diese Reise haben sich vier starke, vielschichtige Charaktere zusammengefunden. Trotz großer Altersunterschiede und Lebenseinstellungen wächst sehr schnell eine große Sympathie zwischen den Frauen, die auch von kleinen Reibereien nicht dauerhaft getrübt werden kann. Jede der Teilnehmerinnen hat ihr persönliches Geheimnis. Der oberflächliche Schein trügt, denn hinter der anfänglichen Leichtigkeit und Unbeschwertheit, welche die Frauen an den Tag legen, hat jede ihr ganz persönliches Drama zu verarbeiten, jede muss ihren persönlichen Weg finden. Trotz der sehr unterschiedlichen Lebenseinstellungen und kleinen Meinungsverschiedenheiten wachsen sie im Lauf ihrer Reise immer stärker zusammen.
Am Ende der Route 66 erfüllt sich das Schicksal für jede von ihnen auf besondere Weise.

Eingebettet in wundervolle Landschaftsbeschreibungen und farbige Schilderungen der Sehenswürdigkeiten entlang der Route 66 hat die Autorin hier vier grundverschiedene Frauen charakterisiert und gemeinsam auf die Reise geschickt.
Mag einem manche Handlung der Protagonisten zu Beginn ein wenig oberflächlich erscheinen, so erkennt man die wahren Beweggründe, je öfter man hinter die unbeschwerte Fassade blickt. Man gewinnt die Frauen lieb, mit all ihren kleinen Fehlern und Macken.

Dies ist ein Buch, das mich einerseits sehr gut unterhalten hat, das kurzweilig war, mir die Schönheiten dieser außergewöhnlichen Reiseroute nahebringen konnte und mir die Protagonisten ans Herz gelegt hat hat, das mich aber auch nachdenklich gemacht hat, weil es doch auch sehr in die Tiefe geht. Es werden Geheimnisse offenbart und zuletzt die Weichen neu gestellt. Der Schluss des Romans und zugleich das Ende der Reise ist schön und auch realistisch, er ist glücklich und traurig gleichermaßen, und auf ihre Weise ist jede der vier Frauen an ihrem Ziel angekommen. Man lässt die Protagonisten mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück, denn einige von ihnen haben ihr Glück gefunden, aber der Abschied ist auch mit einer gewissen Wehmut behaftet. Die Geschichte dieser vier Frauen wird mich sicher noch eine Zeitlang beschäftigen, zeigt sie doch, wie wichtig es ist, auf sein Herz zu hören und seinen Weg zu gehen. Sie erzählt von der Großartigkeit des Lebens und vermittelt die Botschaft, sich auf das Hier und Heute zu besinnen, nicht ständig nachzudenken, was die Zukunft bringt und alles komplett durchzuplanen, sondern sich die Spontanität im Leben zu erhalten und einfach glücklich zu sein.




Besonderer Hinweis: Bis Ende Mai ist das eBook bei Amazon und Thalia zum Sonderpreis von -,99 € erhältlich!


Montag, 4. Mai 2015

Dunkle Havel - Tim Pieper


Alles begann im Mai 1998. Toni und Sofie Sanftleben besuchen das Baumblütenfest in Werder. Das junge Paar möchte die laue Frühlingsnacht genießen, doch dann verschwindet Sofie spurlos. Keiner weiß etwas über ihren Verbleib. Wurde sie entführt, ermordet oder hat sie gar Suizid begangen? Ihr Schicksal bleibt ungewiss, und sie wird weder tot noch lebendig gefunden.
Sechzehn Jahre später begegnen wir Toni Sanftleben wieder. Aus dem lebensfrohen jungen Mann ist ein Rastloser geworden. Sein ganzes Leben hat er auf die Suche nach seiner vermissten Frau ausgerichtet. Das sie tot ist, kann er nicht glauben. Um alle gegebenen Möglichkeiten der Recherche ausschöpfen zu können, hat er sogar seinen ursprünglichen Berufswunsch abgelegt und ist Kriminal-Hauptkommissar geworden.
Als er eines Tages zu einem Mordfall in die Potsdamer Innenstadt gerufen wird, entdeckt er bei dem Toten ein altes Foto, das die Tragödie vom 2. Mai 1998 wieder aufleben lässt, denn es zeigt Tonis Frau. Toni sieht in diesem Zufall einen Wink des Schicksals, eine Chance, endlich zu erfahren, was mit Sofie damals geschah. Verbissen verfolgt er alle Spuren, die sich ergeben und ignoriert dabei völlig, dass er wegen Befangenheit in diesem mysteriösen Fall vom Dienst suspendiert ist.

Tim Pieper legt hier seinen ersten zeitgenössischen Krimi vor. Zu seinen historischen Kriminalromanen gibt es eine Verbindung, denn Toni ist ein Nachfahre von Dr. Otto Sanftleben, dem Protagonisten aus den beiden Krimis des Autors, die in Berlin zum Ende des 19. Jahrhunderts spielen.

Man kann Toni sehr gut verstehen, hat er doch das Liebste verloren. Er lebt nur noch für die Suche nach Sofie und für den gemeinsamen Sohn Aroon. In seiner Verzweiflung klammert er sich an jeden noch so dünnen Strohhalm und verfolgt jede kleinste Spur, auch wenn die Hoffnung auf Erfolg sehr gering ist. Dass der Tote in dem aktuellen Mordfall ausgerechnet ein Foto von Sofie bei sich trägt, wühlt den jungen Hauptkommissar auf, wie könnte es auch anders sein. Toni nimmt in diesem Fall gleich zwei Positionen ein: einerseits agiert er als Ermittler der Kriminalpolizei, ist aber andererseits emotional sehr betroffen. Diese Verbindung macht die Geschichte so besonders. Hier spielt viel Persönliches mit hinein, denn die Distanz zum Mordopfer ist nicht in dem Maß gegeben, wie man es von den meisten Krimis her kennt. Aus diesem Grund gestalten sich die Ermittlungen in dem Mordfall auch anders, als es von Tonis vorgesetzter Dienststelle vorgesehen ist bzw. erwartet wird. Neben der beruflichen Zwickmühle, die sich aus seiner persönlichen Befangenheit in diesem Fall ergibt, muss Toni auch in seinem Privatleben schwierige Entscheidungen treffen. In den vergangenen Jahren suchte er immer häufiger Trost im Alkohol. Aber nun muss er erkennen, dass es nicht so weitergehen kann und dass er etwas in seinem Leben ändern muss, wenn er seinen Sohn nicht verlieren möchte.

Toni nimmt den Leser mit auf eine atemberaubende, aufreibende Suche, die nicht nur einmal zur Zerreißprobe für die Nerven wird und immer wieder in ungeahnte Sackgassen führt. Ich habe gut daran getan, mir das vergangene Wochenende weitgehend freizuhalten. Das war auch sehr nötig, denn während der Stunden des Lesens war ich kaum ansprechbar, so stark hatte mich die Geschichte gepackt. Alles andere, was anstand, musste vorübergehend warten, bis ich von meinem geistigen Ausflug an die Havel zurückgekehrt war. 
Mein Fazit zu diesem Krimi, in wenige, prägnante Worte gefasst: absolut fesselnd, emotional berührend und sehr überraschend!