Dienstag, 26. April 2011

Das Evangelium nach Pilatus / Eric-Emanuel Schmitt


Dieses Hörbuch habe ich ganz bewusst für die Passionszeit und die Ostertage gewählt, da mich das Thema alljährlich in dieser Zeit besonders bewegt. Burghart Klaußner liest diese Erzählung sehr ernst und eindrucksvoll.

Sie teilt sich in zwei große Abschnitte auf.

Im ersten Teil hält der Ich-Erzähler Jeshua (Jesus) Rückblick auf sein Leben. Es ist die Nacht auf dem Ölberg, vor der Kreuzigung, und er erinnert sich an seine Kindheit und wie alles begann. Die Gedanken des zum Tode Verurteilten sind sehr persönlich und berührend. Sie zeigen Jeshuas menschliche Seite und die innere Zerrissenheit, die Zweifel, ob er alles richtig gemacht hat und auch seine Ängste.
Interessant ist die Theorie, dass es Jeshua lange nicht bewusst war, Gottes Sohn zu sein, sondern dass er sich selbst am Anfang als ganz normalen Menschen gesehen hat. Die Erkenntnis der Göttlichkeit stellte sich erst nach und nach ein und bestätigte sich durch mehrere einschneidende Erlebnisse. Was wir über die damaligen Ereignisse wissen, kennen wir größtenteils aus dem Neuen Testament. Hier erscheint nun vieles plötzlich in einem ganz neuen Licht, wie beispielsweise Judas’ Verrat und die Rolle des Pilatus.

Der zweite Teil besteht ausschließlich aus mehreren Schreiben des Statthalters Pilatus an seinen Bruder Titus nach Rom. Pilatus, allgemein bekannt als der Mann, der Jesus verurteilte und seine Hände in Unschuld wusch, schüttet dem geliebten Bruder in diesen Briefen sein Herz aus. Er berichtet von seinen Problemen und Gedanken im Zusammenhang mit der verschwundenen Leiche des gekreuzigten Jeshua. Er muss Nachforschungen anstellen, und die ganze Sache bekommt mehr und mehr den Anstrich eines Kriminalfalls. Pilatus hört von Jeshuas Auferstehung und wird mit verschiedenen Augenzeugen konfrontiert, versucht aber, die Angelegenheit rational und mit Vernunft anzugehen. Seine verzweifelten Bemühungen, diesen Fall ordentlich zu lösen, haben fast etwas Rührendes. Bei aller Skepsis gibt es da auch noch seine Ehefrau Claudia, die selbst zur Christin wird und deren Meinung er sehr schätzt.

Ohne die eigentliche Botschaft zu zerstören, vermittelt diese Version der Geschehnisse ganz andere Erkenntnisse. Vieles wird völlig neu betrachtet und hinterfragt. Altbekanntes, was man gewohnheitsmäßig als gegeben hinnimmt, erscheint plötzlich in einem anderen Licht, zum Teil auch logischer, da hier die jeweiligen Beweggründe angesprochen werden, was in den bekannten Evangelien für mein Empfinden manchmal zu kurz kommt. Mit Abstand zum vertrauten Wortlaut der Bibelgeschichten kann man neues Verständnis entwickeln. Ob gläubiger Christ, Skeptiker oder Agnostiker, fast jeder hat sich schon mit diesem Thema beschäftigt und sich seine eigenen Gedanken dazu gemacht. Wie es damals wirklich war, können wir nur erahnen. Die überlieferten Schriften haben nicht für alles eine Antwort parat, und heute sind wir teilweise auf Vermutungen und Theorien angewiesen. Glauben muss Fragen zulassen, und mit einer gewissen Offenheit findet man in Schmitts Fiktion auf jeden Fall neue, oft schlüssige Denkanstöße.

Freitag, 22. April 2011

Die Rose von Salerno - Dagmar Trodler


Ima von Lindisfarne ist mit einer Pilgergruppe unterwegs nach Santiago, um am Grab des Heiligen Jakob für ihren ertrunkenen Verlobten zu beten. Als dessen Bruder Aidan die Gruppe in Frankreich verlässt und sich dem verwegenen Ritter Gérard anschließt, folgt ihnen Ima nach Salerno, denn sie hat ein Versprechen gegeben, Aidan wieder gesund nach Hause zurück zu bringen. Zu ihrer eigenen Sicherheit schließt sie sich einer Gruppe von Gauklern an. In Italien tritt Gérard in die Dienste des Herzogs Robert Guiscard, um mit einem großen Heer gegen Rom zu ziehen und den Papst zu befreien. (Im Klappentext und verschiedenen Beschreibungen zum Roman ist von Papst Gregor XII die Rede. Dies scheint ein sich selbst vermehrender Druckfehler zu sein, denn eigentlich handelt es sich um Gregor VII, wie aus verschiedenen historischen Quellen ersichtlich ist und auch richtig in der Handlung erwähnt wird).

Mehrfach kreuzen sich die Wege von Ima und Gérard mit seinem Knappen Aidan, und die Begegnungen stehen nicht immer unter einem guten Stern. Trotz der ungehobelten Art des Ritters fühlt sich Ima stark zu ihm hingezogen. Beide müssen Schicksalsschläge hinnehmen und tragische Erlebnisse überstehen, aber ein gemeinsames Glück ist ihnen nicht vergönnt, denn zu groß sind die Standesunterschiede.

Es ist für mich gar nicht so einfach, in Worte zu fassen, was mir an den Romanen von Dagmar Trodler so besonders gefällt. Sie sind sehr verschieden, und doch ist jeder auf seine eigene Weise ganz besonders reizvoll.

Die gefühlvollen Verse von Hafis am Beginn eines jeden Kapitels sind eine wunderbare Einstimmung.

Die Autorin schildert ihre Charaktere so detailliert, dass man das Gefühl hat, sie leibhaftig vor sich zu sehen. Ihre poetischen, bildhaften Vergleiche wirken sehr lebensnah und haben doch auch etwas Mystisches. Besonders Ima mit ihren sechs Fingern an jeder Hand ist eine ganz außergewöhnliche Frau. Sie hat heilende Fähigkeiten, und ich habe den Eindruck, dass sie immer ein wenig von einer geheimnisvollen Aura umgeben ist. Gérard wird sehr ursprünglich dargestellt. Er ist ein richtiger Haudegen, aber in Imas Gegenwart wirkt er verletzlich und feinfühlig. Die beiden würden perfekt zusammenpassen, wären da nicht die großen Unterschiede in der Abstammung, die zwischen ihnen stehen.
In der historischen Kulisse Italiens haben die Protagonisten ihren Platz gefunden. Sie treffen Personen, die im elften Jahrhundert real existiert haben, sie leben, lieben und leiden, und alles ist so treffend beschrieben, als wäre es wirklich geschehen.

Eine Anmerkung möchte ich noch machen. Leider verraten diverse Kurzbeschreibungen, Kritiken und auch der Klappentext schon sehr viel von der Handlung und sind nicht als Spoiler gekennzeichnet. Das finde ich schade, denn es mindert das Lesevergnügen ungemein. Mein Rat ist daher, lieber gleich das Buch zu lesen und erst anschließend auf die Suche nach weiterführenden Informationen zu gehen.


Samstag, 16. April 2011

Sommerroulette - Liz Ambros



Klappentext:
Hitzesommer 2003.Konzernchef Lothar Schumacher, Big Lo nennen ihn Angestellte und Kontrahenten ehrfürchtig, hat sein Ziel erreicht und feiert in Allgäumühle sein fünfundzwanzigjähriges Firmenjubiläum. Sein Unternehmen steht auf sicheren Beinen und trotzt seiner zweiten Leidenschaft. Bis jetzt! Die Götzen Macht, Geld und Gier haben ihn verändert. Lothar will mehr und riskiert viel. Zu viel?

Für Tina wird die Gala zur Nagelprobe. Sie hat seit Monaten nur einen Gedanken, sich zurückzuholen, was ihr und ihrem Mann Ralf gehört und den Verantwortlichen für ihr Familiendrama zur Rechenschaft zu ziehen. Wird es ihr gelingen?

Christa bereut keinen Tag ihres alten Lebens. Jetzt ist sie auf dem Sprung in ein neues. Zweifel peinigt sie. Verdient nicht jeder eine zweite Chance? Warum soll sie zur Wiederholungstäterin in der Kategorie Verzeihen und Vergessen werden?

Plötzlich entdeckt Tinas Freundin Anni auf dem Firmenfest die Person, die sie seit Monaten belästigt. Tina verlässt um Mitternacht die Party, entschlossen den Schleier der Täuschung zu zerreißen und die Wahrheit zu entblößen. Sie folgt Annis dubiosen Schattenmann und wird von einem folgenschweren Unwetter überrascht.

Es ist, wie es ist und nichts bleibt, wie es war.

Sommerroulette ist ein erregender Gegenwartsroman über Liebe, Freundschaft, Macht, Enttäuschung und Eifersucht. Konfliktgeladen und mit viel Gefühl bewegen sich die Charaktere in ihrem Kampf um persönliches Glück aufeinander zu. Sie haben einen Traum: Neuanfang auf La Gomera. Für wen wird er sich erfüllen?

Meine Meinung:
Der Leser begleitet mehrere Personen durch einen ereignisreichen und sehr turbulenten Sommer. Zum Teil gibt es von Anfang an Verbindungen zwischen den Protagonisten, andere Handlungsstränge laufen erst locker nebeneinander her, um sich nach und nach miteinander zu verknüpfen.
Es gibt immer wieder rasante Szenenwechsel. Fast jeder neue Abschnitt wendet sich einem anderen der Charaktere zu, so dass man immer wieder genau gucken muss, wo und bei wem man sich lesetechnisch gerade befindet.

Der Schreibstil ist außergewöhnlich. Die Autorin wartet mit einer Vielfalt an phantasievollen Wortschöpfungen auf. Bei manchen Sätzen ist sie dabei ein wenig über das Ziel hinausgeschossen, denn die ungewohnte Ausdrucksweise ist nicht gerade alltagstauglich und erschwert das flüssige Lesen. Nach der ersten Verblüffung musste ich jedoch über so manchen ungewöhnlichen Begriff schmunzeln.

Jeder der verschiedenen Charaktere hat ein ganzes Bündel an Problemen zu bewältigen. Trotz abwechslungsreicher Beschreibungen fand ich zu den einzelnen Personen keinen rechten Zugang, was sicher mit daran lag, dass man sich so häufig auf immer neue Situationen einstellen muss. Ein weiterer Grund dafür ist sicher die zum Teil fehlende Interpunktion, besonders bei den Dialogen. Man tut sich manchmal schwer, zu erkennen, wer denn nun gerade spricht.

Ich musste mich durchwegs sehr konzentrieren, um den vielen Handlungssprüngen folgen zu können, was sicher auch teilweise daran lag, dass eben die Ausdrucksweise nicht die meine war. Die Art, wie sich am Ende alle Handlungsfäden finden, war mir dann wiederum zu glatt.

Da „Sommerroulette“ über Books on Demand erschienen ist, war vermutlich kein Lektor verfügbar, der die Autorin mit Rat und Tat vor der Veröffentlichung unterstützt hätte. Auch bei der Korrektur vor dem Druck war sie wohl ziemlich auf sich allein gestellt.

Auf diese Weise einen Roman zu veröffentlichen, ist ein mutiger Schritt und ganz sicher nicht einfach. Dies alles muss man berücksichtigen, und ich habe Verständnis dafür, wenn unter den gegebenen Voraussetzungen dieses Debüt nicht perfekt ist.

Mein Dank für die Zusendung des Rezensionsexemplars geht an Liz Ambros.

Da ich nicht alle meine gelesenen Bücher behalten kann, möchte ich mein Lese-Exemplar weitergeben. Wer von meinen Blogbesucher(inne)n sich einen eigenen Eindruck von dem Roman verschaffen möchte, kann hier bis morgen Abend, 21 Uhr einen Kommentar hinterlassen. Bei mehreren Interessenten entscheidet das Los.

Nachtrag am 17. April, 21 Uhr:

Das Buch ist noch zu haben. Übers Wochenende hat wohl das schöne Wetter gelockt, daher verlängere ich das Angebot. Der erste Kommentar hier im Post erhält das Leseexemplar.


Freitag, 15. April 2011

Die Liebenden von San Marco - Charlotte Thomas

Anfang des 16. Jahrhunderts wütet die Pest in Venedig. Auch die schöne Cintia, Tochter eines wohlhabenden Seidenhändlers, erkrankt und wird nach dem Tod ihrer Eltern auf eine Seucheninsel für ansteckend Kranke gebracht. Niccolo, dem Bruder ihres eigentlichen Verlobten, hat sie es zu verdanken, dass sie die Pest überlebt. Nach überstandener Krankheit sucht Cintia zusammen mit ihrer Cousine Zuflucht im Haus ihrer Tante, die ein Bordell in Venedig betreibt. Cintias Verlobter ist aus Venedig geflohen, und um habgierige Verwandte daran zu hindern, die Vormundschaft über sie und ihr Vermögen zu erlangen, geht sie eine Zweckheirat mit dem Schiffsbauer Paolo und Stiefsohn ihrer Tante ein. Aus der anfänglichen Vernunftehe entwickelt sich bald echte Zuneigung zwischen Cintia und Paolo. Aber das junge Paar kommt nicht zur Ruhe, und bald ist Cintia wieder alleine auf sich gestellt und muss sich gegen Neid und Missgunst wehren.

Nachdem mir „Die Lagune des Löwen“ nicht ganz so gut gefallen hat wie der erste historische Roman der Autorin, hat mich dieses Hörbuch wieder völlig in seinen Bann gezogen. Venedigs Geschichte wird lebendig, mit all den Katastrophen und politischen Ereignissen des beginnenden 16. Jahrhunderts. Mittendrin schlagen sich sympathische und weniger nette Protagonisten durchs Leben. Die Charaktere sind vielschichtig. Es gibt nicht einfach Schwarz und Weiß, sondern ganz viele Nuancen dazwischen. Interessant finde ich, dass man sehr viel über die Beweggründe der verschiedenen Romanfiguren erfährt und so deren Handlungen meist gut nachvollziehen kann.

Anne Moll spricht dieses Hörbuch in gewohnt angenehmer Weise. Ihr gelingt es, Stimmungen einzufangen und zu vermitteln, Spannung aufzubauen, den Protagonisten ein Gesicht zu geben und ihren jeweiligen Charakter hervorzuheben.

Donnerstag, 14. April 2011

Was gerade so ansteht

Heute durfte ich mich über ein neues Rezensionsexemplar freuen. Vielen Dank dafür an den Blanvalet Verlag.
Es ist "Die Totenfrau des Herzogs" von Dagmar Trodler. Vor längerer Zeit habe ich ihre Trilogie um "Die Waldgräfin" gelesen und war völlig fasziniert, gerade von Frau Trodlers historischen Romanen. Beim ersten Betrachten des neuen Romans habe ich gemerkt, dass "Die Totenfrau" eine Fortsetzung zu "Die Rose von Salerno ist".
Glücklicherweise hatte ich dieses Buch bereits auf meinem SuB und habe mich sofort auf die Suche gemacht, denn wenn ich schon beide Bücher habe, möchte ich sie auch in der richtigen Reihenfolge lesen.
Also kommt erst dieses Buch hier an die Reihe:
Bereits gestern angekommen ist meine selbst kreierte Schokolade aus der Spenden-Aktion von Myswisschocolate für Japan, an der ich teilgenommen habe. Man hätte den Schoko-Gutschein in eine zusätzliche Spende umwandeln können, aber ich habe mich für den Schokoladengutschein entschieden, denn die Gelegenheit, eine feine Schokolade auszuprobieren, wollte ich mir nicht entgehen lassen. Ich habe dann zusätzlich eine extra Spende für Japan auf die Reise geschickt.
Sehr gut und bruchsicher verpackt kam dann meine persönliche Schoki-Tafel an. Eigentlich sieht die Schokolade ganz unspektakulär aus, denn ich habe mich für "innere Werte" entschieden *ggg*
Meine spezielle Schokolade enthält Gojibeeren und Maulbeeren und hat ein ganz zartes Lavendelaroma. Wenn ich mich nachher wieder in mein Buch vertiefe, lasse ich mir noch ein Stückchen schmecken.


Die Maschen der Frauen - Kate Jacobs


Rahmen für die Handlung ist Georgia Walkers Wollgeschäft. Die allein erziehende Mutter hat sich damit eine Existenz aufgebaut und ihre Lieblingsbeschäftigung zum Beruf gemacht. Neben dem Wollverkauf strickt sie auch Auftragsmodelle. Mit der Zeit entstehen Freundschaften im Laden, und mehrere Frauen treffen sich dort regelmäßig freitags zum Strickclub. Hier besprechen und begutachten sie ihre aktuellen Strickwerke und probieren Dakota Walkers neue Plätzchen und Kuchenkreationen, denn Georgias 12-jährige Tochter backt leidenschaftlich gerne und lässt sich für die Stricktreffen immer etwas Besonderes einfallen. Es sind ganz unterschiedliche Frauen, die sich bei Walker & Daughter zum Plaudern und Handarbeiten treffen, und nicht jede von ihnen beherrscht das Stricken.
Innerhalb kürzester Zeit ereignen sich zwei Dinge, die Georgias geregelten Alltag gewaltig durcheinander wirbeln. Dakotas Vater James, der seine Geliebte und die noch ungeborene Tochter vor 13 Jahren verlassen hat, steht plötzlich wieder vor der Türe, und ihre frühere Freundin, die inzwischen reiche und exzentrische Catherine kreuzt auf, um sich von Georgia ein Modellkleid stricken zu lassen. Beiden steht Georgia misstrauisch gegenüber, denn zu sehr wurde sie damals von ihnen enttäuscht.

Nicht nur passionierte Strickerinnen werden dieses Buch gerne lesen, denn das Thema Handarbeit bildet zwar eine ansprechende Atmosphäre, ist aber für die Geschichte nicht ausschlaggebend. Im Vordergrund stehen die Schicksale, die hier zueinander gefunden haben. Anfangs herrscht zwischen den sehr verschiedenen Frauen nicht immer eitel Sonnenschein, aber mit der Zeit lernen die Protagonisten, sich gegenseitig zu akzeptieren und Verständnis für die Probleme der anderen zu haben. Zu Beginn des Romans zog sich die Handlung etwas zäh dahin, wurde aber dann doch fesselnd und nahm an Tempo zu. Die Charaktere sind größtenteils sehr ausführlich beschrieben, und manche habe ich beim Lesen gleich ins Herz geschlossen. Andere wirkten auf mich etwas überspannt und blieben mir fremd.

Interessant an dem Buch finde ich, dass zwischen den Abschnitten immer wieder Erklärungen zum Fertigen eines Strickstücks eingefügt sind, die weniger dazu gedacht sind, nachgearbeitet zu werden, sondern einen direkten Vergleich mit der Handlung darstellen, denn auch in der Welt der Protagonisten gibt es einen roten Faden, müssen Maschen aufgenommen, Fehler behoben oder schwierige Stellen gemeistert werden, eben wie im richtigen Leben.
Ein wenig gestört hat mich zwischendurch die eigentlich typisch amerikanische Art der Problembewältigung, wo alles analysiert, therapiert und möglichst in der Öffentlichkeit bis ins Detail debattiert werden muss.

Das Ende ist ganz anders als vielleicht erwartet und lässt den Leser traurig und nachdenklich zurück. Inzwischen gibt es eine Fortsetzung mit dem Titel „Umgarnt“, wo man mit 5 Jahren Zeitabstand erfährt, wie es den einzelnen Romanfiguren weiter ergangen ist. Auch wenn mich dieses Buch nicht absolut begeistert hat, bin ich doch neugierig und werde wohl um den Folgeband nicht herum kommen. ;-)

Sonntag, 10. April 2011

Wilder als ein Traum - Teresa Medeiros



Als die junge Wissenschaftlerin Tabitha Lennox ein Amulett aus dem Nachlass ihrer Mutter untersucht, wird sie unversehens 766 Jahre in die Vergangenheit zurück versetzt. Im einen Moment noch in ihrem Penthouse, mit Blick auf das winterliche New York, findet sie sich im nächsten Augenblick auf einer blühenden Wiese wieder. Als sie sich gerade noch überlegt, was geschehen sein könnte, stolpert fast ein Schlachtross über sie, und der Reiter, Sir Colin of Ravenhurst, ist sehr erstaunt über das blonde Wesen mit der seltsamen Kleidung, denn Tabitha hat diese völlig überraschende Zeitreise im Flanell-Pyjama und mit gemütlichen Streifenhörnchen-Pantoffeln angetreten. Colin of Ravenhurst wird verfolgt, und Tabitha erkennt den Ernst der Lage erst, als sie mit dem verwundeten Ritter im Verlies von Roger Brisbane, Ravenhursts erbittertem Feind landet. Tabitha ist die Tochter einer Hexe und verfügt selbst über eine magische Gabe, aber sie hat kein Selbstvertrauen und auch nicht die rechte Kontrolle über ihre eigenen Fähigkeiten. Zudem ist es dort, wo sie nun gelandet ist, nicht gerade ungefährlich, als Hexe erkannt zu werden. Bei Sir Colin haben nicht gerade ihre Fähigkeiten großen Eindruck hinterlassen, sondern er findet eher persönlichen Gefallen an der jungen Frau, die so ganz anders ist als die Damen, die er bisher gekannt hat.

Mit viel Humor schildert Theresa Medeiros die aufregenden Abenteuer ihrer Protagonisten. Besonders Tabithas Fremdartigkeit im Schottland der damaligen Zeit führt häufiger zu Situationskomik. Größtenteils empfand ich den Roman als originell und witzig, und es hat mir großes Vergnügen gemacht, die gemeinsamen Erlebnisse von Colin und Tabitha zu verfolgen. Lediglich das Ende fand ich ziemlich übertrieben, und die Art, wie das Zeitreiseproblem gelöst wurde, war für mich ebenso wenig nachvollziehbar wie auch Brisbanes Entwicklung. Gerade nach dem viel versprechenden Anfang und Verlauf der Geschichte war ich vom Schluss dann doch etwas enttäuscht.

Dienstag, 5. April 2011

Die Spucke des Teufels - Ella Theiss




Klappentext:
Lisbeth, Wirtin des Gasthauses zum Ochsen, hat gerade ihren Mann beerdigt, da quartieren sich preußische Gardisten bei ihr ein. Der Lohn: ein Sack Kartoffeln, eine Frucht, deren Triebe giftig sind und die als ungenießbar gilt. Zudem ächtet der Pastor Kartoffeln als „Spucke des Teufels“, während dagegen Friedrich II., der König von Preußen, seinem Volk die nahrhafte Knolle schmackhaft machen will.
Lisbeth lernt, mit der Frucht umzugehen, doch mit anderem kann sie sich nicht abfinden: Major Kreutzer glaubt, die schöne Wirtin als sein Eigentum betrachten zu können, ein fünfjähriges Mädchen landet im Freudenhaus, seinem dreizehnjährigen Bruder droht als Deserteur die Hinrichtung und der fahrende Barbier Jost wird der Landesgrenzen verwiesen. Durch die Hilfe des Müllers Willem scheint sich alles zum Guten zu wenden, aber dann wird Lisbeth von ihrer Vergangenheit eingeholt…Mit Verve und sehr amüsant erzählt Ella Theiss von einer Frau des 18. Jahrhunderts, die über Leichen geht, um ein unabhängiges Leben führen zu können, und von den Bemühungen Friedrichs II., in Deutschland die Kartoffel heimisch zu machen.

Über die Autorin:
Ella Theiss ist das Pseudonym von Elke Achtner-Theiß. Sie hat Germanistik und Sozialwissenschaften studiert und arbeitet heute als freie Redakteurin und Fachjournalistin überwiegend zum Themenkreis Ernährung. Sie ist verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter und lebt in der Nähe von Darmstadt. Die Spucke des Teufels ist ihr erster Roman.

Meine Meinung: * * * * *

Es ist das Jahr 1775 im November. In Lissabon bebt die Erde und zerstört weite Teile der Stadt. Die Katastrophe hat weit reichende Ausläufer. Auch in Hassum am Niederrhein sind Erdstöße spürbar.
In dieser Zeit wird die junge und schöne Lisbeth zur Witwe. Ihr brutaler Mann, der Ochsenwirt, stirbt an der Ruhr und hinterlässt ihr ein gut gehendes Gasthaus. Die junge Frau beschließt, dieses alleine weiterzuführen. Ganz auf sich gestellt, muss sie sich im täglichen Leben mit allen möglichen Widrigkeiten "herumschlagen", was teilweise wörtlich genommen werden kann. Preußische Soldaten beziehen bei ihr Quartier, und ganz besonders der unsympathische Major Kreuzer setzt der jungen Frau arg zu.
Im Zwiespalt zwischen der christlichen Lehre und altem Aberglauben verlässt sich Lisbeth bei ihren Problemen am liebsten auf den Rat der Verstorbenen, die ihr als hilfreiche Geister erscheinen, so zum Beispiel ihre alte Mutter, die heilige Irmgard von Aspel oder ein Indianer, der sie sogar in der richtigen Zubereitung der „Tartoffeln“ unterweist, wie die Erdknolle damals genannt wird.
Mit den Kartoffeln hat der Preußenkönig Friedrich II. seine liebe Not, will er sie doch im Niederrheingebiet heimisch machen. Allerdings beobachtet sowohl die Kirche als auch die Bevölkerung das neue Gemüse mit großem Misstrauen und sind gar nicht erbaut vom königlichen „Kartoffelbefehl“, bezeichnet doch der Pfarrer die unscheinbare Knolle sogar als „Spucke des Teufels“.
Zum direkten Handlungsverlauf möchte ich mich nicht weiter äußern, um der Geschichte nichts von ihrer Spannung zu nehmen. Es sei nur so viel gesagt, hier lohnt es sich, zwischen den Zeilen zu lesen, denn dort offenbart sich dem Leser so manche Überraschung.
Mir persönlich hat das Buch sehr gut gefallen. Schon die Einbandgestaltung mit der Kartoffelpflanze finde ich sehr ansprechend. Es liest sich sehr kurzweilig, in einem Stück weg. Die Autorin schildert die Handlung aus wechselnden Blickwinkeln der Protagonisten. Interessant fand ich, dass zwischendurch mehrere Auszüge aus einem Tagebuch auftauchen, welche an unterschiedlichen Stellen und zu ganz verschiedenen Zeiten "entdeckt" wurden. Sie alle runden das Bild ab und stammen eindeutig aus der Feder des fahrenden Barbiers Jost. Der Umgangston, welcher zeitweilen recht derb ist, wirkt hier einfach stimmig und sehr authentisch. Die Leute reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Manche Szenen wirken grotesk und etwas makaber, aber alles passt zum Gesamtbild, das die Autorin, teilweise mit bissigem Humor, von der damaligen Zeit gezeichnet hat. Wie sie selbst im Nachwort ausführlich erklärt, kam es ihr nicht unbedingt auf die korrekte Wiedergabe historischer Ereignisse an, sondern sie hat ihre künstlerische Freiheit genutzt und einige Daten sowie Ereignisse zu ihrem Zweck verändert oder auch frei erfunden.
Aus ihrer eigenen Versuchsküche stammen auch die "alten" Rezepte, die zwischendurchauftauchen und die Speisen wiedergeben, welche Lisbeth ihren Gästen im Ochsen serviert. Sie machen den Roman zu einem ganz besonderen Schmankerl, deftig und delikat, wie ein gut gewürzter Kartoffeleintopf.

Mein herzlicher Dank für die Überlassung eines Rezensionsexemplars
geht an den Grafit-Verlag



Freitag, 1. April 2011

Rauhe Sonnseite: Eine Kindheit am Bergbauernhof - Franz Josef Kofler


Franz Josef Kogler ist, als ältester von 8 Söhnen, in einer Osttiroler Bergbauernfamilie aufgewachsen. Es ist eine ganz eigene Welt, die er in „Rauhe Sonnseite beschreibt.
Das Tagewerk war hart und die vorhanden Gerätschaften nicht sehr zahlreich, sondern häufig nur behelfsmäßig. Oft musste ein Werkzeug geliehen werden. Nachbarschaftshilfe war zur damaligen Zeit ganz selbstverständlich, und wenn es darum ging, das Feld zu bestellen oder die Ernte einzubringen, oft im Wettlauf gegen das Wetter, arbeiteten alle zusammen, so gut es eben möglich war. Auch die Kinder hatten bereits ihre Pflichten, denen sie manchmal mehr, manchmal weniger engagiert nachkamen.
Mit der gelassenen Distanziertheit des Erwachsenen blickt der Autor auf seine Kinderzeit zurück. Ein wenig wehmütig, manchmal fast schwärmerisch, doch durchaus auch mit kritischen Tönen schildert er Begebenheiten aus dem bäuerlichen Alltag. Verwöhnt wurden die Kinder ganz sicher nicht. Der Schulweg zog sich beschwerlich und lang und war besonders im Winter eine Herausforderung. Die Kleidung war unbequem und musste aufgetragen werden, bis es nicht mehr ging. Das Essen war einfach und versprach nicht gerade große kulinarische Erlebnisse. Wenn zu speziellen Gelegenheiten oder Feiertagen besondere Leckerbissen gebacken wurden, lauerten die Kinder schon darauf, eventuell das eine oder andere missglückte Teilchen zu erhaschen. So recht zufrieden waren sie wohl selten mit ihrem Anteil, wie der Erzähler mit einem Augenzwinkern versichert.
In vielen kleinen, wohl geordneten Kapiteln hat der Autor seine Kindheitserinnerungen liebevoll zusammengetragen.
Da geht es um die Menschen in seiner Umgebung, ein großer Abschnitt beschäftigt sich mit den anfallenden Arbeiten, die zu den unterschiedlichen Jahreszeiten im Haus und auf dem Feld getan werden mussten.
Die Naturverbundenheit, das innige Verhältnis zum Land, zu den Tieren und Pflanzen, ist sehr eindrucksvoll wiedergegeben. Hier ein Zitat, das mich besonders berührt hat: „Ich kostete die selbstverständliche Vertrautheit der Landschaft aus, die um mich war, seit ich wusste. Sie sank in meine junge Seele hinein und rührte sie an, ich wurde verwandelt von ihr und hätte nicht sagen können, auf welche Weise es geschah.“
Einen großen Raum nahm das religiöse Leben ein. Die Menschen erlebten den kirchlichen Jahreskreis mit seinen großen und kleinen Festen sehr intensiv.  Die Selbstverständlichkeit des Glaubens, tief verwurzelt und ganz natürlich in den Alltag integriert, ist so ganz anders, als wir es heutzutage kennen. Darüber hat der Autor Nachdenkliches und auch Humorvolles zu berichten. Seine Schilderungen bringen uns heute noch den Zauber der alten Zeit nahe.
Sehr gewünscht hätte ich mir eine Begriffserklärung im Anhang, denn es kommen immer wieder Ausdrücke im Text vor, unter denen ich mir nicht gleich etwas vorstellen konnte. Noch nie zuvor hatte ich beispielsweise etwas von „Niegelen“ oder „Einem Stock Strauben“ gehört. Dank Wikipedia bin ich jetzt klüger, denn es hat mich gleich gereizt, die Wörter nachzuschlagen. Bei beiden  Bezeichnungen handelt es sich um Fettgebackenes. Während Niegelen kleine frittierte Teigkugeln sind, sieht ein Stock Strauben fast ein wenig wie ein gebackenes Nest aus.
Dieses Buch war eine ganz besondere Lektüre, die mich fasziniert und beeindruckt hat, da sie von einem Zeitzeugen verfasst wurde. So könne wir uns auch heute, über hundert Jahre später, noch ein vielfältiges und deutliches Bild vom damaligen Leben machen.