Kurzbeschreibung
vom Blanvalet-Verlag:
München,
April 1945. Nach einem verheerenden Fliegerangriff irrt der
elfjährige Paul mit einem Koffer durch die Trümmerlandschaft. Auf
der Suche nach einem Versteck trifft er auf ein kleines Mädchen. Sie
heißt Sarah, hat wie er ihre Familie verloren – und sieht Pauls
Schwester verblüffend ähnlich. Um in der verwüsteten Stadt nicht
allein zu sein und von den Behörden nicht getrennt zu werden,
schließen Paul und Sarah einen Pakt: Von nun an werden sie sich als
Geschwister ausgeben. Ihr Plan geht auf. Doch wie hätten sie ahnen
können, dass Jahre später ihre Notlüge ihr Verhängnis werden
würde – und dass sie sich würden verstecken müssen, um sich
lieben zu dürfen …
Mein
Eindruck:
In den letzten
Kriegstagen 1945 verliert der elfjährige Paul bei einem schweren
Fliegerangriff seine ganze Familie. Während er durch die Trümmer
der zerbombten Straßen Münchens irrt, trifft er auf ein kleines
Mädchen. Sarah ist Jüdin und ebenfalls allein, denn auch ihre
Eltern sind während des Bombenangriffs ums Leben gekommen. Die
beiden Kinder schließen sich zusammen, und als die Gefahr besteht,
getrennt zu werden, greifen sie zu einer Notlüge. Da Sarah Pauls
verstorbener Schwester Rosalie sehr ähnlich sieht, geben sich die
beiden als Geschwister aus. Auf diese Weise werden sie gemeinsam von
einem lieben Ehepaar adoptiert. Lange sind sie glücklich, aber Jahre
später erkennen sie, dass sich ihre gegenseitige Liebe verändert
hat und anders ist, als es zwischen Geschwistern sein sollte. Sie
müssen ihre Liebesbeziehung geheim halten, da alle Welt sie für
Bruder und Schwester ansieht und sie sonst fortwährend in der Furcht
vor eine Anklage wegen Inzucht leben müssten.
Der Roman ist in
fünf große Abschnitte eingeteilt und umfasst insgesamt die
Zeitspanne von 1945 bis 1989. Der Schreibstil ist angenehm und leicht
zu lesen, und die Schilderungen der Ereignisse haben mich vor allem
am Anfang völlig gefangen genommen. Man erfährt im ersten Teil, wie
sich Sarah und Paul treffen und wie es ihnen zum Ende des Kriegs und
in den Nachkriegsjahren ergeht. Im zweiten großen Abschnitt passiert
so einiges, was das Leben der „Geschwister“ gehörig
durcheinander bringt. Nachdem sie sich gegenseitig ihre Liebe
gestanden haben, suchen sie fieberhaft nach einer Lösung, um ihre
Liebe leben zu können und dabei die Adoptiveltern nicht zu
verletzen. In den folgenden beiden großen Abschnitten begleitet man
die Protagonisten auf ihrem weiteren Lebensweg, der für beide recht
steinig ist. Im fünften Abschnitt schließlich löst sich alles auf,
werden die Fäden verbunden.
Besonders gut
hat mir an diesem Buch gefallen, dass die Autorin mit sehr viel
Zeitkolorit schreibt und die Denk- und Handlungsweise der Menschen
zeigt, wie sie sich im Lauf der Jahrzehnte veränderte. Es kommen
einschneidende Ereignisse der deutschen Geschichte zur Sprache, und
der Roman fängt den Zeitgeist meist sehr gut ein. Nur so gegen Ende
der Siebziger und zu Beginn der Achtziger Jahre hatte ich den
Eindruck, die Protagonisten hinken doch etwas hinter der Realität
her, denn was sie da so über das Zusammenleben ohne Trauschein oder
über allein erziehende Mütter äußern, kann ich, obwohl ich selbst
damals als Jugendliche in einer konservativen Kleinstadt lebte, nicht
bestätigen. Das mag in den Sechzigern so gewesen sein, aber die
Geschichte spielt in München und zum Teil in Berlin, also in
Großstädten, und da war das Leben auch damals schon viel freier.
Die
Protagonisten haben ihre ganz eigene Art, mit Problemen umzugehen,
die ich nicht immer nachvollziehen konnte, besonders bei
Sarah/Rosalie ging es mir so. Manche Dinge, zu denen sie einfach
schwieg oder auch nicht die Wahrheit sagte, hätten vielleicht mit
ein paar klaren, ehrlichen Worten ganz anders ausgehen können. Aber
sie hat letztendlich so gehandelt, wie sie es für richtig hielt, und
sie sah keine andere Lösung für ihre Sorgen.
So sehr mich das
Schicksal von Sarah und Paul berührt hat und so interessiert ich ihr
Leben verfolgte, so hatte ich doch mit der einen oder anderen
Leseflaute zu kämpfen, weil es im Buch so einige Längen gibt, die
es meines Erachtens nicht gebraucht hätte. Manche Szenen hätten
nicht ganz so gründlich erzählt werden müssen.
Dafür ging es
am Schluss dann wieder fast zu schnell. Das Ende ist kompakt erzählt,
und auch wenn es sehr traurig ist, empfand ich es als gut und
passend.
Trotz der
erwähnten Längen ist dies ein wirklich guter und vor allem sehr
berührender Roman, bei dem ich im letzten Abschnitt ein paar Tränen
nicht unterdrücken konnte, so nahe ist mir die Geschichte gegangen.
Im Nachhinein muss ich ständig darüber nachdenken, was im Leben von
Paul und Sarah hätte anders laufen können, wenn sie sich für die
Wahrheit entschieden hätten.
⭐⭐⭐⭐
Werbung, da Affilate-Link
Liebe Susanne,
AntwortenLöscheneine tolle Rezension, der ich nichts hinzuzufügen habe. das Buch lässt einem auf jeden Fall sehr nachdenklich zurück und man denkt noch einige Zeit über diese Geschichte nach.
Liebe Grüße
Martina
Hallo Susanne,
AntwortenLöschendieses Buch habe ich auf dem SuB und hatte mir ganz fest vorgenommen, es im ersten Halbjahr zu lesen. Freue mich, dass es dir gefallen hat. Habe vor Kurzem eine weitere sehr positive Meinung zum Buch gelesen und mag es eigentlich jetzt sofort in meine Leseplanung schieben. :-)
GlG, monerl