Ein Manuskript aus dem Umfeld Lugwigs II.
Klappentext:
Ein preußischer
Deserteur gibt sich unterm Galgen als Frau zu erkennen und kommt noch
einmal davon. Der historisch verbürgte Fall fasziniert 160 Jahre
später den Bayernkönig Ludwig II. Sehr, ebenso wie seinen gut
aussehenden Arzt Franz Carl Müller. Während Ludwig die Entmachtung
droht, erforschen die beiden das ungeheuerliche Leben des Anastasius
Rosenstengel – mit wahrem Namen Catharina Linck, die für ihr
erfundenes Leben schließlich doch zum Tode verurteilt wird.
Mein Eindruck:
Dieser Roman ist
außergewöhnlich, schon was die äußere Gestaltung angeht. Das
pinkfarbene Cover mit einem Bild und Schriftzügen in kupfer-metallic
fällt sofort ins Auge. Auf den inneren Buchdeckeln findet man Karten
der Schauplätze, vorne zur Handlung im 19. Jahrhundert und hinten zu
den dokumentierten Ereignissen im 18. Jahrhundert. Es ist ein
Briefroman, bestehend aus den Korrespondenzen der involvierten
Personen, die im übrigen wirklich existierten. Der guten Übersicht
halber sind die Briefe zur Zeit des Anastasius Rosenstengel in braun
gedruckt, ebenso wie die dazu gehörende Landkarte. Die Korrespondenz
zur Zeit Ludwigs II. und auch hier die passende Karte sind in blau
gedruckt. Diese schöne Ordnung setzt sich auch im Anhang, bei der
Bibliographie und den Kurzbiographien fort. Eine Übersicht aller 252
Briefe ist hier ebenfalls vorhanden, und auch da kann man genau
sehen, welches Schreiben zu welchem Handlungsstrang gehört.
Es ist nicht
einfach zu lesen, denn die Briefe sind sprachlich den entsprechenden
Zeiten angepasst, in denen sie geschrieben wurden. Man benötigt
etwas Geduld, um sich in die verschiedenen Sprachstile der beiden
Zeitebenen hinein zu finden, und es ist anfangs etwas
gewöhnungsbedürftig, denn die Handlung erschließt sich dem Leser
ausschließlich durch die Briefe, die zwischen den Persönlichkeiten
hin und her gehen.
Den Rahmen des
Romans bilden die letzten zwanzig Monate im Leben Ludwigs II., bis zu
seinem mysteriösen Tod im Starnberger See. Ludwig ist einerseits
fasziniert von den Forschungen seines Arztes Franz Müller, der sich
mit dem Schicksal der Catharina Linck befasst, die unter dem Namen
Anastasius Rosenstengel ein Leben als Mann führte. Durch den
Briefwechsel wird einem auch bald klar, dass sich König Ludwig in
seinen Arzt verliebt hat. Seine Briefe sprechen klare Worte, und auch
Müller ist gefangen in dem Verhältnis zu seinem König und
Geliebten. Schnell wird deutlich, dass dem König die Entmachtung
droht, denn sein Streben nach Schönheit und Kunst, dem er immer
wieder im Bauen teurer Schlösser nachgibt, ist einigen Staatsmännern
ein Dorn im Auge.
Was an den
Briefen der Realität entspricht und was die Autorin erfunden hat,
ist nie so ganz zu durchschauen. Auf jeden Fall sind Wahrheit und
Fiktion hier sehr geschickt und raffiniert miteinander verschmolzen.
Einiges klärt die Autorin in den Kurzbiographien auf, anderes muss
man eben einfach so stehen lassen, denn auch wenn die Protagonisten
allesamt historische Persönlichkeiten waren, so ist die Handlung,
trotz vieler realer Details, im Gesamten doch erfunden.
Die
verschiedenen Briefwechsel geben tiefe Einblicke in die Sichtweise
der Menschen zur damaligen Zeit. Zwischen den Schicksalen der
Protagonisten auf beiden Zeitebenen gibt es gewisse Parallelen, so
waren beispielsweise sowohl Catharina Linck als auch Ludwig II.
homosexuell veranlagt, was in früheren Jahrhunderten als krankhaft
galt. Die Einstellung der damaligen Ärzte Dr. Gudden und Dr.
Westphal zu diesem Thema hat mir des öfteren eine Gänsehaut
beschert. Auch die Behandlungsmethoden, die zum Teil in den Briefen
thematisiert werden, lassen uns heute gruseln.
Wie gesagt, die
252 Briefe, die sich hier zu einem Ganzen fügen, lassen sich nicht
einfach schnell nebenher lesen. Man sollte sich wirklich Zeit nehmen,
um in die Handlung einzutauchen. Es lohnt sich auf jeden Fall. In den
384 Seiten dieses Buches steckt eine enorme Recherchearbeit und sehr
viel Fingerspitzengefühl, denn die Art und Weise, wie hier
schriftliche Fragmente zu einem harmonischen und verständlichen
Ganzen zusammengefügt wurden, ist ein wahres Meisterstück.
Dass Angela
Steideles Debütroman mit dem Bayerischen Buchpreis ausgezeichnet
wurde, kommt nicht von ungefähr!
⭐⭐⭐⭐1/2
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