Als ich in der Vorschau gelesen habe,
dass sich dieser Roman an Jane Austens „Stolz und Vorurteil“
anlehnt, war ich zunächst skeptisch, denn wer kennt nicht die
Familie Bennet, ständig bemüht, eine ihrer fünf Töchter unter die
Haube zu bringen.Diesen Klassiker fortzuführen, das kann nicht gut
gehen, dachte ich. Aber Jo Bakers Ansatz ist ein ganz anderer. Ihr
Roman ist keine Fortsetzung, sonder er verläuft parallel zu Jane
Austens Geschichte, nur der Blickwinkel ist anders. Man erlebt auch
hier, wie in der Nachbarschaft der Bennets eines Tages der
wohlhabende Mister Bingley einzieht. Für Mrs. Bennett ist er sofort
ein geeigneter Heiratskanditat für eine ihrer reizenden Töchter.
Man liest darüber, wie Mister Collins, Bennets Cousin und Erbe des
Anwesens, um die Hand der zweitältesten Tochter Elizabeth anhält
und abgewiesen wird. Man lernt Mr. Darcy, Bingleys Freund, kennen und
erfährt einiges über den Offizier Wickham, der im Hause Longbourn
ebenfalls häufig ein und aus geht und sich um die Töchter bemüht,
wenn auch nicht gerade aus immer ehrenvollen Gründen. Das alles
kennt man bereits, wenn man „Stolz und Vorurteil“ gelesen hat,
aber diesmal ist das Geschehen rund um die Bennets in den Hintergrund
gerückt. Man erfährt mehr über diejenigen, die bei Jane Austen nur
eine Nebenrolle haben, nur am Rande erwähnt werden oder gar nicht in
Erscheinung treten. Aber hinter den Kulissen des Haushalts arbeiten
Menschen mit Gefühlen, Sorgen und Hoffnungen. Was man in anderen
Romanen kaum zu lesen bekommt, erfährt man nun aus allernächster
Nähe, denn hinter der eleganten Erscheinung der Bennet-Töchter
steckt jede Menge Mühsal und Arbeitsaufwand. „Wenn Elizabeth
Bennet ihre Petticoats selbst waschen müsste, würde sie bestimmt
sorgfältiger mit ihnen umgehen“, denkt sich das Hausmädchen
Sarah, während sie die Wäsche schrubbt, Flecken entfernt und Schuhe
säubert. Sarah träumt von einem anderen Leben, über das sie selbst
bestimmen möchte. Sie spürt, dass es für sie nicht alles sein
kann, den Bennets die Wäsche zu waschen und das Haus zu putzen. Als
Mr. Bennet einen neuen Hausdiener einstellt, stürzt dessen
Erscheinen Sarah in ein Gefühlschaos, denn obwohl sie ihn einerseits
nicht beachtet, wünscht sie sich nichts mehr als die Aufmerksamkeit
des schweigsamen, ernsten jungen Mannes. James geht es mit ihr
ebenso, aber seine dramatische Vergangenheit hält ihn davon ab, sich
Sarah zu nähern, denn er möchte sie nicht in seine düstere,
geheimnisvolle Geschichte hineinziehen.
Zudem gibt es noch ein Geheimnis, das
Mrs. Hill, die Köchin, hütet...
Die Autorin gibt den Bediensteten der
Bennets eine ganz eigene Geschichte. Diesmal spielen sie die
Hauptrolle, während die hohen Herrschaften mehr oder weniger als
Statisten auftreten. Neben ausgiebigen Schilderungen der mühsamen
Arbeiten, für die Sarah und ihre Kollegen verantwortlich sind,
erzählt die Autorin auch die Geschichte einer zarten Liebe, die sich
heimlich anbahnt und das Leben der Beteiligten grundlegend verändert.
Ich habe diesen Roman sehr genossen,
und ich habe „Stolz und Vorurteil“ hervorgeholt und immer wieder
parallel zur aktuellen Geschichte darin geschmökert, denn es ist
immerhin schon sieben Jahre her, dass ich Jane Austens Werk gelesen
habe, und über so eine lange Zeit vergisst man doch viele
Einzelheiten. Aber schon während des Lesens von Jo Bakers Roman habe
ich viele Begebenheiten wiedererkannt. Gerade das Nebeneinanderlesen
der zwei Bücher hat mir sehr gefallen, und ich kann es jedem
empfehlen, der beide Romane zuhause im Regal hat. Aber auch, wenn man
„Stolz und Vorurteil“ noch nicht kennt, findet man sich mühelos
in Jo Bakers Geschichte zurecht, denn sie steht sehr gut für sich
allein, nur eben das Wiedererkennen fehlt. Aber ich könnte mir gut
vorstellen, dass diejenigen, die ihn noch nicht kennen, anschließend
das Bedürfnis haben, den Klassiker ebenfalls zu lesen.
„Im Hause Longbourn“ ist ein
außergewöhnlicher, großartig geschriebener, gefühlvoller Roman,
mit facettenreichen Charakteren und sehr viel authentischer
Information zu den schweren Lebensbedingungen der damaligen Zeit,
wenn man nicht zur gehobenen Klasse gehörte. Ich kann ihn wärmstens
empfehlen, nicht nur eingefleischten Austen-Fans, sondern allen, die
sich gerne mit der Vergangenheit beschäftigen und historische Romane
lieben.
Jane Austen gehört zu meinen Lieblingsautoren und ich habe/hatte auch etwas Angst davor, dass ich das Buch nicht leiden würde können, weil ich es ständig mit der Originalgeschichte vergleichen würde. Aber deine Rezension nimmt mir da grad die Angst vor. Danke! Habe letzten im Buchladen auch schon reingelesen und meiner Schwester nen Wink mit dem Zaunpfahl gegeben, dass ich das Buch unbedingt haben muss. Vielleicht habe ich Glück und finde es unterm Weihnachtsbaum. Momentan habe ich nämlich Kaufverbot wegen Weihnachten.
AntwortenLöschenHallo Isbel,
Löschenda drücke ich dir ganz fest die Daumen, damit du das Buch unterm Weihnachtsbaum findest.
Liebe Grüße
Susanne