Dienstag, 27. August 2019

Solange sie tanzen - Barbara Leciejewski

Solange sie tanzen
Barbara Leciejewski
Tinte & Feder
ISBN 978-2919809066


Klappentext:
Ein bewegender Roman über das Vergessen, die Erinnerung und die große Liebe über den Tod hinaus von Erfolgsautorin Barbara Leciejewski.
Ada Friedberg ist eine alte Dame, die sich von nichts und niemandem unterkriegen lässt, nicht einmal vom plötzlichen Tod ihres über alles geliebten Mannes Hans. Sie vermisst ihn schmerzlich, aber sie muss sich schließlich um ihren Boxer Hemingway kümmern. Der Hund verleiht ihrem Alltag nicht nur Freude, sondern auch Struktur und Orientierung, was dringend nötig ist, denn Ada wird allmählich vergesslich und bringt immer mehr durcheinander.
Doch dann findet sie einen neuen Zeitvertreib, für den sie lediglich ein Fernglas und ihren gemütlichen Platz am Fenster ihres Wohnzimmers benötigt. Von dort aus beobachtet sie die Leute in ihrer Nachbarschaft. Als sie eines Tages beim abendlichen »Fernsehen« in einem alten Haus ein tanzendes Paar entdeckt, erinnert sie dieser Anblick an die erste Zeit ihrer großen Liebe zu Hans. Abend für Abend kehrt sie nun zu den beiden Tänzern zurück. Während die Vergangenheit erwacht, verschwimmt die Gegenwart mehr und mehr, doch das tanzende Paar gibt Ada Halt. Solange sie tanzen …



Mein Eindruck:
Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen. Er erzählt die Geschichte von Ada und Hans Friedberg.
In der Gegenwart gibt es nur noch Ada, denn Hans ist ein Jahr zuvor gestorben. Ihr Tagesablauf dreht sich mittlerweile fast ausschließlich um den Boxer Hemingway, der ihre ganze Liebe und Sorge beansprucht. Sie ist viel allein und blickt zurück auf ihr erfülltes, glückliches Leben. So erfährt man, wie sich Ada und Hans kennengelernt und verliebt haben. Aber das Glück war nicht ungetrübt, und für das junge Paar galt es, viele Hürden zu überwinden, denn Ada stand zwischen den Fronten. Ihr Vater, ein eingefleischter und unbelehrbarer Nationalsozialist, wollte Hans Friedberg nicht in seinem Haus und seiner Familie dulden, denn Hans war jüdischer Abstammung. Wehmütig erinnert sich Ada an die alten Zeiten und erlebt in Gedanken noch einmal viele Ereignisse von damals. Als sie eines Tages entdeckt, dass in dem alten Haus, von dem sie und Hans immer geträumt haben, Licht brennt und hinter dem erleuchteten Fenster ein Paar tanzt, ist sie fasziniert und beobachtet die Tänzer täglich aufs Neue durch ihr Fernglas.
Mit der Zeit merkt Ada zu ihrem großen Schrecken, dass sie immer vergesslicher wird. Mehr und mehr versinkt sie in ihrer eigenen Welt, da mischt sich Reales mit ihren Träumen, und die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart werden durchlässig und verschwimmen. Aber immer wenn Ada das tanzende Paar beobachten kann, ist sie glücklich und ihre kleine Welt in Ordnung.

Dieses Buch hat so viele Facetten!
In erster Linie beinhaltet es eine ganz besondere, sehr berührende Liebesgeschichte. Sehr realistisch wird Adas und Hans‘ Leben im Alltag beschrieben, denn auch Liebende schweben nicht immer auf rosa Wolken. Es gibt so vieles, was eine Beziehung verkraften muss, und wie Hans so treffend bemerkt, „Nach dem Happy End geht das Leben weiter“.
Ein weiteres großes Thema des Romans ist Adas Problem mit dem Vergessen. Die alte Dame gleitet immer weiter in die Demenz, und ihre Gedanken und Reaktionen in den Momenten, wenn ihr bewusst wird, dass sie wieder einmal etwas Gravierendes vergessen hat und sich an Stunden oder ganze Tage nicht erinnern kann, ebenso wie die Reaktionen ihrer Mitmenschen, sind sehr feinfühlig und achtsam beschrieben.
Dazwischen gibt es viele kurze aber bedeutsame Episoden, die zeigen, dass es oft die kleinen Katastrophen sind (in diesem Fall beispielsweise ein defekter Aufzug), die Menschen aus der Anonymität holen und näher zusammenführen.

Schon lange hat mich kein Roman derart intensiv berührt wie diese starke Geschichte mit wunderbaren Charakteren und bittersüßem Ende. Ich habe mit Ada gelacht und geweint, mich mit ihr gefreut und getrauert. Ich habe in meinem privaten Umfeld momentan häufiger Kontakt zu mehreren alten Menschen, die unterschiedlich stark von Demenz betroffen sind, und viele von Adas Reaktionen kamen mir nur allzu bekannt vor. Schon aus diesem Grund ist mir diese Geschichte ganz besonders nahe gegangen.
Es ist ein Roman der leisen Töne, der jedoch lange im Gedächtnis haften bleibt und nachhallt, der beeindruckt und sehr berührt.

⭐⭐⭐⭐⭐




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