Konstantinopel 1408:
Die schöne Oliviera hat sich
unsterblich in einen Handelspartner ihres Vaters verliebt. Nun setzt
die Sechzehnjährige alles daran, ihn für sich zu gewinnen und ihren
Vater dazu zu bewegen, sie mit dem attraktiven Deutschen zu
verheiraten. Ihr Plan geht wirklich auf, und so begibt sich das
frisch vermählte junge Paar schon bald auf die lange und
anstrengende Reise nach Tübingen, wo Laurenz seine Niederlassung
hat. Schon während der Reise merkt Oliviera, dass sich ihr Gemahl
verändert. Immer öfter hat sie den Eindruck, dass er ihr nicht mehr
die gleiche Aufmerksamkeit zuteil werden lässt wie in
Konstantinopel. Sie schiebt Laurenz' Stimmungsschwankungen und
Alpträume auf die Anstrengungen der Reise und hofft, dass sich in
Tübingen alles zum Guten wendet. Aber bei ihrer Ankunft erwartet die
junge Frau eine herbe Enttäuschung. Das Haus ihres Ehemanns ist
dunkel und feucht, und die Einheimischen begegnen ihr zum Großteil
feindselig. Einen eigenen Bereich, wo sie ihre Salben und
Heiltinkturen herstellen kann, wie sie es von ihrer Großmutter
gelernt hat, muss sie sich hart erkämpfen. Verständnis und
Unterstützung findet Oliviera nur bei ihrem Schwager Götz. Schon
bald erkennt sie aber, dass sich die Brüder nicht besonders zugetan
sind. Zudem verhält Laurenz sich immer seltsamer und entfremdet sich
seiner jungen Frau von Tag zu Tag mehr. Schon bald muss Oliviera
feststellen, dass ihr Gatte ein dunkles Geheimnis hütet, und ihr
Wissen darum bringt sie in große Gefahr.
Der Einstieg in den Roman erfolgt mit
dem ersten Satz „Die Nacht war wie geschaffen zum Töten“, denn
der Prolog führt den Leser nach Tübingen, und man wird Zeuge eines
brutalen Verbrechens. Schon nach wenigen Seiten war ich unrettbar in
der Handlung gefesselt. Der Kontrast zwischen dem kurzen Prolog und
dem ersten Kapitel ist groß, denn vom kalten, dunklen Tübingen
kommt man nun in das farbenprächtige und orientalische
Konstantinopel, wo man Oliviera und ihre Großmutter begleitet,
während sie kostbare Salben und Arzneien herstellen, sich der
Frauenheilkunde widmen oder ihre Einkäufe auf dem Basar erledigen.
Oliviera ist hier behütet aufgewachsen, liebevoll umsorgt von ihrer
Großmutter, wo es immer warm ist und die Luft nach Blüten und
Gewürzen duftet.
Mit dem stattlichen Laurenz erlebt sie
die erste Verliebtheit und zögert nicht, ihm in seine Heimat zu
folgen. Was sie dort, im fernen Tübingen erlebt, ist ein wahrer
Kulturschock für die junge Frau. Nie zuvor wurde sie so feindselig
und misstrauisch behandelt. Der Fremdenhass, der ihr hier
entgegenschlägt, verleiht der Geschichte eine erschreckende
Aktualität.
Schnell kommt die Ernüchterung, und
ihre Hoffnungen und Träume für die Zukunft zerplatzen wie
Seifenblasen. In kurzer Zeit wird in dieser fremden Umgebung aus dem
verliebten, eigensinnigen jungen Mädchen eine charakterstarke und
desillusionierte Frau, die sich jedoch nicht unterkriegen lässt und
trotz der eigenen Sorgen immer ein Herz für die Armen, Schwachen und
Kranken hat. Der Entwicklungsprozess ist sehr schön beschrieben und
nachvollziehbar.
Auch Laurenz verändert sich sehr. War
er anfangs noch der faszinierte junge Mann, geblendet von Olivieras
Liebreiz und Schönheit, so erfährt man sehr bald, dass er sich auf
eine heikle Angelegenheit eingelassen hat, die ihn in große
Gewissensnöte stürzt. Als Leser erhält man faszinierende Einblicke
in seine Gedanken- und Gefühlswelt und erfährt von seinen Ängsten,
die so typisch für die damalige Zeit erscheinen, denn Laurenz'
größte Furcht ist, in die Hölle zu kommen. Hin- und hergerissen
zwischen dieser Angst und seiner Gier nach Erfolg und Anerkennung,
verstrickt er sich immer tiefer in ausweglose Situationen. Seine
junge Frau verliert er dabei immer mehr aus dem Blickfeld.
Die Handlung ist zum Großteil
abwechselnd aus Olivieras und Laurenz' Sicht geschildert. Aber auch
ein weiterer, sehr düsterer Charakter kommt zu Wort. Die Art, wie
die Autorin ihre Protagonisten charakterisiert und wie sie Stimmungen
und Gegebenheiten darstellt, ist so intensiv und ausdrucksstark, dass
einem des öfteren ein Schauer über den Rücken läuft. Die
Spannung, die sich von der ersten Seite an stetig aufbaut, hält bis
zum Schluss, welcher gut und abgerundet ist und doch förmlich nach
einer Fortsetzung schreit. Es gibt noch so viel, was ich über
Oliviera und ihre künftigen Erlebnisse erfahren möchte, und so war
ich hoch erfreut, zu erfahren, dass eine Fortsetzung tatsächlich
bereits in Planung ist.
In diesem Roman widmet sich Silvia
Stolzenburg äußerst interessanten Themen. Da ist einmal die
Heilkunde der beschriebenen Zeit. Viele der damaligen Diagnosen
lassen uns heute schmunzeln, anderes wirkt erstaunlich modern. Es ist
interessant, Oliviera bei ihrem Tun über die Schulter zu schauen.
Ein weiteres Thema und zugleich ein
kriminelles Kapitel, um das es hier geht, ist der kräftig
florierende Handel mit falschen Reliquien.
Im Nachwort erklärt die Autorin, wie
sie auf diese Themen gestoßen ist, und sieht man sich die
Bibliografie näher an, gewinnt man einen kleinen Eindruck davon, wie
aufwändig und gründlich hier recherchiert werden musste.
„Die Salbenmacherin“ mit
interessanten und vielschichtigen Charakteren, einer spannungsreichen
Handlung und jeder Menge Hintergrundwissen konnte mich vollends
überzeugen und hat sich fünf Sterne redlich verdient!
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