Wie uns ein Junge, den es nicht geben sollte, die Augen geöffnet hat.
Tim feiert seinen 18. Geburtstag. Das
ist für jeden jungen Menschen etwas ganz Besonderes, für Tim jedoch
gleich in mehrfacher Hinsicht, denn Tim hat das Down Syndrom, und er
hat seine eigene Abtreibung überlebt!
Dieses berührende Buch gibt Einblick
in Tims Leben. Es erzählt, wie es dazu kam, dass er den Eingriff,
der ihn für immer von dieser Welt holen sollte, überlebt hat, wenn
auch mit vielen körperlichen und geistigen Einschränkungen, die
darauf zurückzuführen sind, dass er nach der eingeleiteten Geburt
nicht sofort medizinisch versorgt worden ist, sondern erst neun
Stunden später, da er ja gar nicht überleben sollte. Es erzählt
aber auch die Geschichte einer Liebe, die sich auf den ersten Blick
in Tims große blaue Augen in die Herzen der Guidos schlich und seine
Pflegeeltern nicht mehr losließ.
Im Buch kommen viele Menschen in Tims
Umkreis zu Wort: seine Pflegeeltern und deren leibliche Söhne,
Verwandte, Freunde, Bekannte, Nachbarn, Ärzte und Pfleger. Alle
äußern sich ehrlich,manchmal durchaus auch kritisch, zur gegebenen
Situation und zu Tims erstaunlicher Entwicklung, aus ihrer
persönlichen Sicht.
Bernhard und Simone Guido haben Tim so
vieles gegeben. Sie haben ihm quasi ein neues Leben geschenkt, indem
sie ihm all das gaben, was ein kleines Kind braucht: ein Heim, eine
Familie, Fürsorge, Liebe und Geborgenheit. Dies war sicher nicht
immer leicht, denn Tim braucht mehr von all dem als andere Menschen.
Aber trotz aller Probleme und obwohl er schon oft in Lebensgefahr
schwebte und viele Operationen über sich ergehen lassen musste, ist
er auf seine Weise sehr stark, mit enormer Energie und einem großen
Lebenswillen. Auch die Guidos sind willensstark und verfolgen
unbeirrt ihren Weg. Sie wissen genau, was sie wollen, und mit der
Aufnahme von mittlerweile drei behinderten Pflegekindern haben sie
ihren Traum erfüllt und ihre persönlichen Vorstellungen vom Leben
umgesetzt. Nur so konnten sie kritischen Stimmen, Vorwürfen und
Missbilligung von außen Stand halten.
An Tims Beispiel erfährt man viel über
geltende Regelungen in Deutschland, wie in einem solchen Fall
verfahren wird, und man muss feststellen, dass die fortschrittliche
Medizin zwar körperliche und geistige Schäden heutzutage sehr oft
bereits pränatal feststellen kann, aber eben nie das wirkliche
Ausmaß. Mit der Diagnose, wie sie auch immer aussehen mag, werden
die jungen Eltern oft allein gelassen; es fehlt die so wichtige
Betreuung und Beratung. Nicht nur werdende Eltern, auch die Ärzte
sind überfordert, wenn die Diagnose auf eine Behinderung des Fötus
schließen lässt. Die Umwelt reagiert nicht selten mit Unverständnis
und kennt nur eine Lösung: die Abtreibung. Dass diese in vielen
Fällen eigentlich keine mehr ist, sondern dass das ungewollte Kind
auf natürlichem Weg geboren werden muss, wissen viele nicht, denn
dies wäre sicher ein Aspekt, der so manchen rigorosen Befürworter
der Abtreibung zum Nachdenken bringen könnte.
Je mehr man in diesem Buch über Tim
und seine Familie erfährt, über die Lebensfreude, die der junge
Mann empfindet und die Zuneigung, die er nahe stehenden Menschen
entgegenbringt, umso stärker frage ich mich, woher wir uns
heutzutage das Recht nehmen, über Sein oder Nichtsein eines
Ungeborenen zu entscheiden. Wie können wir uns anmaßen, einem Kind
das Lebensrecht zu verweigern, nur weil es nicht der Norm entspricht?
Es gibt sicher Fälle, wo es nicht
anders geht, wenn so schwere körperliche und geistige Behinderungen
beim Kind offensichtlich sind, dass sein künftiges Leben nur ein
Dahinvegetieren wäre. Aber die moderne Pränatal-Diagnostik macht es
möglich,
eben
auch weniger ausgeprägte Behinderungen festzustellen und in
absehbarer Zeit wird es kaum noch Kinder mit Downsyndrom geben, da
sich die meisten Eltern entschließen, dieses Kind nicht zu bekommen.
Wenn man sich einmal näher mit Menschen beschäftigt, die das
Downsyndrom haben, stellt man fest, welch ein Verlust es für die
Welt wäre, wenn es diese lebensfrohen und warmherzigen Menschen
nicht gäbe.
Das Buch hat mich sehr nachdenklich
gemacht, hier geht es nicht nur um das Schicksal eines einzelnen
Jungen, sondern um viel mehr, nämlich um existentielle Fragen, um
die Würde des Menschen und um das Recht auf Leben. Wo soll die
Grenze gezogen werden? Was ist zumutbar, was dagegen untragbar? Ist
die Entscheidung, einen Fötus mit Diagnose Down Syndrom abzutreiben,
nicht ein inakzeptabler Eingriff in die Schöpfung? Jeder Mensch
empfindet dies anders, aber Tims Geschichte zeigt, welche ungeheure
Kraft in diesem Jungen steckte, denn allen Erwartungen zum Trotz
hörte er nach seiner Geburt einfach nicht auf zu atmen. Trotz
beträchtlicher körperlicher Einschränkungen, die eigentlich nicht
hätten sein müssen, lebt er, und wie er lebt! Ihm und seiner
sympathischen Pflegefamilie gehört meine ganze Hochachtung.
Dies ist ein Buch, das man einfach
gelesen haben sollte, denn es liefert jede Menge interessanter
Informationen und Fakten, ohne in irgend einer weise zu verurteilen,
es gibt viele Denkanstöße, und es bereichert und erweitert den
Horizont, indem es eine Lebenssituation zeigt, die von der
gesellschaftlichen Norm abweicht und doch auf jeden Fall lebenswert
ist.
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