Sonntag, 30. November 2014

Monatsrückblick November 2014

Heute ist schon der erste Advent, und das letzte Zwölftel des Jahres 2014 bricht an. Es ist erschreckend, wie die Zeit rennt. Dafür, dass ich an manchen Tagen überhaupt nicht zum Lesen gekommen bin, habe ich doch einiges geschafft.
Ich habe im November insgesamt 11 Bücher gelesen, das waren 3088 Seiten.

Hier nochmal die ausführliche Übersicht:
Wow, ich sehe, es waren im November durchwegs Vier- und Fünf-Sternebücher. Mit so einem Lesemonat kann man wirklich zufrieden sein! Obwohl ich einigen Büchern die volle Sternezahl gegeben habe, ist eines dabei, das mein absolutes Monatshighlight war und das sich daher den Siegerkranz verdient hat. Es ist - TUSCH....: Brigitte Jansons "Winterapfelgarten"


Neuzugänge gab es auch ein paar, aber sie haben sich einigermaßen im Rahmen gehalten. 
"Kinder des Meeres" von Charlotte Lyne lese ich gerade im Rahmen einer Leserunde bei Leserunden.de und bin sozusagen bereits mittendrin in der Geschichte.

"In einem weiten Land" von Johanna Nicholls habe ich als Rezensionsexemplar erhalten. Mit 736 Seiten ist es ein ziemlicher Wälzer, der lt. Inhaltsangabe zu großen Teilen in Australien im 19. Jahrhundert spielt.
"Die Tuchhändlerin" von Ivonne Hübner habe ich ertauscht, da mir von der Autorin  schon "Im Land der Sümpfe" so gut gefallen hat.

"Im Jahr des Skorpions" von Isabell Pfeiffer stand lange auf meiner Wunschliste. Nun habe ich es durch einen Tausch in der Bücher-Überraschungsgruppe bei Facebook erhalten.

Zwei Highlander-Romane wurden mir von der Autorin zugeschickt, und ich bin schon gespannt darauf. Allerdings werde ich wohl erst im neuen Jahr dazu kommen, sie zu lesen.

"Tochter der Elbe" von Ricarda Jordan habe ich bereits im Oktober gelesen. Es gab dazu eine Leserunde bei Lübbe.de, und mir wurde die Druckfahne zur Verfügung gestellt, um den Roman vorab zu lesen. Nun habe ich auch das fertige Buch für meine Sammlung erhalten, zusammen mit einer signierten Karte der Autorin.
Tee trinke ich zwar das ganze Jahr über, aber im Winter natürlich verstärkt, und die Auswahl ändert sich auch passend zu den jeweiligen Jahreszeiten. Wenn im Herbst neue Sorten in den Teeläden einziehen, kann ich immer nicht widerstehen, was man an der winterlichen Auswahl sehen kann, die ich euch im November vorstellen möchte.
Den Anfang mache ich mit zwei Sorten vom Teewicht:
Bambustee "Orangengarten", natürlich aromatisiert. Ein wunderbarer Tee, den man gut auch abends genießen kann, wenn man Probleme mit Coffein hat. Man sieht schon an der Mischung, dass richtige Orangenstücke im Tee enthalten sind. Außerdem sind auch Sonnenblumenblüten und kandierte Papayastücke enthalten, die den Geschmack sehr schön abrunden.

Schwarzer Tee "Gewürzkuchen". Der Tee schmeckt wirklich ein wenig wie Gebäck, sehr würzig, fast weihnachtlich, dabei aber auch mit fruchtigen Komponenten, denn auch hier sind kandierte Papayastücke und Mangostücke enthalten. Die Basis ein ein kräftiger Assam, und neben Zimt, Ingwer und Cardamom erhält der Tee sein Aroma auch durch Orangenschale. Als kleine Besonderheit sind Schokoladensternchen enthalten, die beim Aufgießen schmelzen und dem Tee etwas Weiches verleihen.

Mit dem Herbst ist auch Herbert wieder eingezogen und hat es sich in meinem Teeschrank gemütlich gemacht. Er kommt aus dem Teeladen, in dem ich gerne einkaufe und ist quasi der kleine Bruder von Karlheinz. Ich mag sie beide und kann mir den Herbst ohne sie nicht vorstellen, denn das Aroma ist einfach unvergleichlich und lässt sich nur schwer in Worte fassen, die dem Tee gerecht werden. Mein Tipp: auch wenn man normalerweise Anis und Fenchel nicht mag, sollte man diese Mischung probieren, denn der Geschmack ist sehr ausgewogen, und keines der Gewürze schmeckt zu stark hervor. 

Meine vierte Empfehlung habe ich selbst gemischt, was ganz einfach ist und interessante Ergebnisse bringt. Ich hatte einen grünen Bio-Rooibos pur, also völlig ohne Aroma. Dazu gegeben habe ich ein paar Tropfen Orangen-Würzessenz, die es von Primavera direkt für die Aromaküche gibt. Ich habe das ätherische Orangenöl einfach auf den Tee geträufelt, die Dose verschlossen, leicht durchgeschüttelt und ein paar Tage durchziehen lassen. Dann hat man einen leckeren Orangen-Rooibos, bei dem man die Intensität des Aromas selbst bestimmen kann. Ich empfehle, mit wenigen Tropfen anzufangen und bei Bedarf lieber noch ein wenig Öl nachzuträufeln, wenn man das Aroma kräftiger mag.

Seit einigen Tagen duftet es auch wieder richtig gut und würzig. 
Ich habe bereits im letzten Advent ein tolles Überraschungspäckchen bei Letters from Juliets Adventsverlosung gewonnen. Unter anderem waren auch zwei schöne Kerzen von Bartek Candles im Dekoglas im Paket, eine davon brennt nun seit einigen Tagen und verbreitet ihren feinen Duft "Ginger Bread", und außerdem sieht sie auch noch wunderschön aus, wenn die Motive von innen beleuchtet sind. Wenn die Kerze leer gebrannt ist, werde ich das hübsche Glas mit Teelichtern weiter verwenden.


Nun wünsche ich euch einen schönen Start in den letzten Monat des Jahres und eine wunderbare Adventszeit. Es liegen so viele tolle Bücher auf meinem SuB, die ich im Dezember lesen möchte, auch weihnachtliche Lektüre ist dabei.
Wie geht es euch, lest ihr im Dezember gerne speziell winterliche oder weihnachtliche Bücher? 







Canterbury Requiem - Gitta Edelmann


Die junge Autorin Ella Martin lebt erst seit ein paar Wochen in Canterbury. Ihr Verlag hat sie zur ausgiebigen Recherche dorthin geschickt, um Eindrücke für ihren neuen Liebesroman zu sammeln. Bei einer Chorprobe, die Ella besucht, um Anschluss zu finden, lernt sie auch Aileen kennen. Als letzte verlassen die beiden Frauen das Gebäude und machen sich getrennt auf den Heimweg. Am nächsten Tag erfährt Ella, dass Aileen tot ist; sie wurde überfahren. Was zuerst nach einem tragischen Unfall mit Fahrerflucht aussieht, erweist sich als viel komplizierter, denn Aileen stand zum Zeitpunkt des Unfalls unter starken Beruhigungsmitteln. Nachdem die Polizei auch Ella als Verdächtige verhört hat, beschließt diese, dass es nicht schaden kann, selbst ein wenig nachzuforschen, denn es ist ein Rätsel, wieso Aileen eine derart hohe Dosis des Beruhigungsmittels genommen hat. Wollte sie vielleicht ihrem Leben selbst ein Ende setzen, oder steckt gar noch jemand anderes dahinter? Ella hört sich in Aileens Familie und Bekanntenkreis um. Sie freundet sich mit allen möglichen Leuten an und trifft sich mit zwei alten Damen zum Häkelkränzchen. Dabei macht sie einige überraschende Entdeckungen, aber auch schmerzhafte Erfahrungen...

Schon die äußere Aufmachung dieses Krimis ist sehr ansprechend. Das dunkle Cover wirkt geheimnisvoll und ein wenig alt. Jedes Kapitel wird von einem kleinen Bild eingeleitet, das die Silhouette Canterburys zeigt, wie auch schon der Einband. Ella ist eine sympathische junge Frau, die sich schon nach kurzer Zeit gut in der Stadt eingelebt hat. Sie findet leicht neue Kontakte. Sie freundet sich mit Agatha, der ehrenamtlichen Mitarbeiterin eines Charity-Shops, an und besucht regelmäßig die Chorproben. Eigentlich soll sie ja einen Liebesroman schreiben, aber nach Aileens Tod sind eher ihre kriminalistischen Fähigkeiten gefragt, und die sind gar nicht mal so schlecht. Das Umfeld, in dem sich die Protagonistin bewegt, ist typisch englisch, was mir sehr gefallen hat. Dem liebevollen Begriff „Häkelkrimi“ macht dieser Roman alle Ehre, denn hier wird wirklich ausgiebig gehäkelt! Was sich nach und nach ergibt und wie sich ein Puzzleteilchen in diesem Fall zum anderen fügt, ist spannend und kurzweilig erzählt. Ella hat das Glück, immer die richtigen Leute zu treffen und wichtige Situationen abzupassen. Allerdings kommt nebenbei auch eine Sache zutage, die Ellas Vergangenheit betrifft und bei der mir die Zufälle dann doch ein wenig zu viel sind. Diese zweifelhafte Sache, über die ich jedoch nicht mehr verraten möchte, um künftigen Lesern die Spannung nicht zu nehmen, hat meines Erachtens dem Roman etwas von seiner Glaubwürdigkeit genommen. Aber das werden manche Leser vielleicht ganz anders empfinden oder sich nicht davon stören lassen. Insgesamt hat mir der Krimi gut gefallen, schon allein der traumhaften Kulisse wegen, in der sich die Handlung abspielt. Lesenswert ist er auf jeden Fall!




Samstag, 29. November 2014

Die Liebesbotin der Königin - Bettina Pecha


Norfolk, 1533: Die dreizehnjährige Elizabeth Ruscot soll auf dem Landsitz von Lady Agnes, der Witwe des 2. Dukes of Norfolk, eine angemessene Erziehung erhalten. In Chesworth House trifft sie viele junge Adlige, unter anderem auch Catherine Howard, die Enkelin von Lady Agnes. Die beiden Mädchen werden Freundinnen und verlieben sich gleichzeitig in den attraktiven Francis Dereham, der als Lady Agnes' Sekretär ebenfalls zum Haushalt gehört. Francis hat nur Augen für Catherine, und Elizabeth bleibt enttäuscht zurück. Sechs Jahre später, kurz nach ihrer Heimkehr, erfährt sie, dass sie gegen ihren Willen Lord Philip Hamilton heiraten soll. Der ernste und schweigsame Mann schüchtert sie ein. Nur widerstrebend fügt sie sich in dieses Arrangement, und es dauert lange, bis die jungen Eheleute erkennen, dass sie sich lieben. Ihr neu gefundenes Glück ist nur von kurzer Dauer, denn Henry VIII. hat mittlerweile Catherine Howard zu seiner fünften Frau gemacht, und die junge Königin beruft Elizabeth als Hofdame zu sich. Kurze Zeit nach ihrer Ankunft erfährt Elizabeth den wahren Grund, wieso Catherine sie bei sich haben möchte. Sie braucht ihre alte Vertraute und Freundin als Vermittlerin, um Thomas Culpeper, ihrem Geliebten, heimlich Nachrichten zukommen zu lassen. Aber der König erfährt, dass seine junge Frau ihm Hörner aufgesetzt hat. Als Catherines heimliche Machenschaften auffliegen, gerät auch Elizabeth in höchste Gefahr. Francis Dereham ist ebenfalls in Catherines Dienste getreten, eine Entscheidung, die sich als verhängnisvoll für ihn erweist.

Kurzweilig und lebhaft beschreibt Bettina Pecha das damalige Leben und das Treiben am Hof des Königs Henry VIII, so dass man sich in diese Zeit versetzt fühlt und den Eindruck hat, den Hofklatsch aus erster Hand zu erfahren. Im krampfhaften Bemühen um einen Thronfolger geht der König mehrere Ehen hintereinander ein und entledigt sich seiner vorherigen Frauen auf unterschiedliche Weise, wenn sie ihm nicht den Wunsch nach einem Sohn erfüllen können. Das alles erfährt man aus Elizabeths Sicht. Auch deren Entwicklung erlebt man hautnah mit, von der unerfahrenen und stürmischen Jugendlichen, die den Zauber der ersten Liebe erlebt, bis zur gereiften Frau, die nun ihren Scharfsinn einsetzt und mit Weitblick handelt. Aber trotz aller Vernunft gerät sie in den Sog der Gefahr, denn sie kann sich den Intrigen und dem Willen Catherines nicht entziehen. Wenn ich das schreibe, verrate ich nicht zu viel, denn auf diese Gegebenheit weist eigentlich schon der Titel des Romans hin. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, denn die damalige Zeit und alles, was mit Henry VIII. Und seinen Frauen zu tun hat, finde ich sehr interessant, und es ist im Roman auch schön ausführlich und informativ beschrieben. Alle Persönlichkeiten hat die Autorin plastisch und lebendig gezeichnet. Neben Elizabeth und Philip fand ich besonders Catherine Howard und Anna von Kleve sehr fein charakterisiert.

Leider ist das Ende der Geschichte etwas abrupt, und man entlässt die Protagonisten ins Ungewisse. Wie es mit Elizabeth und Philip weitergeht und was aus ihren Plänen wird, das hätte ich sehr gerne noch erfahren, beispielsweise in einem abschließenden Kapitel, das einen Blick in die Zukunft gewährt. Aber vielleicht besteht ja Hoffnung auf eine Fortsetzung, was ich sehr begrüßen würde.

Diesen Roman habe ich im Rahmen einer Leserunde bei Lovelybooks gelesen und bedanke mich ganz herzlich für die Überlassung des eBooks. Wer sich für Henry VIII. und seine sechs Frauen interessiert und gerne die Schauplätze des Romans sehen möchte, dem möchte ich empfehlen, die Website der Autorin zu besuchen, denn dort hat sie jede Menge an Hintergrundwissen bereitgestellt: Zur Website vonBettina Pecha



Freitag, 28. November 2014

Ben der Schneemann...können wir nicht teilen? - Guido van Genechten


Gerade vor Weihnachten machen sich die meisten von uns Gedanken, was man seinen Lieben schenken könnte. Daher ist es mir nun schon zur schönen Tradition geworden, meine Rubriken "Geschenkidee" bzw. "Die schönsten Bilderbücher für die Weihnachtszeit" zu erweitern. 
Heute möchte ich euch in diesem Sinn ein Bilderbuch vorstellen, denn es gibt Neues vom kleinen Schneemann Ben. Vielleicht können sich einige noch an meinen Beitrag im letzten Jahr erinnern, denn damals ist der erste Band um den kleinen niedlichen Kerl erschienen. Ausführliche Informationen dazu habe ich hier gepostet: Ben der Schneemann

Darum geht es im Buch:
Ben lebt, mit vielen anderen Schneemännern zusammen, im Eisland, wo es immer schön kalt ist und der Schnee nicht schmilzt. Er ist glücklich und zufrieden und hat schon viele Freunde gefunden. Alle Schneemänner, ob groß oder klein, dick oder dünn, tragen etwas auf dem Kopf: einen Hut, eine Mütze oder auch einfach nur eine leere Dose. Schneemänner haben eben immer etwas auf dem Kopf. Eines Tages taucht der Schneemann Dimitri auf. Er kommt aus dem Norden und trägt keinen Hut und keine Mütze. Als Ben ihn danach fragt, wird Dimitri ganz traurig, denn er hat seinen Hut unterwegs in einem Schneesturm verloren. Ben erklärt sich großzügig bereit, Dimitri seine eigene Mütze für ein paar Tage zu leihen, aber als er sie zurück haben möchte, ist Dimitri nicht bereit, sie wieder herzugeben. Ben ist enttäuscht, aber zusammen mit seinem Freund Alfred, einem weisen, alten Schneemann, überlegt er sich eine Lösung für das Problem. Wenn alle teilen, ist auch keiner unglücklich, und so wechseln seitdem im Eisland ständig die Kopfbedeckungen der Schneemänner reihum. Auch Dimitri teilt nun mit den anderen, und jeder ist zufrieden. Zwar ist immer ein Schneemann ohne Kopfbedeckung, aber der fühlt sich gut dabei, denn er weiß, bald bekommt er wieder einen Hut oder eine Mütze von einem seiner Freunde geliehen.

Mein Eindruck:
Auf spielerische Weise hat sich Guido van Genechten diesmal eines Themas angenommen, das gerade für die Kleinen oft mit Schwierigkeiten verbunden ist. Die kluge Art, wie Ben und seine Freunde das Problem lösen, ist schon für Dreijährige gut verständlich dargestellt.  Die Kinder lernen, sich in andere hinein zu versetzen und erfahren, was Empathie ist. Der kurze Text und die liebevollen Bilder vereinen sich hier zu einer zauberhaften Geschichte, die unterhaltsam und spannend ist, den Jüngsten aber ganz nebenbei sehr wichtige Erkenntnisse und Einsichten vermittelt. Kinder werden das Buch lieben und immer wieder gerne betrachten, und die Geschichte lässt sich auch prima, zusammen mit Freunden, in einem kleinen Rollenspiel umsetzen. Egal ob an Nikolaus oder zum Weihnachtsfest, vielleicht auch einfach als Mitbringsel zum Adventskaffee, mit diesem schönen und einfühlsam geschriebenen Buch wird man den kleinen Empfängern viel Freude bereiten.

Donnerstag, 20. November 2014

Lesekochbuch Bayreuth - Birgit Ringlein & Reiner Benker

Rezepte und Geschichten rund um den Gleeßtopf Auch wenn es mich in Sachen Kochen und Backen häufig in die Ferne zieht und ich vor allem der Mittelmeerküche sehr zugetan bin, so gibt es doch immer wieder Zeiten in denen ich mich gerne auf traditionelle Gerichte meiner Heimat besinne. Gerade im Herbst, wo in vielen oberfränkischen Orten Kirchweih gefeiert wird, finde ich es besonders schön und heimelig, nach alten Rezepten meiner Großeltern zu kochen. Da geht es mir wie Birgit Ringlein und Reiner Benker, den Autoren des Lesekochbuchs Bayreuth, denn auch bei mir werden Kindheitserinnerungen wach, wenn Bratendüfte durch die Küche ziehen und das Wasser im “Gleeßtopf” kocht. Zur Erläuterung für alle Nicht-Oberfranken: “Gleeßtopf” ist der Topf, in dem die Klöße gekocht werden.

SAM_2732

Das eben erwähnte Lesekochbuch ist etwas ganz Besonderes. Zum einen gibt es mir die Möglichkeit, die traditionelle Küche Bayreuths mit meinen Hofer Rezepten zu vergleichen, denn in beiden Städten ist die oberfränkische Küche zuhause, es ist vieles ähnlich, aber man findet doch immer wieder regionale Unterschiede. Die Gleeß (Klöße) werden in Bayreuth eigentlich genauso zubereitet, wie ich es kenne, vielleicht mit kleinen Abweichungen bei den Mengenangaben. So gab es kürzlich Klöße nach dem Bayreuther Rezept, und was soll ich sagen, es passt!

SAM_1783

Neugierig war ich auch auf die “Kerbassubbm” (Kürbissuppe), denn ich habe sie bisher ein klein wenig anders gemacht. Auch hier konnte mich das Ergebnis aus dem Bayreuther Lesekochbuch überzeugen, und ich werde demnächst öfter mal regional ein wenig “fremdgehen”

SAM_2718

Es gibt vieles, was ich ebenso zubereite, wie es die Autoren beschreiben, sei es die “Grießgleeßlasubbm” (Grießklößchensuppe), die “Pfannakungsubbm” (Pfannkuchensuppe oder Flädlesuppe), “Saura Zipfl” (saure Bratwürste aus dem Sud) oder “Sauerbrodn” (Sauerbraten), der auch bei uns mit “Reibkung” (Soßenkuchen) gemacht wird und einfach traumhaft schmeckt. Manche Gerichte kenne ich ähnlich, wie beispielsweise “Schnitzla” (Gemüsesuppe) ist ein Pendant zu unseren “Hofer Schnitz” (reichhaltiger Gemüseeintopf), die bei uns mit “Baggala” (Kartoffelpuffer) auf den Tisch kommen. Auch für diese Puffer gibt es ein Bayreuther Rezept, im Buch unter “Gabaggna Gleeß” zu finden. Beim Blättern durch das schöne Buch kamen Erinnerungen hoch, und es wurden Sehnsüchte wach. Der “Kaapfm blau” (Karpfen blau) entspricht dem, was bei uns traditionell an Silvester früher gegessen wurde, und ein ähnliches Gericht, wie den “Wegglasbudding” (Brötchenpudding) hat meine Großmama früher oft zubereitet. Auch mir völlig Neues konnte ich im Buch entdecken, und ich werde ganz sicher den Bierbraten ausprobieren, ebenso wie die Bratwurstpfanne. Interessant klingt auch der “Graudsbrodn” (Krautsbraten), den ich auf jeden Fall nachkochen möchte. Es wird nicht nur die Alltagsküche gezeigt, sondern auch viele Festtagsgerichte werden in diesem Buch vorgestellt, so dass für das leibliche Wohl in allen Lebenslagen das Passende dabei ist. Aber wieso “Lesekochbuch”? Zwischen den über 90 Rezepten findet man reichlich Lesestoff, in Form von kleinen Anekdoten, Gedichten, Erinnerungen und Geschichten rund um die schöne Stadt Bayreuth und ihre Bewohner, damals und heute. Wie heißt es so schön: “Das Auge isst mit”, und bei diesem Buch hat es auch reichlich Gelegenheit dazu, denn viele Rezepte sind mit ansprechenden Fotos ergänzt, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Auch ein paar kulturelle Eindrücke bietet das Lesekochbuch, beispielsweise ist das Bayreuther Festspielhaus, in dem die berühmten Wagner-Festspiele stattfinden, auf dem Vorsatzpapier zu sehen. Das Umschlagbild zeigt den Sonnentempel und einen kleinen Ausschnitt der Orangerie aus der Bayreuther Eremitage. Bayreuth ist eine Bierstadt, und so kann man auch eine Außenansicht des Maisel’s Brauerei- und Büttnereimuseums im Buch betrachten. Es gäbe noch viel über das Buch zu erzählen, aber noch besser ist natürlich, es sich selbst anzusehen, denn für alle, die regionale Kochbücher lieben und vielleicht sammeln, ist dieses ein Schatzkästlein. Nicht nur Oberfranken, sondern auch Auswärtige können sich ruhig trauen, denn für alles Mundartliche  ist immer eine Übersetzung dabei. Ein besonderes Schmankerl ist nämlich das “Bareitha Wörterbuch” (Bayreuther Wörterbuch), ein Mundart-Wörterbuch, das sich an die Rezepte anschließt. Hier werden mundartliche Begriffe von “Aach” (Auge) bis “Zwaawos” (Zweierlei) erklärt. Vieles kennt man auch als Einheimischer nur noch von früher, und wenn man es in dieser originellen Zusammenstellung liest, muss man unwillkürlich schmunzeln, ganz besonders beim Abschnitt “Schimpfwörterbuch”. Nur Eingeweihte wissen, was beispielsweise ein “Drudscherla” (langsames, naives Wesen) ist. oder was man unter einem “Grischbala” (dürrer, hagerer Mensch) versteht. Der November neigt sich dem Ende zu, und Weihnachten rückt langsam aber stetig näher, und so wäre es naheliegend, das Lesekochbuch Bayreuth als hübsche und originelle Geschenkidee in Betracht zu ziehen, vielleicht für junge Oberfranken, damit sie die Traditionen ihrer Heimat in Küche und Sprache nicht ganz aus dem Gedächtnis verlieren oder für Kochbuchsammler, vielleicht auch für gebürtige Oberfranken, die mittlerweile anderswo leben, als schöne und schmackhafte Erinnerung an die alte Heimat. Ideen gibt es viele, und das Lesekochbuch Bayreuth ist für jede Küche und jedes Bücherregal eine vielfältige Bereicherung. 

Nachtrag am 23.11.2014: Heute war es mir spontan nach einem schnellen und unkomplizierten Sonntagskuchen. Da ich die Zutaten alle im Haus hatte, habe ich mich für den Nusskuchen aus dem Bayreuther Lesekochbuch entschieden. Das Tolle ist, dass man nur drei verschiedene Zutaten benötigt: Puderzucker, Eier und gemahlene Nüsse. Das Ergebnis ist phänomenal. Es ist ein richtig schön lockerer und saftiger Kuchen geworden. Mein Mann meinte, das sei der leckerste Nusskuchen, den er je gegessen hat!




Herzlichen Dank an den Sutton Verlag und an Birgit Ringlein für das schöne Rezensionsexemplar.

Winterapfelgarten - Brigitte Janson


Nach einem Gespräch mit ihrem Chef muss Claudia Konrad erkennen, dass sie mit gerade mal 51 Jahren schon zum alten Eisen gehört, denn sie soll von ihrer langjährigen Tätigkeit als Kosmetikberaterin und Fachverkäuferin, im Hauptgeschäft der Parfümerie Swan, in bester Lage, direkt unter Hamburgs Alsterarkaden, nun plötzlich ins Warenlager versetzt werden. Claudia ist empört und kündigt auf der Stelle, nicht ohne einen spektakulären Abgang, den sie sich noch im Verkaufsraum der Parfümerie leistet. Erst als sie wenig später den Rathausmarkt erreicht und sich erschöpft auf einer Bank niederlässt, wird ihr die Tragweite ihres spontanen Entschlusses bewusst, denn der Verlust ihres Arbeitsplatzes ist nicht ihre einzige Sorge. Schweren Herzens muss sie an ihre Tochter Jule denken, die nach einem tragischen Unfall nicht mehr sie selbst ist, die Öffentlichkeit meidet und seit damals nie mehr zu ihrer fröhlichen Unbeschwertheit zurückgefunden hat. Sara, ihre beste Freundin und zugleich Jules Patin, hat eigene Probleme, denn nach ihrer Scheidung lässt sie sich durch die Tage treiben, und es fehlt ihr an einer sinnvollen Aufgabe im Leben.
Als Claudia einen Apfel findet und hinein beißt, kommt ihr das Aroma vage vertraut vor, und die aromatische Frucht weckt eine unbestimmte Sehnsucht; sie erscheint ihr wie der symbolische Schlüssel zu einem Neuanfang.
Wenige Tage später, während eines Ausflugs ins Alte Land, bringt sie der Zufall zu einem verlassenen Apfelhof. Das erscheint ihr schicksalhaft, und sie beschließt spontan, das marode Anwesen zu kaufen. Von diesem Entschluss lässt sie sich durch nichts abbringen, nicht von den vernünftigen Argumenten ihrer Freundin Sara und schon gar nicht von dem mürrischen, unfreundlichen Nachbarn.

Die Geschichte handelt von vier Frauen, die alle in ihrem Leben an einem Scheideweg angekommen sind. Um nicht in einer Sackgasse zu landen, müssen sie sich für die Zukunft neu orientieren. Das ist einfacher gesagt als getan, denn Probleme lassen sich nicht einfach wegwischen, und neue Wege zu beschreiten, erfordert eine große Portion Mut. Claudia, Jule und Sara gehen das Wagnis ein, indem sie auf einen Apfelhof im Alten Land ziehen, um sich dort ihr Leben neu einzurichten. Als eines Tages die frisch verwitwete Elisabeth bei ihnen auftaucht und bleibt, obwohl sie eigentlich nur auf der Durchreise war, erscheint sie als Rettung in der Not, denn die resolute Rentnerin bringt Gemütlichkeit ins Haus und täglich etwas Leckeres auf den Tisch.
Es sind vier sehr unterschiedliche Charaktere, die hier aufeinander treffen, und doch funktioniert es mit dem Zusammenleben. Wäre da nicht Johann, der eigenbrötlerische Nachbar mit seinem riesigen Hund, könnte Claudia direkt glücklich sein, aber immer wieder gelingt es dem großen Mann mit den eisblauen Augen, sie aus der Ruhe zu bringen. Jule empfindet Johanns Gegenwart ganz anders, denn sie durchdringt seine eisige Fassade und erkennt, was er hinter seiner unnahbaren Art verbirgt. Auch Elisabeth hat den ernsten Mann schnell durchschaut und erweist sich als wertvolle Ratgeberin, nicht nur für ihn, sondern auch für die Bewohnerinnen des Apfelhofs.

Der Roman ist ganz anders als die heiter-turbulenten, manchmal etwas überspitzten Familienkomödien, die man von der Autorin unter dem Pseudonym Brigitte Kanitz kennt. Die vier Frauen von „Winterapfelgarten“, mit all ihren Sorgen, Nöten aber auch Hoffnungen, sind liebevoll und glaubhaft charakterisiert, ebenso Bauer Johann vom Nachbarhof. Die Protagonisten haben sich in mein Herz geschlichen, still und heimlich, ohne anzuklopfen, und obwohl ich weiß, dass sie fiktiv sind, habe ich direkt Sehnsucht bekommen, sie im Alten Land zu besuchen und mit ihnen in der gemütlichen Küche zu sitzen und Tee zu schlürfen. Für die vier Frauen erfüllt sich ein Traum, den man nur allzu gerne mit ihnen teilen würde. Der alte Apfelhof hat etwas Heilsames, ja Magisches für all seine Bewohner; er ist ihnen schnell zu einer richtigen Heimat geworden.
Während des Lesens hat man das Gefühl, in der Geschichte zu versinken und von ihr eingehüllt zu werden, wie von einer kuscheligen Decke. Es ist ein idealer Roman für stürmisch-kalte Herbst- und Wintertage. Er wärmt das Herz und streichelt die Seele – kurz gesagt, er tut richtig gut.



Dienstag, 18. November 2014

Der Hexenschöffe - Petra Schier


Rheinbach im Jahr 1636: Fünf Jahre nach der ersten Welle von Hexenprozessen geht es nun wieder los. Der Hexenkommissar Jan Möden kommt in die Stadt und nimmt erste Verhaftungen vor. Unschuldige werden durch die Folter zu zweifelhaften Geständnissen gebracht, auf deren Basis sie dann öffentlich im Feuer sterben müssen. Die Prozesse mussten unter Anwesenheit der Schöffen Rheinbachs stattfinden, um ihnen einen offiziellen und rechtskräftigen Anstrich zu verleihen. Einer davon ist Hermann Löher. Obwohl er nicht mit Mödens Vorgehen einverstanden ist und ihn die Machenschaften mit Abscheu erfüllen, steht es nicht in seiner Macht, etwas dagegen zu unternehmen. Zu groß ist die Angst, dass durch seinen Widerstand die eigene Familie in den Brennpunkt von Mödens Interesse geraten könnte, wie es in der Vergangenheit schon einmal der Fall war. Löher hat längst durchschaut, dass bei den Prozessen nicht alles mit rechten Dingen zugeht, aber auch zusammen mit seinen Verbündeten gelingt es ihm nicht, dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Irgendwann jedoch kann er die Augen nicht mehr vor den Gräueltaten verschließen, die auf Mödens Anordnung hin stattfinden. Als er sich offen gegen den Hexenkommissar stellt, gerät nicht nur er selbst, sondern auch seine Familie in große Gefahr.

Mit ihrem neuen Roman beschreitet die Autorin Petra Schier neue Wege. Zwar habe ich schon viele historische Romane von ihr gelesen, aber im Vergleich war keiner vorher so düster wie "Der Hexenschöffe". Es ging auch in ihren vorherigen Werken um Aberglauben, Verbrechen und Krankheiten der Neuzeit, aber es waren bisher immer fiktive Geschichten mit glücklichem Ausgang.
Beim Hexenschöffen ist vieles anders. Das Wesentliche dabei ist, dass Hermann Löher wirklich gelebt und gewirkt hat. Die Autorin hat sich auf seine Spuren begeben und versucht, die damaligen Ereignisse so realistisch wie möglich wiederzugeben. Stellvertretend für alle damaligen Opfer begleiten wir im Roman die Angeklagte Marta Schmid, Ehefrau des Schöffen Neyß Schmid, von ihrer Verhaftung bis zur Hinrichtung. Was den Leser erwartet, ist ziemlich heftig, denn Petra Schier schildert die Prozeduren, welche die Angeklagte über sich ergehen lassen muss, ohne Weichzeichner. Ich musste häufig schlucken, gerade in Anbetracht der Tatsache, dass sich ähnliche Ereignisse damals wirklich in dieser Art zuhauf zugetragen haben. Man kann nur ansatzweise erahnen, wie umfangreich die Recherchen vorab wohl gewesen sind, die zum Roman führten. Im Anhang erläutert die Autorin ihre Beweggründe, weshalb sie Hermann Löher diese Geschichte gewidmet hat. Dort erfährt man auch einiges über das Rheinbacher Brauchtum des Mailehens, welches im Verlauf des Romans eine große Rolle spielt, und man erhält einen Einblick in Hermann Löhers Klageschrift, die dem Roman in vielen Punkten als historische Quelle zugrunde liegt.
Petra Schier hat hier in eindrucksvoller Weise die wahren Begebenheiten mit fiktiven Elementen zu einem anschaulichen Gesamtbild abgerundet, wobei sie sich nach eigenen Angaben stets nah an der Realität bewegt hat. Ihre Geschichte zeigt, dass durchaus nicht alle Menschen der damaligen Zeit mit der Hexenverfolgung einverstanden waren oder überhaupt an Hexen und Zauberer geglaubt haben, aber angesichts der wütenden, aufgehetzten Menge und der Gefahr, selbst als „Hexenpatron“ verdächtigt zu werden, waren die wenigen Vernünftigen machtlos und mussten zusehen, wie reihenweise Unschuldige hingerichtet wurden, um die Macht- und Geldgier der korrupten Verantwortlichen zu befriedigen.

Der Roman liest sich nicht leicht, denn er enthält zum Teil recht grausame Szenen, aber er ist beeindruckend und sehr lesenswert, und wenn man sich für historische Romane und insbesondere für die Ereignisse dieser Zeit interessiert, kommt man an diesem Buch ganz sicher nicht vorbei.

Auf ihrem Blog bietet Petra Schier jede Menge Hintergrundwissen zu Hermann Löher, zur Hexenverfolgung und auch zur Entstehung ihres Romans: Blog Petra Schier



Sonntag, 16. November 2014

Ich will so gerne anders sein - Paul Biegel


Anders ist ein kleiner, rundlicher Junge. Er trägt eine Brille, bei der ein Glas abgeklebt wurde, um sein linkes Auge zu schonen. Oft ist er ein bisschen tollpatschig und stolpert über seine eigenen Füße. Auch in der Schule klappt nicht alles so, wie er es gerne möchte. Als er wieder einmal über seinen Hausaufgaben brütet, wünscht er sich von Herzen, anders zu sein, denn das Einmaleins mit Sieben bereitet ihm Kopfzerbrechen. Nachts, bei Vollmond, als Anders in seinem Bett liegt, taucht plötzlich ein klitzekleines Mädchen auf seinem Fensterbrett auf. Es stellt sich als Federchen vor und möchte Anders helfen. Plötzlich schrumpft der Junge und wird genauso winzig wie Federchen. Gemeinsam mit ihr macht sich Anders auf die Suche nach dem Zauberer, denn ihm angeblich helfen kann, anders zu werden. Unterwegs begegnet er verschiedenen kleinen Tieren, die jedoch plötzlich so viel größer sind als er selbst. Er hat gefährliche Abenteuer zu bestehen und kommt in schwierige Situationen, und bei jedem seiner Erlebnisse lernt er etwas zum Einmaleins mit Sieben dazu. Am Ende muss er eine schwierige Entscheidung treffen.

Paul Biegels Geschichte von Anders und Federchen ist märchenhaft und einfühlsam geschrieben und wurde von Linde Faas ganz zauberhaft und liebevoll illustriert. Sicher können sich viele Kinder mit Anders identifizieren und haben ähnliche Probleme in ihrem Alltag zu bewältigen. Manche haben vielleicht ebenso den Wunsch, anders zu sein.
Die Abenteuer, die der kleine Held der Geschichte bestehen muss, erfordern viel Mut, Geschicklichkeit und so manchen guten Einfall. Ganz nebenbei lernt Anders das Einmaleins mit Sieben, und auch die jungen Leser werden es sich auf diese Weise ganz spielerisch einprägen.
Zudem vermittelt das Buch den kleinen Lesern, dass Mut und Erfolg nicht von der Körpergröße oder vom Aussehen abhängen und dass Entscheidungen des Herzens so viel wichtiger sind, als alles perfekt zu können und zu wissen.
Durch die Unterteilung in viele kurze Kapitel ist das Buch auch wunderbar zum Vorlesen geeignet, beispielsweise vor dem Zubettgehen jeden Abend ein neues Abenteuer.

Die fabelhafte Geschichte von Anders und Federchen ist bei Urachhaus in einer sehr schönen, gebundenen Ausgabe mit Leinenrücken erschienen. Durch die attraktive Aufmachung wäre das Buch sicher auch eine schöne Geschenkidee.
Wer sich einen ersten Eindruck vom Schreibstil und den Illustrationen machen möchte, kann dies anhand der Leseprobe tun, die auf der Website des Urachhaus-Verlags zu finden ist.
Hier geht es zur Leseprobe


Mittwoch, 12. November 2014

Willkommen zuhause! – Katja Altenhoven

 

SAM_2711

Nach dem Unfalltod ihres Mannes fühlt sich die 45-jährige Renée nicht mehr wohl in ihrer riesigen Wohnung in Kreuzberg. Mit mehr als 300 m2 ist das Areal viel zu groß für sie, und die Kinder sind schon lange aus dem Haus. Allein gelassen mit ihrer Trauer kommt sie sich regelrecht verloren vor, und jedes Zimmer birgt Erinnerungen an ihren Mann Martin. Je länger sie über ihren anfänglichen Entschluss, die Wohnung zu verkaufen, nachdenkt, umso mehr Zweifel schleichen sich ein, und so fasst sie einen außergewöhnlichen Plan. Sie möchte eine Wohngemeinschaft gründen, zusammen mit ihren langjährigen Freunden. Nach zwei Test-Urlaubswochen in einem Haus in der Uckermark beschließen sie, es zu wagen, und es ziehen der Arzt Michael und Renées Freund aus Kindertagen, der pensionierte Musiklehrer Wille sowie das ungleiche Ehepaar Anne und Pavel zu Renée in die riesige Wohnung. Aber kaum haben sich die Bewohner an ihr neues Heim und aneinander gewöhnt, kommen ungeahnte Probleme auf sie zu, die alles in Frage stellen.

Betrachtet man das Cover, mit dem bunten Stilleben aus verschiedenen Kaffeetassen, so vermutet man einen fröhlichen und turbulenten Roman dahinter. Turbulent ist er auch, aber als fröhlich kann man ihn ganz und gar nicht bezeichnen, dazu sind die Ereignisse viel zu ernsthaft. Man begleitet die Protagonisten bei ihren  Bemühungen, sich in ihrer neuen Wohn- und Lebenssituation zurechtzufinden. Die erste Hälfte des Romans beschäftigt sich erst einmal mit dem Kennenlernen der verschiedenen Charaktere. Michael ist ein gutmütiger, ein klein wenig eigenbrötlerischer Kerl, für den Renée immer noch die Liebe seines Lebens ist. Will, der ehemalige Musiklehrer und Jazzliebhaber, verehrt die Werke seines großen Idols Miles Davis und spielt selbst in einer Jazzband. Anne, die Bundestagsabgeordnete und ihr Mann Pavel, der Leiter eines Seniorenheims, sind wie Feuer und Wasser. Bei ihnen trifft der Satz zu, dass sich Gegensätze anziehen. Man wird ausführlich mit den verschiedenen Charakteren vertraut gemacht und kann sie sich gut vorstellen. Obwohl sie eigentlich diejenige ist, mit der alles beginnt, bleibt Renée durchgehend ein wenig blass; die anderen Persönlichkeiten wirken alle dominanter.
Wie sie sich langsam aber sicher zusammenraufen und dann beschließen, die Wohngemeinschaft wirklich zu wagen, ist sehr ausführlich geschildert, und ich muss zugeben, es hat sich meines Erachtens ziemlich in die Länge gezogen. Richtig interessant wird es dann nach dem Zusammenzug. Man erfährt, wie die Bewohner sich arrangieren, miteinander umgehen und bemüht sind, gemeinsame Aktivitäten einzuplanen. Das Konzept dieser Ü40-Wohngemeinschaft ist außergewöhnlich, aber durchaus erfolgversprechend. Sehr bald jedoch tritt ein Fall ein, der die sorgfältige Planung und Struktur des Zusammenlebens ins Wanken bringt. Nun sind alle Mitglieder der WG gefordert und müssen sich fragen, ob sie sich zutrauen, das schwierige Problem gemeinsam anzugehen.
Die Lebensform, welche die Autorin hier beschreibt, ist heutzutage noch ungewöhnlich, aber zukunftsträchtig, und ich sehe die Entwicklung dahin auch sehr positiv, denn gerade in Großstädten, wie in diesem Fall in Berlin, sind viele ältere oder alte Menschen einsam. Der Roman greift dabei wichtige Themen auf, die gerade bei einer Wohngemeinschaft aus Älteren immer auftauchen können. Gibt es derartige Probleme, wie sie hier geschildert werden, stellt das die Belastbarkeit einer WG enorm auf die Probe. Der Roman zeigt, wie sich die Menschen dieser Geschichte entscheiden und arrangieren und wie sie sich die Zukunft vorstellen, aber er lässt offen, ob es auch wirklich auf Dauer klappen kann. Auf jeden Fall gibt er Denkanstöße und lädt dazu ein, die Entwicklung für die Protagonisten weiterzuspinnen und sich zu überlegen, wie man selbst mit einer ähnlichen Situation umgehen würde. Es ist ein Roman, der sehr nachdenklich macht, denn die Sachlage ist sehr realistisch dargestellt und zeigt viele Schwierigkeiten auf, mit denen wir, so oder ähnlich, selbst im Lauf unseres Lebens konfrontiert werden können. Auch wenn der Anfang etwas schleppend war, hat mich die zweite Hälfte des Buches dann richtig gepackt und bewegt. Diese Steigerung war für mich ausschlaggebend, dem Roman dann letztendlich doch volle fünf Sterne zu geben.

smiley_2009_06_23-23_07

Dienstag, 11. November 2014

Zum Wünschen ist es nie zu spät - Birgit Schlieper


Die vier Freundinnen Ingrid, Hedda, Gudrun und Marie-Ann kennen sich schon beinahe ihr ganzes Leben lang, genau genommen seit fast sechs Jahrzehnten. In regelmäßigen Abständen treffen sie sich, um zu plaudern, Erfahrungen auszutauschen, sich miteinander über Schönes zu freuen oder sich gemeinsam zu wundern, zu ärgern, manchmal sogar traurig zu sein. Aber im Leben der Freundinnen ist der Alltag gegenwärtig, es hat sich Eintönigkeit eingeschlichen, und vieles ist einfach zur lieben Gewohnheit geworden. Richtig aufregende Erlebnisse gibt es nicht, alles geht seinen Gang, und die Wochen plätschern dahin, bis plötzlich Hedda mit einem jüngeren Mann gesehen wird. Den vier Freundinnen wird klar, dass sie noch nicht zum alten Eisen gehören, sondern noch etwas aus ihrem Leben machen wollen: Spannendes erleben, neue Wege gehen, sich überraschen lassen und Herzenswünsche erfüllen. Sie beschließen, dass jede von ihnen ihre heimlichen Wünsche aufschreiben darf. Aus dieser Wünsche-Sammlung soll nach und nach immer ein Zettel gezogen werden, und was darauf steht, wird von den Freundinnen gemeinsam gemacht, ohne zu kneifen.
Es beginnt eine erlebnisreiche Zeit, in der die Frauen ganz ungewöhnliche Dinge tun, wo sie erfahren, dass ihr Leben noch so manches Abenteuer bereit hält.

Die 4 Frauen verbindet eine außergewöhnliche Freundschaft, die von gegenseitigem Verständnis geprägt ist. Die Freundinnen sind füreinander da und gehen gemeinsam durch dick und dünn. Dabei sind sie grundverschieden, und jede von ihnen hat eigene Vorstellungen von Begriffen wie Glück und Zufriedenheit. Trotzdem lassen sich alle vorbehaltlos auf die Wünsche ein, die gezogen und erfüllt werden sollen, auch wenn es manchmal schwer fällt und nicht alle Aktionen bei jeder von ihnen auf Gegenliebe stoßen. Aber so mancher Wunsch, der anfangs mit Skepsis betrachtet wurde, entwickelt sich dann doch zu einem schönen Erlebnis, eben gerade weil sie es gemeinsam durchziehen. Man begleitet die vier so unterschiedlichen Frauen eine Zeitlang bei ihren Unternehmungen, und man spürt die Lebenslust, die damit einher geht. Aber es kommen auch Themen wie Einsamkeit oder die Angst vor dem Altern zur Sprache, und es gibt durchaus manchmal Verständnisprobleme. Aber irgendwie lassen sich alle lösen.
Es ist ein wunderbarer Roman, warmherzig und lebendig geschrieben, voller Optimismus und Humor und doch mit dem Blick für die unabwendbare Realität, dass das Älterwerden nicht immer nur Sonnenschein zu bieten hat. Aber auch wenn jede der vier Frauen ihre persönlichen Probleme hat, sich neu orientiert und letztendlich ihren eigenen Weg geht, so bietet ihnen doch ihre Freundschaft einen wertvollen und zuverlässigen Rückhalt. Am Ende fällt es einem direkt schwer, die Freundinnen wieder zu verlassen, denn es hat unendlich viel Spaß gemacht, sie zu begleiten.


Sonntag, 9. November 2014

Der Lovelybooks Leserpreis 2014


Auch heuer wieder gibt es bei Lovelybooks den Leserpreis. Und so geht’s:
Nominiert bis zum 19. November eure Lieblingsbücher in verschiedenen Kategorien. Voraussetzung ist, dass die nominierten Bücher zwischen dem 1. Dezember 2013 und dem 31. Oktober 2014 zum ersten Mal erschienen sind. In jeder Kategorie kommen die 35 am häufigsten nominierten Bücher in die finale Abstimmungsrunde, die am 20. November startet. Die Preisträger werden am 28. November 2014 bekannt gegeben.
Jede Stimme zählt!
Macht mit und schaut gleich nach, ob eure Lieblingsbücher schon nominiert sind. Klickt einfach auf das folgende Banner, und schon seid ihr auf der richtigen Seite:
unnamed



Wolfs letzter Tag – Oliver Bantle

Ein Lebenskunst-Roman
SAM_2350
Der alte Leitwolf weiß, dass sein irdisches Leben zu Ende geht. Er verabschiedet sich von seinem Rudel und überlässt dessen Führung seinen Kindern. Dann macht er sich auf seine letzte Reise ins Moor, um dort zu sterben. Auf dem Weg dorthin kommen die Erinnerungen an vergangene Tage und Erlebnisse, und Wolf hat einige interessante und aufschlussreiche Begegnungen. Was ihn dann im Moor erwartet, ist so ganz anders, als er sich vorgestellt hat.
Oliver Bantles neuer Roman, in dem es um die letzten Stunden eines alten Leitwolfs geht, ist eine Fabel, in der vieles gleichnishaft dargestellt wird. Wolfs Gedanken, Erinnerungen und Begegnungen könnte man genauso gut in die menschliche Gesellschaft übertragen. Obwohl nur 113 Seiten stark, ist das kleine Büchlein sehr tiefgründig und regt zum Nachdenken an. “Wolfs letzter Tag” wird als Lebenskunst-Roman vorgestellt. Aber eigentlich geht es dabei eher um die Kunst, mit sich selbst ins Reine zu kommen und das Leben würdevoll hinter sich zu lassen. Es geht um essentielle Glaubensfragen, und man wird in gewissem Sinn mit Wolfs Nahtoderfahrungen konfrontiert. Die sehr ruhige, eher sanfte Geschichte, mit vielen philosophischen Elementen, ist ein geeignetes Buch für Menschen, die sich viele Gedanken um Gott und die Welt, ums Werden und Vergehen machen. Auf jeden Fall ist dies kein Büchlein, das man schnell durchliest und dann weglegt, sondern man kann es immer wieder zur Hand nehmen, um ein wenig darin zu blättern und zu schmökern, und man wird immer wieder kleine Denkanstöße darin finden, die es sich lohnt, weiter zu verfolgen und ausgiebiger darüber nachzusinnen. Hier zitiere ich nur ein Beispiel für so einen amüsanten Satz, der bei genauer Betrachtung viel Tiefe aufweist: “Ist die Freude am Leben zu mager, muss man sie mästen”.

In diesem Sinn wünsche ich uns allen eine üppige, gut genährte und satte Lebensfreude!

smiley_2009_06_23-23_07

Zu meiner Rezension von Oliver Bantles erstem Buch geht es hier:
Yofi oder die Kunst des Verzeihens


Samstag, 8. November 2014

Lies oder stirb!

Mörderisches aus dem Bücherdschungel

Der Grafit Verlag feiert heuer sein 25-jähriges Jubiläum, das war ein Vierteljahrhundert beste Krimiliteratur!
Im Jubiläumsjahr gibt es einige interessante Neuerscheinungen. Unter anderem haben sich wieder 15 treue und bekannte Autor(inn)en bzw. Autorenduos des Verlags zusammengetan und einen Beitrag für die neue Anthologie „Lies oder stirb“ geschrieben.
Folgende Autor(inn)en sind beteiligt:
Ralph Gerstenberg, Ella Theiss, Ilka Stitz, Leo P. Ard, Niklaus Schmid, Lucie Flebbe, Gabriella Wollenhaupt und Friedemann Grenz, Peter Gozagar, Jan Zweyer, Jacques Berndorf, Christoph Güsken, Petra Würth, Theo Pointner, Wilfried Eggers, Christiane Bogenstahl und Reinhard Junge.

Herausgekommen ist eine ganz besondere Kurzgeschichtensammlung. Es ist eine Anthologie, in der sich alle Geschichten rund um das Thema Literatur und Bücher drehen. Außerdem gibt es natürlich in jeder Story mehr oder weniger ein Verbrechen, denn es sind ja allesamt Kriminalgeschichten. Das muss kein Mord sein, es gibt auch Betrug, Diebstahl und vieles mehr. Es geht in den Storys um Autoren, Buchhändler und Leser. Dabei können sie alle sowohl als Täter aber auch mal als Opfer auftreten. Die Kriminalfälle sind vielfältig und zum Teil skurril, und sie bieten die Möglichkeit, den Schreibstil der verschiedenen Autoren in kleinen Häppchen kennenzulernen. So unterschiedlich sie auch sind, jede der Geschichten hat etwas Besonderes an sich, das gewisse Etwas, das sie so spannend und originell macht.
Das Buch war mir in den letzten Wochen immer wieder eine vergnügliche Gutenachtlektüre. Gerade spätabends, wenn man eigentlich müde ist und sich auf keine längere Handlung mehr einlassen möchte, sind die kurzen Geschichten ideal, und so manches Mal war beim Lesen nach kurzer Zeit meine Müdigkeit wie weggeblasen, weil mich die Geschichten so gefesselt haben. Die Tatsache, dass es durchweg um Bücher und Literatur geht, macht die Anthologie unverzichtbar für alle, die Bücher lieben. Sie darf bei keiner Leseratte und keinem Bücherwurm in der heimischen Bibliothek fehlen.  




Donnerstag, 6. November 2014

Ein Buchladen zum Verlieben - Katarina Bivald



Als die 28-jährige Schwedin Sarah arbeitslos wird, beschließt sie, ihre Brieffreundin Amy in Iowa zu besuchen. Als sie nach einer langen Reise endlich in Broken Wheels, der Heimatstadt der 65-jährigen Amy, ankommt, muss sie zu ihrer Bestürzung erfahren, dass die Freundin nicht mehr am Leben ist. Sarah fühlt sich elend und einsam, denn was soll sie nun tun? Obwohl sie Amy bisher nicht persönlich kannte, vermisst sie die Brieffreundin, denn die beiden so unterschiedlichen Frauen hatten die Liebe zu Büchern gemeinsam und tauschten sich in ihren Briefen rege über ihr Lieblingsthema aus. Auch die Einwohner von Broken Wheels, die Sarah so nach und nach kennenlernt, wissen nicht so recht was sie mit der jungen Schwedin anfangen sollen. Sarah bleibt erst einmal in Amys Haus wohnen. Aber sie will niemandem zur Last fallen und beschließt, den Broken Wheelern etwas für ihre Gastfreundschaft zurückzugeben. Mit Amys Büchern eröffnet sie einen Buchladen, sehr zur Verwunderung der Einwohner, denn die fragen sich, wer denn in Broken Wheel Bücher kaufen und lesen soll.
Wie Sarah und ihr außergewöhnlicher Buchladen dazu beitragen, dass in Broken Wheel alles besser wird und wie Sarah ihren Weg ins Glück findet, davon erzählt dieser schöne und gewinnende Roman.

Der Schreibstil dieses Romans ist bezaubernd, und da sich die Handlung sehr stark um Bücher dreht, ist das natürlich ein weiterer Pluspunkt, interessant für alle, die derartige Geschichten lieben, wo es um Literatur und Bücher geht, mit allem, was in irgendeiner Form mit dem Thema zu tun hat. Sarah ist ein liebenswerter Charakter, aber sie ist auch ziemlich eigenbrötlerisch, und bei ihrer Ankunft in Broken Wheel hat man schnell den Eindruck, dass sie hier eine Menge Gleichgesinnte getroffen hat, denn die Stadt mit all ihren Einwohnern erscheint etwas seltsam. Hier gibt es jede Menge Sonderlinge, und die Stadt scheint in ihrer Gesamtheit irgendwo in der Vergangenheit „eingeschlafen“ zu sein. So gesehen bringt Sarah frischen Wind in das Städtchen und sorgt durch ihre bloße Anwesenheit für Gesprächsstoff. Mit ihrem Plan, die Einwohner des Ortes zum Lesen zu bringen, hat sie sich ganz schön viel vorgenommen, was schier unerreichbar scheint. So nach und nach wird sie heimisch und erfährt immer mehr über die verschiedenen Charaktere, die schon ihr ganzes Leben in dieser tristen Stadt verbracht haben.
Insgesamt betrachtet ist es ein origineller, schön geschriebener Roman, nur hat mir persönlich ein wenig die Normalität in der Geschichte gefehlt, denn man hat teilweise wirklich das Gefühl, auf ein ganzes Nest von Eigenbrötlern gestoßen zu sein. Die Art, wie die Menschen in Broken Wheels leben und miteinander umgehen, ist ziemlich gewöhnungsbedürftig. Man fühlt sich wie in der Zeit zurückversetzt, wären da nicht ab und zu kleine Hinweise auf modernste Technik und aktuelle Ereignisse.

Eine Bewertung ist für mich schwer, denn eigentlich hat mir das Buch in seiner Gesamtheit gut gefallen, aber es konnte mich eben nicht vollständig begeistern oder mitreißen.



Samstag, 1. November 2014

Elsas Stern - Agnes Christofferson

Ein Holocaust-Drama


Die Geschichte beginnt in New York, im Frühjahr 1979. Die junge Leni hat ihre Mutter Elsa in ein italienisches Restaurant zum Essen eingeladen, um ihr ein wenig Ablenkung zu bieten, da sie seit dem Tod des Vaters das Haus kaum noch verlässt. Als ein älterer Herr das Lokal betritt, scheint Elsa ihn zu kennen und erleidet plötzlich einen Nervenzusammenbruch. In dem Mann hat Elsa den ehemaligen KZ-Arzt Erich Hauser erkannt, der ihr damals, vor fast 35 Jahren, in Auschwitz das Leben zur Hölle machte.

Von ihrer älteren Schwester Salome erhält Leni ein altes Tagebuch ihrer Mutter. Bisher hatte Elsa ihre jüngere Tochter im Unklaren über die Vergangenheit der Familie gelassen. Erst aus den alten Aufzeichnungen erfährt sie vom tragischen Schicksal ihrer Mutter und der kleinen Salome, die zum Ende des 2. Weltkriegs aus dem antisemitischen Deutschland geflohen waren. Nachdem sie die Wahrheit erfahren hat, setzt Leni alles daran, den Peiniger ihrer Mutter zu finden und der Justiz zu überantworten.

Die Rahmengeschichte, die 1979 spielt, ist aus Lenis Sicht, in der 1. Person geschildert, während die Tagebucheinträge von Elsa in der dritten Person geschrieben sind. Dies hat mich anfangs ein wenig verwundert, aber im Nachhinein betrachtet, ist es gut so, denn dadurch wahren die grausamen Schilderungen wenigstens ein bisschen Distanz, nicht nur zum Leser, sondern in erster Linie auch zu Elsa selbst, denn sie hat vieles von damals verdrängt und möchte nicht darüber nachdenken oder gar sprechen. Auch so sind viele der Ausführungen kaum zu ertragen, wenn man erfährt, wie viel Leid die Gefangenen von Auschwitz damals erdulden mussten und nur in den wenigsten Fällen überlebten. Man erfährt von sadistischen Menschenexperimenten, die von gewissenlosen Ärzten in einem Trakt des Lagers durchgeführt wurden. Wer den Horror des Holocaust überlebte, wie Elsa, hat an der Bürde der Erinnerung sein Leben lang zu tragen.

Das Besondere an diesem Romankonzept ist, dass es hier nicht ausschließlich um die damalige Zeit geht, sondern dass auch langfristige Auswirkungen thematisiert werden. Holocaust ist ein Thema, das man gerne verdrängt und der Vergangenheit zuschreibt, aber dem ist nicht so. Wie im Roman geschildert, ziehen sich die Nachwirkungen bis in die Gegenwart, denn die damals Überlebenden waren für den Rest ihres Lebens gebrochen und gezeichnet an Körper und Seele. Nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Nachkommen und späteren Partner mussten mit diesen schweren Beeinträchtigungen leben oder wurden, wie in Lenis Fall, um ihre Wurzeln betrogen, da ihre Großeltern in Auschwitz umgekommen sind.

Agnes Christoffersons Roman geht an die Nieren und berührt bis ins Innerste. Zugleich ist er auch sehr wichtig, denn er tut etwas gegen das Schweigen und das Vergessen.

* * * * *