Montag, 11. November 2019

Im Schatten des Turms - René Anour


Klappentext:
Hinter den Mauern des Narrenturms, der ersten psychiatrischen Heilanstalt der Welt ... Ein hervorragend recherchierter und extrem spannender Roman, der ein außergewöhnliches Stück Medizinhistorie vor der Kulisse weltgeschichtlicher Ereignisse erzählt.

Wien, 1787. Der Medizinstudent Alfred ist fasziniert vom sogenannten Narrenturm. Hier werden erstmals die Irrsinnigen behandelt, ein ganz neuer Zweig der Medizin. Doch die Zustände sind erbarmungswürdig. Und der Anblick einer jungen Frau mit seltsamen Malen auf den Armen lässt ihn nicht los.
Die junge Adlige Helene war noch nie am Wiener Hof. Ihr Vater hält Schönbrunn für eine Schlangengrube und will seine Tochter möglichst lange von dort fernhalten. Doch er kann sie nicht beschützen.
Der Student, der zu viel sieht. Und die Adlige, die frei sein will. Zwei Menschen, ein Schicksal – das sich im Schatten des Turms entscheiden wird …

Ein großes historisches Panorama: vom Narrenturm bis nach Schönbrunn, vom idyllischen Jagdschloss bis in die Türkenkriege.


Mein Eindruck:
Die Protagonisten sind zwei junge Menschen im Wien des 18. Jahrhunderts, die sich gefunden und verliebt haben, deren Liebe aber hoffnungslos ist, da sie aus verschiedenen Gesellschaftsschichten kommen. Helene ist aus adligem Haus und Halbwaise. Ihr Vater ermöglicht ihr ein behütetes Leben und eine, für die Frauen der damaligen Zeit, außergewöhnlich hohe Bildung.
Alfred ist Medizinstudent. Er stammt aus kleinen Verhältnissen, hat aber das Zeug dazu, ein guter Arzt zu werden. Sein Studium muss er sich mühevoll verdienen.
Wichtigster Schauplatz des Romans ist der Narrenturm in Wien, in dem die erste psychiatrische Heilanstalt der Welt untergebracht war. Bei einem Besuch der Medizinstudenten in der Anstalt fällt Alfred eine junge Frau auf, die Verletzungen an den Armen hat und die ihm anscheinend etwas mitteilen möchte. Aber sie ist stumm. Ihr Anblick lässt Alfred nicht los, und über die herrschenden Zustände im Narrenturm ist er entsetzt, und er nimmt sich vor, etwas dagegen zu tun. Dadurch behindert er jedoch unbewusst andere Interessen.
Der Ort ist schicksalhaft für Helene und Alfred. Die Liebenden treffen sich am Narrenturm, und dort verlieren sie sich auch wieder. In parallel erzählten Handlungssträngen erfährt man abwechselnd, welches Schicksal sie erwartet.
Beide machen eine starke Entwicklung durch, und beide müssen ihren eigenen Kampf ausfechten, jeder auf eine andere Art und Weise.
Der Roman hat mich von der ersten Seite an mitgerissen und fasziniert, denn René Anour beschreibt alle Szenen so eindringlich, dass man sich dem Gefühl, mitten in der Geschichte zu sein, gar nicht entziehen kann (und natürlich auch gar nicht entziehen will!). Sinnbildlich für die Liebenden wird das Märchen von Jorinde und Joringel erzählt, und die Schicksalswege von Helene und Alfred ähneln auch in gewisser Weise denen der Märchengestalten. Was mich besonders fasziniert hat, sind die gleichnishaften Verknüpfungen verschiedener Charaktere des Romans mit Vögeln. Da gibt es den Pirol und die Elster, den Wendehals und den Adler, und im Lauf der vielschichtigen Handlung kommen auch die Krähen ins Spiel, nicht zu vergessen die Nachtigall, die eine ganz besondere Rolle einnimmt. Das mag auf den ersten Eindruck verwirrend klingen, aber je weiter man liest, umso mehr erschließt sich die Symbolik.
Man muss diesen Roman einfach gelesen haben! Er kann mit einer dichten Atmosphäre und einer Vielzahl äußerst interessanter Charaktere aufwarten und zeugt im Aufbau und in seiner Entwicklung von gründlicher Recherchearbeit. Viele historische Fakten fließen mit in die Geschichte ein, und man begegnet auch diversen realen Persönlichkeiten der damaligen Zeit. Auch gewinnt man Einblicke in die Wissenschaft der Psychiatrie im 18. Jahrhundert und erfährt einiges über die damals oft schaurigen Behandlungsmethoden. Der gemütliche Wiener Dialekt einiger Personen bildet einen gekonnten und sehr interessanten Kontrast zu der zeitweilig düsteren Handlung und kann nicht über das Grauen hinwegtäuschen, dem man da begegnet.
Der Schreibstil des Romans ist großartig und reich an Metaphern, und die Handlung entwickelt sich dramatisch und immer auch ein wenig geheimnisvoll. Es war für mich faszinierend, die Entwicklung der verschiedenen Charaktere mit zu erleben.
Es gibt so viele mysteriöse Szenen und Details, die man beim ersten Lesen gar nicht alle erfassen kann. Daher habe ich fest vor, dieses Buch nach einiger Zeit noch einmal lesen und dann vermutlich vieles neu zu entdecken, was mir beim ersten Durchgang verborgen blieb. Ich kann definitiv schon sagen, dass dieser grandiose Roman zu meinem Jahreshighlights 2019 gehört.

⭐⭐⭐⭐⭐





7 Kommentare:

  1. Huhu!

    Freut mich, dass dir das Buch so gut gefallen hat! Das steht auf meiner Wunschliste ziemlich weit oben :D
    Ich hatte von ihm vor Jahren die beiden "Wanifen" Bände gelesen, die ich auch toll fand. Aber das neue scheint ja nochmal besser zu sein, was ich so in den Rezensionen lese. Ich freu mich drauf!

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Hallo Aleshanee, die Wanifen kenne ich bisher noch nicht, aber da mich der Turm jetzt so überzeugen konnte, werde ich die beiden Bände natürlich auch auf meinen Wunschzettel setzen! Auf das Buch kannst du dich wirklich freuen! Liebe Grüße Susanne

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  2. Hallo Susanne,
    hach...nun tut es mir noch mehr leid, dass ich zur Leserunde bei LB keine Zeit hatte und mich nicht beworben habe. Der Autor hat mir sogar eine Nachricht geschickt, aber ich hatte zu viele Bücher aufeinmal erhalten dank der lieben Post, die wohl alles zusammengesammelt hatte :( Aber es kommt gleich mal auf meine Wunschliste! Ich habe bishe rnur gute Bewretungen dzau gesehen!
    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Liebe Martina,
      an dich musste ich beim Lesen denken, weil du ja geschrieben hast, dass du zu viel auf einmal liegen hattest. Wenn es mal bei dir einzieht, wünsche ich dir jetzt schon viel Spaß, ist wirklich eine tolle Geschichte.
      Liebe Grüße
      Susanne

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  3. Liebe Susanne,

    für dieses Buch wollte ich mich auch gern zur Leserunde anmelden. Aber wie es bei uns Bloggern dann immer so ist, ich bekam zu dem Zeitpunkt für drei weitere LR Zusagen.
    Die Einblicke in die Psychiatrie hätten mich sehr gereizt, allerdings sind für mich mysteriöse Szenen immer sehr suspekt. Deshalb werde ich das Buch wohl eher nicht noch lesen.

    Danke für die erhellende Rezi,
    herzliche Grüße
    Barbara

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    1. Liebe Barbara,
      für die mysteriösen Szenen gibt es letztendlich immer auch eine Erklärung bzw. Auflösung, so dass einen der Roman nicht ratlos zurück lässt. Nur habe ich für mich deswegen beschlossen, das Buch, mit einem gewissen Zeitabstand, noch einmal zu lesen, denn ich denke, vieles erschließt sich mir dann noch einmal ganz anders bzw. deutlicher, wenn ich schon weiß, wie sich die Sache weiter entwickelt.
      Liebe Grüße
      Susanne

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  4. Hey Susanne,

    Schön, dass dir dieser Roman so gut gefallen hat. Ich habe bis jetzt tatsächlich nur euphorische Rezensionen gelesen. Ich probiere es zu einem späteren Zeitpunkt vllt noch mal. Die Leseprobe konnte mich nicht so wirklich packen, aber manchmal ist es ja auch der falsche Zeitpunkt.

    LG, Moni

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