Die Fortsetzung von „nach dem Sommer“ beginnt eher ruhig und harmonisch, Sam ist froh, dass er, auch bei Kälte, seine menschliche Gestalt beibehält und so immer mit seiner geliebten Grace zusammen sein kann. Den Wolf in sich hat er anscheinend wirklich überwunden. Manchmal, besonders an kühlen Tagen, kann er fast selbst nicht an sein Glück glauben. Grace besucht die Schule, und Sam arbeitet wieder im Buchladen. Die beiden schmieden Zukunftspläne voller Hoffnung und genießen jede gemeinsame Minute. Aber dann wird Grace krank. Ihre
Kopfschmerzen und das hohe Fieber deutet sie anfangs als harmlosen Infekt, aber sie ahnt, dass mehr dahinter steckt, denn sie hat das Gefühl, die Wölfe würden sie rufen, und tief in ihrem Innern spürt sie, dass sie sich verwandeln muss. Zu allem Unglück interessieren sich ihre Eltern plötzlich für das Leben der Tochter, nachdem sie sich jahrelang nicht um sie gekümmert haben, immer im Vertrauen auf ihre Zuverlässigkeit und ihr Verantwortungsbewusstsein.
Es fällt mir gar nicht leicht, meine Eindrücke in Worte zu fassen. Mehrere Anläufe habe ich immer wieder verworfen, weil alles viel zu banal klang und dem wunderbaren Roman nicht ansatzweise gerecht wurde. „Ruht das Licht“ besticht durch eine klare, sehr schöne Sprache und durch fast spürbare Atmosphäre. Wie eigentlich schon der Titel aussagt, ist der Roman insgesamt eher ruhig, nachdenklich und gefühlvoll. Die Hauptcharaktere gewinnen immer stärker an Tiefe, je öfter sie im Buch zu Wort kommen und je mehr man über sie erfährt. Wie auch schon im ersten Band, wird die Geschichte auch diesmal aus wechselnden Perspektiven, jeweils in der Ich-Form erzählt.
Sam steigt in die Fußstapfen seines Adoptivvaters, denn Beck wird sich nicht mehr zurück verwandeln, er wird ein Wolf bleiben. Die Verantwortung für die Wölfe liegt nun bei Sam, aber er kann sie nicht immer schützen. Olivia, die im vergangenen Winter verschwunden ist wird immer noch von der Polizei gesucht. Diese bringt Sam in Verbindung zu dem Fall und stellt ihm unbequeme Fragen.
Grace ist glücklich mit Sam. Sie möchte am liebsten jede freie Minute mit ihm zusammen verbringen. Aber sie spürt, dass etwas Unabwendbares mit ihr vorgeht. Sie fühlt sich krank und hat kaum Kraft, sich gegen die plötzliche Einmischung der Eltern aufzulehnen.
Isabell hat den Tod ihres Bruders noch nicht verwunden, und sie fühlt sich selbst mitschuldig daran. Nach außen gibt sie sich selbstsicher und arrogant, aber je mehr sie von sich erzählt, kommt man als Leser zu dem Schluss, dass sich hinter der kalten Fassade eine verletzliche junge Frau verbirgt, die unter der lieblosen Situation ihres Elternhauses leidet.
Und dann ist da noch Cole, ein neuer Werwolf, ursprünglich ein drogensüchtiger Musiker, der seiner menschlichen Vergangenheit und dem Erfolgsdruck nur allzu gerne entkommen würde und Zuflucht im Körper des Wolfs sucht. Nur ist dies nicht so einfach, wie er sich das gedacht hat. Viel zu lange und viel zu oft findet er sich in seiner menschlichen Gestalt wieder. Hin- und her gerissen zwischen zwei Existenzformen, zwischen Gewissen und Instinkt, mal Mensch, mal Tier, entdeckt er ganz neue Seiten seines eigenen Ichs. Was er bisher nie für möglich gehalten hat: er ist zu Gefühlen fähig.
In diesem neuen Roman von Maggie Stiefvater kommt die ganze Bandbreite an Emotionen zusammen. Alle Beteiligten sind eher ratlos, was die Zukunft betrifft, und jeder der Protagonisten hat seine eigene Art, die Sorgen und Probleme zu verarbeiten. Die Atmosphäre ist zum großen Teil sehr melancholisch und ein wenig hoffnungslos. Trotz aller Probleme gibt es jedoch die Liebe zwischen Grace und Sam, die immer wieder Licht in die eher düstere Gesamtstimmung bringt. Diese innige Zuneigung trägt die Geschichte, und am Ende ist man nicht ganz mutlos. Ob und wie sich unsere Hoffnungen für die Protagonisten erfüllen, werden wir erst in einem Jahr erfahren, wenn der dritte Band der Trilogie „In deinen Augen“ erscheint. Dies wird wieder eine wahrhaft harte Geduldsprobe!