Solange sie tanzen Barbara Leciejewski Tinte & Feder ISBN 978-2919809066 |
Klappentext:
Ein
bewegender Roman über das Vergessen, die Erinnerung und die große
Liebe über den Tod hinaus von Erfolgsautorin Barbara Leciejewski.
Ada
Friedberg ist eine alte Dame, die sich von nichts und niemandem
unterkriegen lässt, nicht einmal vom plötzlichen Tod ihres über
alles geliebten Mannes Hans. Sie vermisst ihn schmerzlich, aber sie
muss sich schließlich um ihren Boxer Hemingway kümmern. Der Hund
verleiht ihrem Alltag nicht nur Freude, sondern auch Struktur und
Orientierung, was dringend nötig ist, denn Ada wird allmählich
vergesslich und bringt immer mehr durcheinander.
Doch
dann findet sie einen neuen Zeitvertreib, für den sie lediglich ein
Fernglas und ihren gemütlichen Platz am Fenster ihres Wohnzimmers
benötigt. Von dort aus beobachtet sie die Leute in ihrer
Nachbarschaft. Als sie eines Tages beim abendlichen »Fernsehen« in
einem alten Haus ein tanzendes Paar entdeckt, erinnert sie dieser
Anblick an die erste Zeit ihrer großen Liebe zu Hans. Abend für
Abend kehrt sie nun zu den beiden Tänzern zurück. Während die
Vergangenheit erwacht, verschwimmt die Gegenwart mehr und mehr, doch
das tanzende Paar gibt Ada Halt. Solange sie tanzen …
Mein
Eindruck:
Der
Roman spielt auf zwei Zeitebenen. Er erzählt die Geschichte von Ada
und Hans Friedberg.
In
der Gegenwart gibt es nur noch Ada, denn Hans ist ein Jahr zuvor
gestorben. Ihr Tagesablauf dreht sich mittlerweile fast
ausschließlich um den Boxer Hemingway, der ihre ganze Liebe und
Sorge beansprucht. Sie ist viel allein und blickt zurück auf ihr
erfülltes, glückliches Leben. So erfährt man, wie sich Ada und
Hans kennengelernt und verliebt haben. Aber das Glück war nicht
ungetrübt, und für das junge Paar galt es, viele Hürden zu
überwinden, denn Ada stand zwischen den Fronten. Ihr Vater, ein
eingefleischter und unbelehrbarer Nationalsozialist, wollte Hans
Friedberg nicht in seinem Haus und seiner Familie dulden, denn Hans
war jüdischer Abstammung. Wehmütig erinnert sich Ada an die alten
Zeiten und erlebt in Gedanken noch einmal viele Ereignisse von
damals. Als sie eines Tages entdeckt, dass in dem alten Haus, von dem
sie und Hans immer geträumt haben, Licht brennt und hinter dem
erleuchteten Fenster ein Paar tanzt, ist sie fasziniert und
beobachtet die Tänzer täglich aufs Neue durch ihr Fernglas.
Mit
der Zeit merkt Ada zu ihrem großen Schrecken, dass sie immer
vergesslicher wird. Mehr und mehr versinkt sie in ihrer eigenen Welt,
da mischt sich Reales mit ihren Träumen, und die Grenzen zwischen
Vergangenheit und Gegenwart werden durchlässig und verschwimmen.
Aber immer wenn Ada das tanzende Paar beobachten kann, ist sie
glücklich und ihre kleine Welt in Ordnung.
Dieses
Buch hat so viele Facetten!
In
erster Linie beinhaltet es eine ganz besondere, sehr berührende
Liebesgeschichte. Sehr realistisch wird Adas und Hans‘ Leben im
Alltag beschrieben, denn auch Liebende schweben nicht immer auf rosa
Wolken. Es gibt so vieles, was eine Beziehung verkraften muss, und
wie Hans so treffend bemerkt, „Nach dem Happy End geht das Leben
weiter“.
Ein
weiteres großes Thema des Romans ist Adas Problem mit dem Vergessen.
Die alte Dame gleitet immer weiter in die Demenz, und ihre Gedanken
und Reaktionen in den Momenten, wenn ihr bewusst wird, dass sie
wieder einmal etwas Gravierendes vergessen hat und sich an Stunden
oder ganze Tage nicht erinnern kann, ebenso wie die Reaktionen ihrer
Mitmenschen, sind sehr feinfühlig und achtsam beschrieben.
Dazwischen
gibt es viele kurze aber bedeutsame Episoden, die zeigen, dass es oft
die kleinen Katastrophen sind (in diesem Fall beispielsweise ein
defekter Aufzug), die Menschen aus der Anonymität holen und näher
zusammenführen.
Schon
lange hat mich kein Roman derart intensiv berührt wie diese starke
Geschichte mit wunderbaren Charakteren und bittersüßem Ende. Ich
habe mit Ada gelacht und geweint, mich mit ihr gefreut und getrauert.
Ich habe in meinem privaten Umfeld momentan häufiger Kontakt zu
mehreren alten Menschen, die unterschiedlich stark von Demenz
betroffen sind, und viele von Adas Reaktionen kamen mir nur allzu
bekannt vor. Schon aus diesem Grund ist mir diese Geschichte ganz
besonders nahe gegangen.
Es
ist ein Roman der leisen Töne, der jedoch lange im Gedächtnis
haften bleibt und nachhallt, der beeindruckt und sehr berührt.
⭐⭐⭐⭐⭐
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