Der Duft der Wälder Patricia Gaffney Heyne (2003) ISBN: 978-3453864160 |
Heute stelle ich euch einen etwas älteren Roman vor, den ich für die Challenge "18für2018" aus meinem SuB gekramt habe. Das Buch ist offiziell nicht mehr im Handel, aber es lohnt sich meiner Meinung nach durchaus, es gebraucht zu suchen, denn ich finde, die Geschichte hat einen ganz eigenen Charme.
Kurzbeschreibung:
Chicago,
1893: Nach dem Tod ihres Ehemanns zieht die junge Sydney zu ihrem
Vater, einem berühmten Anthropologen. Schon bald steht die junge
Witwe zwischen zwei Männern: Charles, der ehrgeizige Mitarbeiter
ihres Vaters, der bereits um ihre Hand angehalten hat, und Michael,
ein ebenso geheimnisvoller wie faszinierender Fremder, der in der
Wildnis gefunden wurde und der offenbar mit den Wölfen gelebt hat.
Er kann zwar nicht sprechen, doch mit seinen hellen Augen und seinem
sanften Wesen erobert er Sydneys Herz im Nu.
Mein
Eindruck:
Die
Situation in diesem Roman ist außergewöhnlich, denn der Protagonist
ist ein so genanntes „Wolfskind“. Der junge Mann wuchs in der
Wildnis auf, und keiner weiß, wie es dazu kam. Sydneys Vater hat den
Auftrag, das Wesen des „Wilden“ zu erforschen. Der Anthropologe
Dr. Winter ist ein recht zerstreuter Professor, der selten bei der
Sache ist, wenn es um etwas anderes als seine Forschungen geht. Er
und sein Mitarbeiter sehen in dem „verlorenen Mann“ weniger den
Menschen, sondern hauptsächlich ein Forschungsobjekt.
Nur
die drei Kinder des Professors, Sydney und ihre Brüder Sam und
Philip, sind hier feinfühliger und merken schnell, dass der Wilde
kultivierter ist als angenommen. Michael, so heißt er, wie ihm
irgendwann einfällt, fasst hauptsächlich zu Sydney Zutrauen. Ihr
gegenüber benimmt er sich anders, und mit ihr spricht er eines Tages
auch. Sie wiederum spürt, dass der verlorene Mann nicht gefährlich
ist, wie viele vermuten. Sie beginnt, vieles mit seinen Augen zu
sehen. Michaels Entwicklung, wie er nach und nach vieles wieder
lernen muss, was er in der Wildnis vergessen hatte, wie so langsam
seine Erinnerung zurückkehrt, das alles ist faszinierend und sehr
einfühlsam geschildert. Auch der damalige Zeitgeist, alles Fremde
„auszustellen“ und vorzuführen, kommt im Roman gut heraus.
Die
verschiedenen Charaktere, ihre Einstellung und ihre Beweggründe
lernt man ausführlich kennen. Es ist 1893, das Jahr der
Weltausstellung in Chicago. Auch die Familie Winter besucht die
Ausstellung, und ihre Eindrücke sind sehr intensiv wiedergegeben.
Sehr
berührend fand ich einen gemeinsamen Besuch im Zoo und seine Folgen.
Man versetze sich in Michael, der bei Wölfen aufgewachsen ist, als
er nun diese stolzen Tiere hinter Gittern findet...
Die
Handlung ist insgesamt sehr kurzweilig und fesselnd. Michaels
Entwicklung ist ausführlich und interessant beschrieben und gut
nachvollziehbar. Auch eine zarte Liebesgeschichte kommt im Roman
nicht zu kurz. Einzig das Ende empfand ich als sehr konstruiert, denn
die Ereignisse, die minutengenau zur richtigen Zeit eintreffen, das
war mir denn doch des Zufalls ein bisschen zu viel. Obwohl ich mit
dem Schluss nicht zu 100 % zufrieden bin, hatte ich schöne und
interessante Lesestunden mit diesem Roman.
⭐⭐⭐⭐
Ach wie lustig... Und was hat gerade den Weg auf meinen Tisch gefunden? "Das Wissen der Engel" von Jill Paton Walsh, in dem auch ein Wolfskind vorkommt. Ich könnte mir vorstellen, dass du es interessant findest, nachdem du "Der Duft der Wälder" gelesen hast.
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Jürgen