Die
junge Waise Maria arbeitet in Wiesbaden im Haus Sonnenschein, einem
Seniorenheim. Dort lernt sie Betty kennen, eine recht eigenwillige
alte Dame, die im Heim lebt. Trotz des großen Altersunterschieds
freunden sich die beiden Frauen an. Marie spürt, dass die Schatten
der Vergangenheit die alte Dame belasten und sie immer wieder
einholen. Sie selbst ist auf der Suche nach ihren Wurzeln. Ihre
Eltern hat sie früh verloren und wuchs im Heim auf. Über ihre
Vorfahren weiß Marie so gut wie nichts. Mit Hilfe eines alten
Tagebuchs kommt sie schicksalsschweren Ereignissen von damals auf die
Spur, die ihr ganzes Leben verändern.
Die
Handlung um Maria und Betty spielt in der Gegenwart, aber eigentlich
ist es ein historischer Roman, denn die Rückblicke nehmen einen sehr
großen Raum im Buch ein und führen nach Norwegen, ins Jahr 1941.
Damals, zu Kriegszeiten, wurden in dem kleinen Fischerort Loshavn
deutsche Soldaten stationiert. Die Freundinnen Lisbet und Oda haben
viel gemeinsam, denn sie verlieben sich beide in einen jungen
Deutschen. Die Familien reagieren mit Ablehnung und Unverständnis,
und so verlassen Lisbet und Oda ihre Heimat, um bei ihren Geliebten
zu sein. Als beide Männer an die Ostfront versetzt werden, lassen
sie zwei verzweifelte Frauen zurück, denn beide Freundinnen sind
schwanger. Sie finden Aufnahme und Hilfe bei den deutschen Besatzern
und können in dem „Kriegsmütterheim“ Hurdal Verk ihre Kinder
zur Welt bringen. Wie es für die Mütter und ihre Kinder weitergehen
soll, ist ungewiss, denn der Traum, den geliebten Mann wieder zu
treffen und heiraten zu können, scheint sich für beide Freundinnen
nicht zu erfüllen.
In
diesem bewegenden Roman behandelt die Autorin ein Thema, über das
ich bisher noch nichts wusste, denn es geht um den Lebensbornverein,
eine nationalsozialistische Organisation, die es sich zum Ziel
setzte, die „nordische (arische) Rasse“ zu bewahren. Daher wurden
die Verbindungen zwischen deutschen Soldaten und norwegischen Frauen
begrüßt, denn die aus diesen Liebschaften entstehenden Kinder
entsprachen den damaligen Vorstellungen des NS-Regimes von
„Rassenreinheit“. Die Frauen der indigenen nordischen Völker,
der Samen, fielen nicht unter diesen Status. Sie wurden auch anders
behandelt, denn für die Ideologie und das Projekt „Lebensborn“
waren sie nicht von Nutzen.
Die
Autorin hat unglaublich aufwändig und ausführlich für diesen Roman
recherchiert, das merkt man an dem umfassenden Wissen, das hinter der
Geschichte steckt. Auf zwei Zeitebenen beschreibt Linda Winterberg
die tragischen Ereignisse und Schicksale dieser Zeit, und sie schlägt
einen Bogen zur Gegenwart, denn die Nachkommen der damaligen Opfer
suchen auch heute noch nach Antworten auf ihre zahlreichen Zweifel
und Fragen. Vieles wird im Nebel der Vergangenheit verborgen bleiben
und sich nicht mehr klären lassen, aber ich finde es gut und
wichtig, durch diesen Roman etwas über das mir bisher unbekannte
Thema zu erfahren. Die Autorin hat die realen historischen Fakten
gekonnt und einfühlsam in diese berührende Geschichte eingeflochten
und einen fesselnden und beeindruckenden Roman daraus entstehen
lassen. Mich hat das Thema nachhaltig und weit über die Handlung
hinaus beschäftigt, und das Schicksal dieser Frauen und ihrer
Tyskerbarna
(„Deutschenkinder“)
wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Insgesamt hat mir der
Roman sehr gut gefallen, nur ging mir am Ende alles ein wenig zu
schnell, und es blieben für mich einige Fragen offen, was ich sehr
schade fand.
Hallo Susanne,
AntwortenLöschengenauso erging es mir auch. Ich kannte diese Einrichtungen nicht und war schockiert, dass die Kinder einfach den Frauen weggenommen und als Waisenkinder ausgegeben wurden, um sie danach SS-lern zu geben.
Das Buch wird noch lange in meinem Kopf bleiben!!
Liebe Grüße
Martina