Freitag, 9. März 2018

Wie der Wind und das Meer - Lilli Beck




Kurzbeschreibung vom Blanvalet-Verlag:
München, April 1945. Nach einem verheerenden Fliegerangriff irrt der elfjährige Paul mit einem Koffer durch die Trümmerlandschaft. Auf der Suche nach einem Versteck trifft er auf ein kleines Mädchen. Sie heißt Sarah, hat wie er ihre Familie verloren – und sieht Pauls Schwester verblüffend ähnlich. Um in der verwüsteten Stadt nicht allein zu sein und von den Behörden nicht getrennt zu werden, schließen Paul und Sarah einen Pakt: Von nun an werden sie sich als Geschwister ausgeben. Ihr Plan geht auf. Doch wie hätten sie ahnen können, dass Jahre später ihre Notlüge ihr Verhängnis werden würde – und dass sie sich würden verstecken müssen, um sich lieben zu dürfen …


Mein Eindruck:
In den letzten Kriegstagen 1945 verliert der elfjährige Paul bei einem schweren Fliegerangriff seine ganze Familie. Während er durch die Trümmer der zerbombten Straßen Münchens irrt, trifft er auf ein kleines Mädchen. Sarah ist Jüdin und ebenfalls allein, denn auch ihre Eltern sind während des Bombenangriffs ums Leben gekommen. Die beiden Kinder schließen sich zusammen, und als die Gefahr besteht, getrennt zu werden, greifen sie zu einer Notlüge. Da Sarah Pauls verstorbener Schwester Rosalie sehr ähnlich sieht, geben sich die beiden als Geschwister aus. Auf diese Weise werden sie gemeinsam von einem lieben Ehepaar adoptiert. Lange sind sie glücklich, aber Jahre später erkennen sie, dass sich ihre gegenseitige Liebe verändert hat und anders ist, als es zwischen Geschwistern sein sollte. Sie müssen ihre Liebesbeziehung geheim halten, da alle Welt sie für Bruder und Schwester ansieht und sie sonst fortwährend in der Furcht vor eine Anklage wegen Inzucht leben müssten.

Der Roman ist in fünf große Abschnitte eingeteilt und umfasst insgesamt die Zeitspanne von 1945 bis 1989. Der Schreibstil ist angenehm und leicht zu lesen, und die Schilderungen der Ereignisse haben mich vor allem am Anfang völlig gefangen genommen. Man erfährt im ersten Teil, wie sich Sarah und Paul treffen und wie es ihnen zum Ende des Kriegs und in den Nachkriegsjahren ergeht. Im zweiten großen Abschnitt passiert so einiges, was das Leben der „Geschwister“ gehörig durcheinander bringt. Nachdem sie sich gegenseitig ihre Liebe gestanden haben, suchen sie fieberhaft nach einer Lösung, um ihre Liebe leben zu können und dabei die Adoptiveltern nicht zu verletzen. In den folgenden beiden großen Abschnitten begleitet man die Protagonisten auf ihrem weiteren Lebensweg, der für beide recht steinig ist. Im fünften Abschnitt schließlich löst sich alles auf, werden die Fäden verbunden.
Besonders gut hat mir an diesem Buch gefallen, dass die Autorin mit sehr viel Zeitkolorit schreibt und die Denk- und Handlungsweise der Menschen zeigt, wie sie sich im Lauf der Jahrzehnte veränderte. Es kommen einschneidende Ereignisse der deutschen Geschichte zur Sprache, und der Roman fängt den Zeitgeist meist sehr gut ein. Nur so gegen Ende der Siebziger und zu Beginn der Achtziger Jahre hatte ich den Eindruck, die Protagonisten hinken doch etwas hinter der Realität her, denn was sie da so über das Zusammenleben ohne Trauschein oder über allein erziehende Mütter äußern, kann ich, obwohl ich selbst damals als Jugendliche in einer konservativen Kleinstadt lebte, nicht bestätigen. Das mag in den Sechzigern so gewesen sein, aber die Geschichte spielt in München und zum Teil in Berlin, also in Großstädten, und da war das Leben auch damals schon viel freier.
Die Protagonisten haben ihre ganz eigene Art, mit Problemen umzugehen, die ich nicht immer nachvollziehen konnte, besonders bei Sarah/Rosalie ging es mir so. Manche Dinge, zu denen sie einfach schwieg oder auch nicht die Wahrheit sagte, hätten vielleicht mit ein paar klaren, ehrlichen Worten ganz anders ausgehen können. Aber sie hat letztendlich so gehandelt, wie sie es für richtig hielt, und sie sah keine andere Lösung für ihre Sorgen.
So sehr mich das Schicksal von Sarah und Paul berührt hat und so interessiert ich ihr Leben verfolgte, so hatte ich doch mit der einen oder anderen Leseflaute zu kämpfen, weil es im Buch so einige Längen gibt, die es meines Erachtens nicht gebraucht hätte. Manche Szenen hätten nicht ganz so gründlich erzählt werden müssen.
Dafür ging es am Schluss dann wieder fast zu schnell. Das Ende ist kompakt erzählt, und auch wenn es sehr traurig ist, empfand ich es als gut und passend.
Trotz der erwähnten Längen ist dies ein wirklich guter und vor allem sehr berührender Roman, bei dem ich im letzten Abschnitt ein paar Tränen nicht unterdrücken konnte, so nahe ist mir die Geschichte gegangen. Im Nachhinein muss ich ständig darüber nachdenken, was im Leben von Paul und Sarah hätte anders laufen können, wenn sie sich für die Wahrheit entschieden hätten.

⭐⭐⭐⭐

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2 Kommentare:

  1. Liebe Susanne,
    eine tolle Rezension, der ich nichts hinzuzufügen habe. das Buch lässt einem auf jeden Fall sehr nachdenklich zurück und man denkt noch einige Zeit über diese Geschichte nach.
    Liebe Grüße
    Martina

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  2. Hallo Susanne,
    dieses Buch habe ich auf dem SuB und hatte mir ganz fest vorgenommen, es im ersten Halbjahr zu lesen. Freue mich, dass es dir gefallen hat. Habe vor Kurzem eine weitere sehr positive Meinung zum Buch gelesen und mag es eigentlich jetzt sofort in meine Leseplanung schieben. :-)
    GlG, monerl

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