Der Jahrhundertsturm
Richard Dübell
Ullstein Verlag
1056 Seiten
ISBN: 978-3548286648
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Es handelt sich hier um den ersten Band der Jahrhundertsturm-Serie von Richard Dübell. Die Handlung umfasst einen Zeitraum von 1840 bis 1871, eine sehr bewegte Zeit, in der es zu allerlei gravierenden wissenschaftlichen Fortschritten in unterschiedlichen Bereichen kam. Insbesondere die Eisenbahn machte in diesen Jahrzehnten eine bahnbrechende Entwicklung. Im Klappentext heißt es „Eine Generation zwischen Technik und Tradition“, und das trifft es sehr gut, denn Deutschland ist in Aufbruchsstimmung.
Im Mittelpunkt der Handlung stehen zwei
Freunde: Alvin von Briest, ein preußischer Junker, der sich der
traditionellen Erbfolge beugen muss und als Zweitgeborener keine
Aussicht auf das väterliche Gut hat. Als er durch ungewöhnliche
Umstände Paul Baermann kennenlernt, wird eine enge Freundschaft
daraus. Paul ist vom Fortschritt fasziniert und engagiert sich
leidenschaftlich für die Eisenbahn.
Bald bringt eine junge Frau Unruhe in
diese Freundschaft, denn beide Männer verlieben sich in die
Französin Louise Ferraud. Louise hat eine bewegte Vergangenheit und
setzt sich mit ganzer Kraft für den Frieden und für Gerechtigkeit
ein. Sie ist schön und klug, nur hat sie einen „Fehler“, sie
kann sich nicht zwischen Alvin und Paul entscheiden.
Mit 1047 Seiten hat dieser Wälzer
einiges an Spannung und Lesevergnügen zu bieten. Neben der fiktiven
Handlung bietet das Buch auch viel Wissen über die Bismarckzeit,
denn auch der hochrangige Staatsmann spielt eine gravierende Rolle in
der Geschichte, und sein realer Lebensweg wird stark in die Handlung
einbezogen.
Es sind zum Teil dramatische Ereignisse
und Entwicklungen, die einen großen Raum im Roman einnehmen und mich
sehr gefesselt haben. Die Protagonisten haben viele Schicksalsschläge
einzustecken und müssen sich immer wieder neu im Leben orientieren.
Aber es gibt auch einige Längen im Buch, die meinen Lesefluss immer
wieder ausgebremst haben. Manche Schilderungen hätten mir weniger
ausführlich ausgereicht.
Die Charaktere sind eindrucksvoll
dargestellt, und die detaillierten Beschreibungen ließen lebendige
Bilder vor meinem geistigen Auge entstehen.
Was meine Begeisterung angeht, so
bleibt dieser Band jedoch hinter anderen Werken des Autors, die ich
bisher gelesen habe, etwas zurück. Es sind Kleinigkeiten, die das
ausmachen, beispielsweise bin ich mit Louise nicht warm geworden. Sie
ist einerseits eine tolle, intelligente Frau, die großen Einsatz
leistet, und es ist auch nicht so, dass ich unfehlbare Charaktere
erwarte, ganz im Gegenteil, denn vielfältige, mehrdimensionale Charaktere bringen erst die „Würze“ in
einen Roman, aber Louises Wankelmütigkeit in Sachen Liebe und das
beschriebene Arrangement gingen so weit, dass es mit zuletzt genervt
hat.
Insgesamt hat mir das Buch jedoch
wirklich gut gefallen, und auch wenn ich kleinere Kritikpunkte hatte,
wird mich das nicht davon abhalten, auch den Folgeband zu lesen.
⭐⭐⭐⭐
Schöne Rezension, sehr ausgewogen. Und 1047 Seiten... huy... Ich bin zwar auch kein Waisenknabe mit über 600 S. im letzten Buch, aber bei der Länge sollte dann auch praller Inhalt drin sein. Da hat, muss man vermuten, wohl das Lektorat zu zögerlich gestrichen. Schade, wenn dann der Lesefluss versiegt. Wie sagte mal Saint-Exupery? Perfekt wird es nicht, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern wenn man nichts mehr wegstreichen kann. ;)
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Jürgen