Roman Rausch Die letzte Jüdin von Würzburg rororo, 508 Seiten ISBN: 9783499268038 |
Straßburg 1349: Nur mit dem nackten Leben entkommt die junge
Jüdin Jaelle dem Pest-Pogrom. Alle anderen Mitglieder der jüdischen Gemeinde
finden den Tod, auch Jaelles Vater, und ihr ganzes Hab und Gut ist
verloren. Verkleidet als Mann flieht sie
nach Würzburg, wie es ihr der Vater vor seinem Tod geraten hat. Dort sucht sie
bei Rabbi Moshe Schutz und Unterkunft, denn über ihre Verwandten, die laut
ihrem Vater in Würzburg leben sollen, weiß sie nichts Genaueres, und alle schriftlichen
Aufzeichnungen über die Familie gingen bei der überstürzten Flucht verloren.
Auf ihrem Weg nach Würzburg begegnet ihr Michael de Leone,
der Berater des Bischofs. De Leone findet Gefallen an dem jungen Johan, wie
sich Jaelle jetzt nennt, und bietet ihm eine Stelle an. Bald gerät Jaelle
zwischen die Fronten, denn einerseits erhofft sich de Leone Informationen von
ihr über die jüdische Gemeinde, der Rabbi wiederum sieht eine Chance, durch
Jaelle aus erster Hand über Entscheidungen des Bischofs und des Würzburger
Rats informiert zu werden. Weiterhin als
junger Mann getarnt hält Jaelle Augen und Ohren offen und erfährt schier
Unglaubliches. Während sie noch über die Zusammenhänge forscht, macht auch vor
Würzburgs Toren der Hass auf die Juden nicht Halt.
Wie schon in seinen bisherigen historischen Romanen hat sich
Roman Rausch auch diesmal wieder ein düsteres Kapitel seiner Heimatstadt
Würzburg vorgenommen. Ging es in früheren Büchern um die Hexenverfolgung, so
führt uns der neueste Roman ins 14. Jahrhundert, wo sich der Hass der
Bevölkerung auf die ansässigen Juden konzentrierte. Dies war nicht nur in
Würzburg der Fall, sondern es brodelte überall im Land, und in vielen Städten
wurden die jüdischen Gemeinden ausgerottet.
Die Handlung des Romans lehnt sich stark an historische
Tatsachen an, und auch Michael de Leone, der männliche Hauptcharakter, ist
keine fiktive Figur, sondern es hat ihn tatsächlich gegeben. Vieles über die
damaligen Zusammenhänge, Beziehungen und Ereignisse kann nicht mehr konkret
nachgewiesen werden, sondern lässt uns heute nur mutmaßen. Aber das macht es ja
gerade so interessant, wenn auch bestürzend, dass es, wie hier, dem Autor
gelungen ist, die Lücken in der Geschichtsschreibung logisch und glaubwürdig
mit Leben zu füllen. Dass auch die Berichte über die Morde, die an den Juden
verübt wurden, auf tatsächlichen historischen Begebenheiten beruhen, macht die
Handlung authentisch und zugleich so erschütternd. Der Autor hat sich hier
eines sehr unbequemen Themas angenommen. Über die damalige Denkweise und die
Art, alle Probleme einer bestimmten Bevölkerungsgruppe anzulasten, kann man nur
den Kopf schütteln, und doch war es ja wirklich so ähnlich, und derartige Verblendung
mit schrecklichen Folgen findet man auch in der Gegenwart. Es hat sie nicht nur
im Mittelalter gegeben; so weit müssen wir in der Geschichte leider gar nicht
zurückgehen.
Es ist kein „schöner“ Roman, und ich zögere, das Buch als
„unterhaltsam“ zu bezeichnen, denn dazu ist es zu ernst. Die Protagonisten
wahren eine gewisse Distanz, sie lassen sich nicht in die Seele schauen. Zwar
gibt es durchaus Momente, wo starke Gefühle im Spiel sind, aber der Titel macht
bereits deutlich, dass es kein Happy End geben wird. Insofern ist es auch gut,
dass einem die einzelnen Charaktere nicht allzu sehr ans Herz wachsen.
Die realistische Darstellung der Ereignisse zeugt von
komplexen Nachforschungen und einer umfangreichen Recherche zur Geschichte
Würzburgs und auch besonders zu jüdischen Bräuchen und Sitten.
Das faszinierende Coverbild, welches sich am Beginn eines
jeden Kapitels wiederholt, stammt aus einer alten hebräischen Schrift, der „Barcelona Haggadah“, und passt sehr gut zum
gesamten Konzept.
Wer kurzweilige, romantische Literatur sucht, wird an dem
Roman keine Freude haben. Das Buch ist etwas für Leser, die Wert auf eine möglichst
wirklichkeitsnahe, nicht verklärte oder beschönigte Darstellung legen und sich
zugleich von den Spekulationen und Schicksalen fesseln lassen, die der Autor
für seine Protagonisten erdacht hat. Von meiner Seite gibt es eine klare
Leseempfehlung.
Das klingt super, vor allem, weil ich mich gerade jetzt intensiv mit der jüdischen Religion befasst hab (ich hab an dem Friedhofs-Post fast 1 Woche geschrieben).
AntwortenLöschenDas wird bestimmt irgendwann meins, auch das Cover ist so verlockend.
LG und einen schönen Sonntag noch!