Kurzbeschreibung:
Eine
selbstbewusste, pragmatische Maria, ein demütiger Josef,
vorausschauende Hirten und eine ungewöhnliche Konstellation der drei
Könige machen Rudolf Borchardts Krippenspiel zu einem echten
literarischen Fundstück. Gemeinsam mit Hugo von Hoffmannsthal
verkehrte er vor hundert Jahren in einem Künstlerkreis, dessen
Zentrum das Schlosses Neubeuern im Inntal war. Das Stück schrieb er
binnen einer Nacht nieder. Diese Preziose ist endlich in einer
bibliophilen Neuausgabe wieder zugänglich, herausgegeben und
erläutert von der Literaturwissenschaftlerin Gunilla Eschenbach.
Mein
Eindruck:
Das
Krippenspiel selbst umfasst nur 41 Seiten. Es schließen sich weitere
zwanzig Seiten der Literaturwissenschaftlerin und Herausgeberin
Gunilla Eschenbach an, die verschiedene Zusammenhänge und
Hintergründe ausführlich erklärt.
Borchardt
schrieb das Krippenspiel in Paarreimform in einer einzigen Nacht,
genauer gesagt in der Nacht vom 18. auf den 19. Dezember 1920 auf
Schloss Neubeuern. Seine Gastgeberin, die Schlossherrin Ottonie von
Degenfeld hatte ihn nicht darum gebeten, sondern das Krippenspiel
regelrecht eingefordert, als Rudolf Borchardt mit seiner Frau Marel
auf dem Schloss zu Gast weilte.
Nicht
nur die Entstehungsgeschichte wird im Nachwort ausführlich erklärt,
sondern auch sprachlich-stilistische Fragen werden erörtert.
Borchardt
hat zahlreiche mittelhochdeutsche und frühneuhochdeutsche Begriffe
in das Stück eingearbeitet, ebenso hat er sich dialektsprachlicher
Wörter bedient, was nicht immer leicht verständlich ist; man muss
sich etwas daran gewöhnen und einlesen, zumindest mir ging es so. Andererseits ist das Stück
ausnehmend modern, denn im Gegensatz zu ihrer Rolle in den Evangelien
verleiht Borchardt in seinem Stück Maria eine Stimme. Überhaupt hat
die Rollenverteilung bei seinem Krippenspiel eine etwas andere
Gewichtung als man sie normalerweise von der traditionellen
Weihnachtsgeschichte kennt.
Für
mich war es eine interessante Leseerfahrung im doppelten Sinn, einmal
mit dem Stück selbst und auch bei Frau Eschenbachs ausführlichen
Erklärungen. Die gebundene Ausgabe im kleinen Format ist ein
richtiges bibliophiles Schmuckstück, vor allem auch durch die
liebevolle Gestaltung mit vielen ausdrucksstarken Scherenschnitten,
die immer wieder zum Betrachten einladen.
⭐⭐⭐⭐
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