Kurzbeschreibung des Gütersloher Verlagshauses:
Bildung in Deutschland: eine Katastrophe. Kinder und Gesellschaft nehmen Schaden! Michael Winterhoff redet Klartext, zeigt anhand vieler Beispiele aus seiner langjährigen Praxis als Kinder- und Jugendpsychiater, aber auch aus zahlreichen Rückmeldungen zu seinen Büchern und Vorträgen, was heute in Kitas und Schulen falsch läuft – so falsch, dass in seinen Augen die Zukunft unserer Gesellschaft gefährdet ist. Leidtragende sind für ihn die Kinder, die man quasi sich selbst überlässt. Winterhoff verharrt nicht bei der Bestandsaufnahme und Analyse, er zeigt konkrete Lösungen und Maßnahmen auf und fordert u.a. eine groß angelegte Bildungsoffensive: Weg von Kompetenzorientierung und den unfreiwillig zu Lernbegleitern degradierten Lehrern, hin zu echter Bildung und Pädagogen, die den Kindern wieder ein Gegenüber sein dürfen. Denn nur die Orientierung an Bezugspersonen ermöglicht die Entwicklung von emotionaler und sozialer Psyche.
Michael Winterhoff ist kein Pädagoge
sondern Kinder- und Jugendpsychiater. In seinem neuesten Buch knöpft
er sich das deutsche Bildungssystem vor, was ich aus dem Grund
interessant und wichtig finde, weil er tiefer schaut und quasi das
Kind und seine Seele hinter dem Lehrplan sieht.
Was
er über die Entwicklung der Schulbildung in Deutschland zu berichten
weiß, ist für mich als Laien erschreckend. Der
Autor schildert viele Fallbeispiele und lässt Lehrer und Erzieher zu
Wort kommen. Einiges, was ich hier gelesen habe, war mir bereits
bekannt, anderes habe ich ganz neu erfahren, und es hat mich ziemlich
erstaunt, denn viele Methoden, die laut der Schilderungen aktuell im
Unterricht angewendet werden, widersprechen dem gesunden
Menschenverstand. Der Autor bekommt oft vorgeworfen, seine Ansichten
wären veraltet. Das finde ich ganz und gar nicht, denn so manches,
was er über Verhaltensauffälligkeiten von Kinder aus seiner Praxis
berichtet, konnte ich in ähnlicher Form schon in meinem privaten
Umfeld ebenfalls feststellen. Begriffe wie „Autonomes Lernen“
lese ich mit zwiespältigen Gefühlen und bin da ganz bei der Meinung
des Autors, denn das kann meines Erachtens nur mit sehr guter
Anleitung durch die Pädagogen funktionieren und nicht, indem man die
Kinder wie kleine Erwachsene behandelt und sie quasi sich selbst
überlässt. So beschreibt Michael Winterhoff beispielsweise, dass
sich Kinder grundsätzlich nur Ziele stecken, die für sie eher
einfach erreichbar sind. Den Ehrgeiz, sich ein Ziel zu stecken, das
nur mit viel Mühe
erreichbar ist, haben wohl die wenigsten Kinder im Grundschulalter,
denn das ist eher eine erwachsene Denkweise.
Interessant
finde ich hier auch die Tabelle zur emotionalen und sozialen Psyche
des Kindes. Von der Geburt bis zum Teenageralter wird hier erklärt,
was in den jeweiligen Zeitabschnitten für die Kinder und ihre
Entwicklung relevant ist. Auch dazu kann ich mich der Meinung des
Autors nur anschließen, denn Versäumnisse in einer
Entwicklungsstufe können später nur schwer oder gar nicht aufgeholt
werden. Ich finde es bedenklich, dass viele Kinder heutzutage in
einem ständigen Zustand der Überforderung leben. Das geht schon bei
der Spielzeugauswahl los, wenn dem Kind grundsätzlich Sachen
angeboten werden, für die es eigentlich noch zu jung ist. Nicht
umsonst steigt die Zahl der Kinder, die bereits in sehr jungen Jahren
eine psychologische Behandlung und Betreuung benötigen. Nur kann der
Psychologe zwar die Symptome
lindern aber nichts am
grundlegenden Problem ändern, für das eigentlich zum
großen Teil unser
Bildungssystem zuständig ist, ein wahrer Teufelskreis.
Zu
erfahren, dass es Burnout bereits bei Kindern gibt und das gar nicht
so selten, hat mich ziemlich erschüttert. Klar kann man die Schuld
nicht ausschließlich den Schulen anlasten, denn in unserer modernen
Gesellschaft gibt es noch ganz andere Probleme und Phänomene, die
dafür mitverantwortlich sind, aber die Entwicklung, wie sie in
diesem Buch beschrieben wird, sollte uns wirklich zu denken geben.
Kinder brauchen eine verlässliche, solide Grundlage für ihre
Entwicklung und Bildung. Hier sollte nicht so viel herum
experimentiert werden, denn die Schäden für die Gesellschaft von
morgen sind absehbar und nur schwer zu beheben.
Michael
Winterhoff schreibt ausführlich und in klaren Worten, die man auch
als Laie gut verstehen kann. Auch wenn er vielleicht manches
verallgemeinert und einige
der geschilderten Szenarien
sich vermutlich an einer Schule in der Großstadt zugetragen haben,
so ist es doch befremdlich, von Situationen zu lesen, dass Kinder
während der Unterrichtszeit frei in den Gängen herumlaufen können
oder dass Schülern,
denen es im Klassenraum während
des Unterrichts zu laut ist,
empfohlen wird, einen Kopfhörer zu benutzen. Um seine Bedenken
nachvollziehen zu können, muss ich kein Lehramtsstudium absolviert
haben. Sein Buch ist lesenswert und liefert jede Menge an
Lösungsvorschlägen und Denkanstößen. Es ist mir klar, dass der
Unterricht im 21. Jahrhundert nicht mehr so aussehen kann und sollte
wie noch vor hundert Jahren, aber man sollte sich bei allem
Fortschritt nicht selbst überholen wollen, denn dieser Versuch geht
schnell nach hinten los.
⭐⭐⭐⭐
Schöne Rezi. Buch kommt im Januar als TB-Ausgabe, werde dann wohl mal reinsehen. Dass es auch einige Kritik gibt, fine ich nicht schlimm. Immerhin ist das ein Thema, an dem sich die geister scheiden. Dass aber eine große Schieflage entstanden ist, sollte niemandem entgangen sein.
AntwortenLöschenHey :)
AntwortenLöschenIch hab von ihm schon ein anderes Buch gelesen: Warum unsere Kinder Tyrannen werden .... und ja, er steht sehr in der Kritik mit seiner Meinung, aber er zeigt eben auch sehr deutlich mit dem Finger auf Probleme, die nunmal da sind.
Ob jetzt alles wirklich "richtig" ist was er sagt, bleibt mal dahingestellt, aber ich war auch in vielen Punkten sehr seiner Meinung und finde, er fasst das sehr gut zusammen.
Dein vorgestelltes Buch interessiert mich auch und ich werde es mir sicher in nächster Zeit holen!
Schöne Rezension :)
Liebste Grüße, Aleshanee