Im Dezember 2009 startet die
Schriftstellerin Karen Duve einen Selbstversuch. Ausschlaggebend ist
unter anderem ihre neue Mitbewohnerin Kerstin, von ihr meist
liebevoll „Jiminy Grille“ genannt, denn Jiminy weist sie darauf
hin, wie schrecklich das Schicksal der Grillhähnchenpfanne vor der
Schockfrostung gewesen sein muss, wenn diese nun für 2,99 zu
erwerben ist. Was zu so einem Spottpreis verkauft wird, kann kein
angenehmes Leben geführt haben.
Karen Duve beschließt, im kommenden
Jahr verschiedene Ernährungsformen auszuprobieren, immer jeweils für
zwei Monate. Sie beginnt im Januar 2010 damit, ihre Nahrungsmittel
nur noch aus biologischem Anbau, mit dem 6-eckigen Biosiegel
versehen, zu kaufen. Immer intensiver beschäftigt sie sich während
dieser Zeit damit, wie unsere Nahrungsmittel „hergestellt“ werden
und stellt dabei zu ihrem Schrecken fest, dass viele Verfahren ganz
und gar nicht akzeptabel sind.
In den Monaten März und April widmet
sich die Autorin der vegetarischen Ernährung und wird im Lauf des
Sommers sogar zum Veganer, was sich nicht nur in ihrer Ernährung
niederschlägt, sondern auch Auswirkungen auf ihren ganzen Lebensstil
und ihre Kleidung hat. September und Oktober stehen im Zeichen der
frutarischen Ernährung, was Karen an die Grenzen des Machbaren
bringt.
Das Buch schließt mit den
Erkenntnissen der Autorin, die sie während der ganzen Zeit gesammelt
hat, und es zeigt auf, wie es nun für Karen weitergehen soll.
Karen Duve ist kein
Gesundheitsfanatiker. Verzicht zu üben, fällt ihr teilweise
ziemlich schwer, das gesteht sie ganz freimütig in ihrem Buch, und
doch hat sie es geschafft, sogar die frutarische Lebensweise zwei
Monate lang durchzuziehen. Sie ist ehrlich, sich selbst und den
Lesern gegenüber. Ich fand es absolut sympathisch, zu erfahren, dass
sie auch ihre Schwächen hat, die sie nur ungern aufgeben möchte.
Die Art, wie sie über ihre Erlebnisse berichtet, ist humorvoll, sehr
menschlich und weit entfernt von selbstgerechtem Heldentum.
Ihre Vorsätze für die Zukunft sind
nicht extrem, aber machbar und glaubwürdig, denn wie sie selbst
sagt: „Leider ist es etwas völlig anderes, einen Weg zu gehen, als
ihn bloß zu kennen.“
Ihre Erkenntnisse nach diesem
Selbstversuch kann ich durchaus nachvollziehen, denn in gewisser
Weise empfinde ich ähnlich, je mehr man sich mit Problemen wie
Massentierhaltung beschäftigt, umso enger zieht sich der Kreis, was
zu essen noch akzeptabel ist. Wenn man einmal weiß, wie es in den
Tieranstalten zugeht, kann man hinterher nicht mehr so tun, als sei
alles in Ordnung. Karen Duve bringt es gut auf den Punkt, wenn sie
schreibt, sie ernähre sich mittlerweile so achtsam und
rücksichtsvoll wie nie zuvor in ihrem Leben und habe trotzdem eine
schlechtere Meinung von sich als früher.
Manche Probleme, die sie beschreibt,
sind individuell, denn nicht jeder hat Haustiere und muss sich um
deren Wohl Gedanken machen. Wenn man kein Pferd hat, muss man nicht
darüber grübeln, ob man einen Reitsattel aus Leder oder Kunststoff
nutzen soll oder vielleicht gar nicht mehr reiten dürfte. Aber
vieles, was in diesem Buch erwähnt wird, ist allgemein gültig und
betrifft jeden von uns. „Anständig essen“ ist ein interessantes
und wichtiges Buch, das Denkanstöße liefert und dazu anregt, die
eigene Lebensweise zu hinterfragen und zu überlegen, was man selbst
zum Guten ändern könnte.