Kurzbeschreibung:
Als im
Mercy-West Haven Hospital in Connecticut ein Neugeborenes nach einem
Routineangriff stirbt, scheint schnell klar zu sein, wer daran schuld
ist: Ruth Jefferson, die dunkelhäutige Säuglingsschwester, der
untersagt war, das Baby anzufassen. Vor allem Turk Bauer, der
rassistische Vater des Kindes, hält Ruth für verantwortlich. Es
folgt ein nervenaufreibendes Verfahren, das Turk nur durch die Hilfe
der engagierten Anwältin Kennedy McQuarrie übersteht.
Eine berührende
Geschichte, die besonders eines offenbart: den alltäglichen
Rassismus, der in unserer modernen westlichen Welt noch lange nicht
überwunden ist.
Mein
Eindruck:
Ruth Jefferson
ist eine gewissenhafte Säuglingsschwester mit guter Ausbildung, auf
die sie stolz ist. Viele Jahre hat sie ihre Arbeit zur vollsten
Zufriedenheit der Klinik erledigt. Sie lebt mit ihrem Sohn in einer
„weißen“ Wohngegend und hat weiße Freunde. Sie ist mit ihrem
Leben zufrieden, bis Turk Bauer nach der Geburt seines Sohnes darauf
besteht, dass Ruth das Baby nicht anfassen darf. Als der Kleine
stirbt, beginnt für Ruth ein Albtraum.
Das Hörbuch
wird abwechselnd von drei Sprechern gelesen. Beate Rysopp ist die
Stimme der Ruth Jefferson, Svenja Pages schildert die Ereignisse aus
der Sicht der Anwältin Kennedy McQuarrie, und die Passagen, in denen
Turk Bauer zu Wort kommt, werden von Frank Stieren gelesen. Alle drei
Sprecher machen ihre Sache sehr gut. Mit ihren Stimmen transportieren
sie die vielschichtigen Emotionen, die es im Roman reichlich gibt. Es
handelt sich um eine gekürzte Lesung. Die knapp 600 Seiten des
Romans wurden hier für 6 CDs mit insgesamt 460 Minuten aufbereitet.
Ein Großteil der Handlung dreht sich um den Gerichtsprozess, als
Ruth angeklagt wird, am Tod des Säuglings schuld gewesen zu sein.
Aus ihrer Sicht schildert Ruth die Ereignisse. Wie stark der
Rassismus wirklich noch in unserer heutigen Gesellschaft verankert
ist, hat mich erschüttert, denn die Autorin hat eine wahre
Geschichte zum Anstoß genommen, diesen Roman zu schreiben. Es ist
also nicht so, dass der hier vorkommende Rassismus frei erfunden
wäre.
Die
Betrachtungsweise der Problematik ist bei Jodi Picoult jedoch eine
andere. Sie rollt die Sache von mehreren Seiten auf. Aus Ruths Sicht
erfährt man die Situation der benachteiligen schwarzen Hebamme,
während Kennedy, die weiße Anwältin völlig neue Erkenntnisse
gewinnt, je länger sie den Fall bearbeitet, nämlich dass alles, was
den Farbigen zum Nachteil gereicht, im Umkehrfall für die Weißen
einen Vorteil bzw. ein Privileg darstellt. Wie sie so treffend
schreibt: selbst Ignoranz ist ein Privileg der Weißen. Turk Bauer,
der Vater des verstorbenen Säuglings, ist ein Rechtsradikaler, der
einen unvorstellbaren Hass auf Ruth entwickelt. Ihr möchte er den
Tod seines Kindes anlasten. Dabei ist er in seinem Tun und Denken
aber äußerst inkonsequent, denn egal was Ruth auch getan oder
gelassen hätte, in jedem Fall hätte man es gegen sie verwenden
können. Die geführten Debatten und Verhöre bei Gericht ziehen sich
endlos, und manchmal fand ich die Sichtweisen verwirrend, vor allem
wenn es darum geht, das Thema Rassismus beim Prozess auszuklammern,
wie es Kennedy vorschlägt. Dieses Argument konnte ich beispielsweise
gar nicht nachvollziehen, denn es kam ja gerade durch die
rassistische Einstellung des Vaters zu dieser Zwickmühle und zum
Gerichtsfall. Manchmal hatte ich den Eindruck, die Argumentation
würde sich im Kreis drehen. Das Ende war bis zu einem gewissen Grad
voraussehbar, aber es bot auch noch einige Überraschungen für mich,
besonders weil Turk Bauer hier noch einmal zu Wort kommt. Seine
Entwicklung im Verlauf des Romans empfand ich als etwas zweifelhaft.
Abgesehen von
diesen kleinen Irritationen, die meines Erachtens durchaus auch von
der Kürzung des Textes herrühren können, hat mich die Geschichte
sehr beeindruckt und nachdenklich gemacht. Gerade die Lesung durch
drei verschiedene Sprecher belebt die Handlung und macht das Hörbuch
besonders ausdrucksstark.
⭐⭐⭐⭐
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