Freitag, 7. Februar 2020

Das Brauhaus an der Isar / Spiel des Schicksals - Julia Freidank



Klappentext:
Bayern 1897. Antonia Pacher verlässt den verarmten Hof ihrer Familie, um in München Geld zu verdienen – und entdeckt die schillernde Welt der Schwabinger Boheme. Als die junge Frau schließlich Arbeit in einer Brauerei erhält, muss sie von Anfang an um ihren Platz im Unternehmen kämpfen. Denn unter den Angestellten – Schankmädchen, Brauburschen und Brauknechten – findet Antonia nicht nur Freunde, sondern auch Gegner, die ihr bei jeder Gelegenheit Steine in den Weg legen. Dass es zwischen ihr und dem Erben der Brauerei, dem unberechenbaren Melchior Bruckner, gewaltig knistert, macht das Ganze nicht eben leichter.
Melchiors ehrgeizige Mutter Franziska kämpft ebenfalls. Sie will endlich den großen Erfolg und auf dem Oktoberfest ausschenken. Doch auch sie hat Feinde, konkurrierende Bierbrauer, die bereits eine vernichtende Intrige in Gang gesetzt haben…



Mein Eindruck:

Man lernt die Protagonistin bei der Trauerfeier für ihren gerade verstorbenen Vater kennen. Als Antonia Pacher erfährt, dass ihre Mutter den eigenen Hof an den wohl schärfsten Konkurrenten im Dorf verkauft hat, ist die junge Frau entsetzt. Klammheimlich verlässt sie ihren Heimatort in der Hallertau, um in München ihr Glück zu suchen. Aller Anfang ist schwer, und so muss auch Antonia um ihre Existenz kämpfen. Sie nimmt alle möglichen Gelegenheitsarbeiten an und arbeitet für einen niedrigen Lohn, der kaum zum Leben reicht, bis sie durch Zufall die Gelegenheit erhält, bei dem Schwabinger Maler Franz von Stuck Modell zu stehen. Später wiederum kann sie eine Stellung in einer Brauerei antreten, vermittelt durch Melchior Bruckner, den Erben des Unternehmens an der Isar. Ihre Kontakte zur Schwabinger Bohéme vermitteln Antonia einerseits ein Gefühl von Freiheit, aber es droht auch stets die Gefahr, ihre Arbeit als Aktmodell könne bekannt werden und ihr die Stelle kosten. So lebt die junge Frau zwischen zwei Welten in der großen Stadt. Einerseits will sie die Kontakte zu den Künstlern, die sie kennengelernt hat, nicht missen, andererseits sieht sie ihre Zukunft nicht als Dienstmädchen, sondern sie will mehr vom Leben. Ausgerechnet der arrogante und immer ein wenig gelangweilt wirkende Sohn ihrer Chefin, Melchior Bruckner, bringt sie auf den Gedanken, sich weiter zu bilden. Aber auch Melchior findet bei Antonia Ermutigung und ungeahnte Unterstützung bei der Verwirklichung seiner Zukunftspläne. Zwischen den beiden knistert es gewaltig, und doch ist eine Verbindung undenkbar, zu unterschiedlich sind sie durch ihre gesellschaftliche Stellung und durch ihre Lebensbereiche. Außerdem ist Melchior verlobt. Seine Mutter Franziska versucht verzweifelt, sich in der Männerdomäne der Bierbrauer zu behaupten und die Firma im Sinn ihres verstorbenen Mannes weiterzuführen. Aber sie hat als Frau einen schweren Stand.

Julia Freidank entführt uns in die faszinierende Welt zum Ende des 19. Jahrhunderts in München. Ihr Roman lebt durch jede Menge an Zeit- und Lokalkolorit. Man erfährt viel über das Dasein der einfachen Menschen, wie sie lebten und arbeiteten, aber man erhält auch Einblick in die bessere Gesellschaft und nicht zuletzt auch in die Münchner Künstlerszene der damaligen Zeit. Dabei begegnet man interessanten Zeitgenossen, beispielsweise Albert Einstein oder Josephine Strauss und ihrem Sohn Richard Strauss. Auch der Maler Franz Stuck und seine im Roman erwähnten Bilder „Die Sinnlichkeit“ und „Die Sünde“ sowie Franziska Gräfin zu Reventlow, die ebenfalls in Künstlerkreisen verkehrt, sind reale historische Persönlichkeiten. Zusammen mit den fiktiven aber nicht minder faszinierenden Charakteren bringen sie Leben und Authentizität in den Roman.
Daneben bekommt man eine Vorstellung davon, wie damals Bier gebraut wurde, und auch wenn diese Geschichte erfunden ist, so kann ich mir doch gut vorstellen, dass es ähnliche Konkurrenzkämpfe sicher zwischen den Münchner Brauereien damals gab, vor allem wenn es um einen begehrten Platz zum Ausschank des eigenen Biers auf der Wiesn ging.


Viel Raum nimmt im Roman die damalige Stellung der Frauen ein, die in eine feste Rolle gedrängt wurden wie in ein zu enges Korsett. Jeglicher Versuch, die kulturellen Fesseln zu lockern oder gar zu sprengen, wurde von der holden Männlichkeit als Hysterie abgetan, und Frauen wurden schnell in ihre Schranken gewiesen, sei es in der eigenen Familie oder auch schon mal durch einen bigotten Priester. Die Protagonistin erfährt so ziemlich alle Facetten eines damaligen Frauenlebens, und nur durch ihre Klugheit, ihre enorme Stärke und Willenskraft findet sie ihren eigenen Weg.

Historische Romane faszinieren mich sowieso, aber wenn sie dann noch in München spielen, finde ich das besonders spannend, denn in dieser Stadt liegen meine eigenen Wurzeln, und es fesselt mich ungemein, quasi auf den Spuren meiner Urgroßeltern zu wandeln und im Roman dieses besondere Flair der bayerischen Großstadt an der Schwelle zu einem neuen Jahrhundert zu spüren.

Dies war mein erster Roman von Julia Freidank, aber es wird ganz sicher nicht dabei bleiben, denn nicht nur die Handlung und die Charaktere haben mich angesprochen, sondern der lebhafte und gefällige Schreibstil und die bildhaften Beschreibungen haben mich begeistert. Mir hat dieser Auftakt zur Familiensaga der Brauereidynastie Bruckner ausgesprochen gut gefallen, und ich bin schon sehr gespannt auf eine Fortsetzung.

⭐⭐⭐⭐⭐



1 Kommentar:

  1. Guten Morgen Susanne,

    historische Romane lese ich auch gerne, deshalb fand ich deine Rezi sehr interessant. Wie früher das Bild der Frau vorherrschend war, zeigt uns mal wieder, wie gut wir es heute haben. Das Thema Bierbrauerei ist zwar nicht mein Ding, aber es passt ja zur Gegend und den Lebensgewohnheiten.

    Liebe Grüße und ein gutes Wochenende,
    Barbara

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