Donnerstag, 31. Dezember 2015

All die verdammt perfekten Tage - Jennifer Niven


Finch und Violet begegnen sich auf einem Glockenturm, ungefähr 6 Stockwerke über der Erde. Man hat den Eindruck, dass beide aus dem gleichen Grund dort oben stehen. Finch fragt sich, ob heute ein guter Tag zum Sterben sei, bis er Violet entdeckt, die dem Abgrund schon beängstigend nahe steht. Gemeinsam schaffen sie es, den Glockenturm wohlbehalten wieder zu verlassen. Durch dieses Ereignis kommen sie sich näher und werden ein Paar. Was ihnen in der kommenden Zeit alles widerfährt, davon handelt dieser Roman. Beide haben sehr unterschiedliche Beweggründe für ihre "Lebensmüdigkeit". Während Violet nicht über den Tod ihrer Schwester hinwegkommt und sich ständig schuldig fühlt, kämpft Finch gegen ganz andere Dämonen in seiner Seele. Hinter seiner aggressiven Art, die ihn schon in so manche Zwickmühle gebracht hat, verbirgt sich ein hoch sensibler junger Mensch, der sich selbst für nicht gut genug hält, als dass jemand ihm Zuneigung entgegenbringen könnte, der aber am liebsten alle Menschen, die ihm am Herzen liegen, glücklich sehen möchte. Seine Sicht der Dinge fand ich sehr anrührend und hat mich auch ins Grübeln gebracht, ob es denn irgend eine Möglichkeit geben könnte, ihn aus seinem schwarzen Loch zu befreien, in das ihn seine manisch-depressiven Zustände regelmäßig ziehen.

Die Protagonisten waren mir sehr sympathisch, aber ich muss gestehen, dass mir ihre Denkweise zum Teil fremd war bzw. dass ich mich nicht in sie hinein versetzen konnte, denn Suizid-Gedanken, wie sie beide haben, sind mir völlig fremd und kann ich so gar nicht nachvollziehen. So haben mich zwar beide Charaktere berührt, aber ich konnte ihre Beweggründe nicht verstehen. Vielleicht lag es daran, dass ich den Roman als Hörbuch gehört habe, und das ist ja eine gekürzte Fassung, aber gerade im Hinblick darauf, was Finchs Entwicklung und Gedankengänge betrifft, war vieles nur angedeutet. Vage kommt zum Vorschein, dass er sichtliche Probleme mit seinen Eltern hatte. Diese haben sich getrennt, und während der Vater inzwischen mit einer neuen Frau und kleinem Sohn zusammenlebt, macht die Mutter den Eindruck, als wäre sie nur mit sich selbst beschäftigt und würde sich hinter ihrer Arbeit verkriechen, um nicht in Selbstmitleid zu versinken. Sie weiß so gar nichts über ihre Kinder, von denen nicht nur Finch Probleme hat, sondern auch seine beiden Schwestern machen nicht gerade den Eindruck, fest mit beiden Beinen im Leben zu stehen.  Die ganze Familie erweckt einen recht hoffnungs- und planlosen Eindruck auf mich.
Violet dagegen wächst in behüteter Umgebung auf, und ihre Eltern machen sich Sorgen um sie, ist es doch noch gar nicht lange her, dass sie eine Tochter verloren haben. Hier ist das Problem die Sprachlosigkeit, dass sich jedes Familienmitglied in sein eigenes Schneckenhaus verkriecht und dabei nicht mit der Trauer um den verlorenen geliebten Menschen fertig wird.

Die Aussagekraft der Geschichte ist sehr komplex und vielschichtig, denn hier geht es um weit mehr als um zwei lebensmüde Jugendliche. Hier geht es unter anderem um Trauerarbeit und Lebensbewältigung und um noch so vieles mehr. Es ist eine bittersüße Liebesgeschichte, die jedoch für mich viele Fragen offen lässt.

Sprachlich hat mir der Roman sehr gut gefallen, und es gibt viele poetische Passagen, die zum Nachdenken anregen.
Folgendes ist mein Lieblingszitat:

"Es geht nicht um das, was man mitnimmt,
sondern um das, was man zurücklässt."

Gelesen wird das Hörbuch von Annina Braunmiller-Jest und Patrick Mölleken.

Annina Braunmiller-Jest ist mir bereits von anderen Hörbüchern (von Maggie Stiefvater und Stephenie Meyer) bekannt, und ich mag ihre angenehme, ruhige Stimme sehr gerne. Sie ist genau richtig für die Rolle der Violet. Patrick Mölleken war mir bisher weniger bekannt, aber er ist in zahlreichen Filmen und Fernsehserien zu sehen und zu hören. Auch er liest sehr angenehm, und seine Stimme passt gut zu Finch.





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