Montag, 9. März 2020

Die Zarin und der Philosoph - Martina Sahler




Kurzbeschreibung vom Verlag:
Die junge Katharina krönt sich nach einem Putsch selbst zur Zarin. Sie sieht sich als Nachfolgerin von Peter dem Großen und will Russland nach Westen öffnen. Doch die Welt hält den Atem an, kann man der Deutschen auf dem Zarenthron trauen? Preußens König Friedrich II. schickt einen Philosophen nach Petersburg, um die Pläne der neuen Herrscherin auszuspähen. Stephan Mervier ist beeindruckt von Katharina, von ihrer Klugheit, ihrem Charisma, aber Russlands Rückständigkeit und das Elend der Leibeigenen machen ihn wütend. Dabei wächst der Widerstand im Winterpalast längst heran. Eine enge Vertraute Katharinas kämpft auf Seiten der Unterdrückten. Stephan verliebt sich in die mutige Rebellin, die in großer Gefahr schwebt. Denn die Zarin fördert zwar Fortschritt, Bildung und die Wissenschaften, aber ihre Herrschaft ist absolut, und sie setzt ihre Macht mit äußerster Härte durch.



Mein Eindruck:
Dies ist Martina Sahlers zweiter Sankt-Petersburg-Roman. Der erste Band „Die Stadt des Zaren“ gehörte zu meinen ganz großen Lese-Highlights 2017. Damals ging es um die Gründung der Stadt durch Peter den Großen.
Inzwischen sind sechzig Jahre vergangen, und Zarin Katharina ist an der Macht. Sie hat große Ziele, was die Zukunft Russlands angeht, aber auch wenn sie zu vielen Reformen bereit ist und zum Teil fortschrittliche Ansichten hegt, so gibt es doch viel Ungerechtigkeit und Elend im Land, das die Regentin geflissentlich ignoriert bzw. nicht gewillt ist, etwas zum Besseren zu ändern. Zwar umgibt sie sich gerne mit klugen Männern, übt sich in der hohen Kunst der Diplomatie und führt gerne philosophische Gespräche, aber eines kann sie nicht dulden, und das ist offene Kritik, vor allem wenn diese von einer Seite kommt, wo sie absolut nicht damit gerechnet hat.

Dieser zweite Band ist ganz anders als der Vorgänger. Ging es damals um den Überlebenskampf während der Gründung einer neuen Stadt, so steht Sankt Petersburg mittlerweile in voller Blüte. Die Handlung des Romans dreht sich weitgehend um Katharinas Regierungsgeschäfte und Ziele sowie um das Leben am Hof. Katharina nimmt ein junges Mädchen als Ziehtochter bei sich auf. Sie steckt all ihre Hoffnungen und ihre Zuneigung in das Kind,welches sich im Lauf der Handlung zu einer starken und eigenwilligen Persönlichkeit mit ganz eigenen Vorstellungen entwickelt.
Stephan Mervier ist mit seiner jungen Frau, einer begnadeten Malerin, nach St. Petersburg gekommen. Offiziell weilt er als Gast der Zarin in Russland, denn sie schätzt anregende Dialoge, aber insgeheim hat Stephan einen Auftrag vom Preußenkönig Friedrich II.; er soll ihm über die Entwicklungen im Land und über Entscheidungen der Zarin berichten. Im Dunstkreis der Zarin wird Stephan zum vielbeschäftigten Mann, der daneben auch noch in einem Geheimbund mitwirkt, welcher der Zarin kritisch gegenüber steht. Für seine junge Frau Johanna hat er kaum Zeit, und das Paar entfernt sich immer weiter voneinander.

Wie schon beim ersten Band, so fand ich es sehr hilfreich, dass es gleich am Anfang des Buches ein umfangreiches Personenverzeichnis gibt, denn so fällt es einem leichter, die vielen Charaktere, die im Lauf der Geschichte auftauchen, richtig einzuordnen und sich die Zusammenhänge zu merken.
Die wichtigsten Personen des Romans sind hier dick gedruckt, und historisch reale Persönlichkeiten wurden mit einem Sternchen gekennzeichnet, denn man trifft in Katharinas Gesellschaft sowohl ihre Günstlinge als auch berühmte Philosophen wie Voltaire oder Diderot. Eine Zeittafel mit den wichtigsten historischen Ereignissen ist ebenfalls interessant und sinnvoll.

Wie ich einmal von Frau Sahler gelesen habe, sind die Petersburg-Romane ihre Herzensbücher. Das spürt man beim Lesen auf jeder Seite, wenn man die plastischen Schilderungen dieser Stadt verfolgt. Auch die Charakterisierungen ihrer Protagonisten sind durchweg sehr detailliert und gelungen. Die Autorin erklärte, dass wohl weitere Bände folgen werden und dass man in jedem weiteren Band auf bekannte Namen stoßen wird. Dies ist mir hier beim zweiten Band gar nicht gleich aufgefallen, aber nachdem ich durch diese Äußerung darauf aufmerksam wurde, habe ich wirklich einen „alten Bekannten“ im Buch entdeckt. Als Zehnjähriger kam er mit seiner Familie nach St. Petersburg, wo sein Vater als Arzt einen neuen Wirkungsbereich fand. Im zweiten Band ist er ein alter Mann, dem es nicht gut geht, aber sein Enkel spielt diesmal eine wichtige Rolle. Solche Verbindungen gefallen mir sehr, denn sie bringen einem die Charaktere und auch die zeitlichen Zusammenhänge näher.

Obwohl ich zugeben muss, dass mich Band 1 noch viel mehr fesseln konnte, so hat mir auch dieser Folgeband gut gefallen. Die Atmosphäre ist eine andere, und leider kommt das Schicksal der Armen etwas zu kurz. Es gibt zwar einen kleineren Handlungsstrang, in dem man einige Leibeigene kennenlernt, aber deren Schicksal bleibt letztendlich offen. Auf jeden Fall erfährt man sehr viel Historisches über die Regierungszeit Katharinas II, und auch diesmal gibt es wieder eine tragische Flutkatastrophe, als die Neva über die Ufer tritt und zahlreiche Menschenleben fordert.
Für mein persönliches Empfinden bleibt der zweite Band etwas hinter dem ersten Roman zurück, was mich aber nicht daran hindert,mich auf weitere Bände über diese faszinierende Stadt und ihre Geschichte zu freuen.


⭐⭐⭐⭐




Hier findet ihr weitere Meinungen zum Buch:

1 Kommentar:

  1. Hey Susanne,

    Da habe ich direkt mal bei meiner Rezension verlinkt. Mir ging es auch so, dass mir die Perspektive der ärmeren Bevölkerung so ein bisschen gefehlt hat und ich bin mit den Personen nicht so ganz warm geworden.
    Es ist interessant deine Rezension zu lesen, denn den ersten Teil dieser Reihe kenne ich beispielsweise nicht. Für mich definitiv ein Grund diesen demnächst doch noch mal nachzuholen.

    LG und einen schönen Ostermontag,
    Moni

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