Der englische Botaniker, von dem
dieser Roman handelt, ist kein geringerer als Robert Fortune, der
1843, im Auftrag der Royal
Horticultural Society, China bereiste,
um seltene Pflanzen, insbesondere wundervolle Päonien und den
kostbaren Tee, nach Europa zu bringen.
In
England lässt er seine Frau Jane und zwei Kinder zurück, als er zu
diesem großen Abenteuer aufbricht.
Anfangs
hat Robert Fortune große Schwierigkeiten, sich in diesem fernen Land
zurecht zu finden und die Mentalität der Menschen zu verstehen, die
so ganz anders ist als in seiner Heimat. Bald lernt er das
Schwertmädchen Lian kennen und ist fasziniert von dieser
geheimnisvollen jungen Frau, die ihm das Leben rettet. In Gesprächen
nähern sie sich an, und Fortune erhält durch Lian ein völlig neues
Verständnis von China vermittelt. Durch sie beginnt er, die Menschen
dieses Landes und ihre Einstellung besser zu verstehen. Aber auch
Lian gewinnt, durch die Gesellschaft des ernsten, sanftmütigen
Botanikers, unerwartet ganz neue Erkenntnisse über die westlichen
„Barbaren“.
Beide
profitieren von der Gesellschaft des jeweils anderen; Lian und
Fortune scheinen mit einem unsichtbaren, starken Band verbunden.
Hoch oben in den Bergen, wo der beste Tee wächst, öffnen sie sich
gegenseitig ihre Seele und ihr Herz.
Der
Roman ist vor einem realen Hintergrund erschaffen, denn Robert
Fortune und seine Frau Jane haben tatsächlich gelebt. Der
schottische Gärtner und Pflanzenforscher unternahm einige Reisen in
das Reich der Mitte, und wir haben ihm viele wundervolle Pflanzen zu
verdanken, die für uns heute selbstverständlich sind, die aber erst
der Forschungsreisende aus China mitgebracht hat. Durch Fortunes
Schmuggel von Teepflanzen nach Indien verlor China damals sein
Monopol, und wir können heute die Tees aus einer Vielfalt von
Anbaugebieten verschiedener Länder genießen.
Lian
dagegen ist ein fiktiver Charakter, eine starke junge Frau, die
zugleich etwas Ätherisches, Geheimnisvolles an sich hat. Zeitweise
schließt sie sich der kleinen Reisegesellschaft um Robert Fortune
an, um dazwischen immer wieder ohne Abschied zu verschwinden. Auch
bei Fortunes sonstigen Erlebnissen hat die Autorin ihrer Phantasie
freien Lauf gelassen. Aus einer gelungenen Mischung von wahren und
fiktiven Elementen ist ein wundervoller Roman entstanden, den ich mit
großem Genuss gelesen habe.
Es
ist eine eher ruhige und zugleich eindrucksvolle Geschichte, passend
zu der immer ein wenig unergründlichen Atmosphäre, die das Land für
seine Besucher bereit hält und auch zu Fortunes Charakter. Der
Forscher erscheint zeitweise in sich gekehrt und lebt in seiner
eigenen Welt - der Welt der Pflanzen. Ihre Gesellschaft ist ihm meist
genug, bis er Lian kennenlernt. Sie ist eine Kämpferin für
Gerechtigkeit, die sich für die Hilflosen und Benachteiligten
einsetzt. Wie sich die Protagonisten erst zaghaft und langsam
annähern, ist wundervoll in Worte gefasst. Nicole C. Vosseler
erzählt hier eine bittersüße Liebesgeschichte, die zu Herzen geht
und zum Träumen einlädt. Aber das ist nur die eine Seite des
Romans, denn da ist nicht nur der einsame Mann, weit entfernt von
seiner Familie, der sich von Lians Ausstrahlung fesseln lässt,
sonder da gibt es ja auch noch die andre Seite, Robert Fortune, den
Biologen und Forscher. Im Roman haben wir Leser die Gelegenheit,
einiges über seine Arbeit zu erfahren. Es fallen viele lateinische
Bezeichnungen zur Flora des Landes, doch die traumhaften Blüten, die
dahinter stehen, werden in so poetischer Weise beschrieben, dass man
automatisch ins Schwärmen gerät, zumindest wenn man sich, so wie
ich, gerne ein wenig näher mit dem interessanten Thema Botanik
befasst.
Neben
Robert Fortune kommen auch immer wieder die beiden starken Frauen zu
Wort, die im wahren und im fiktiven Leben des Protagonisten eine
wichtige Rolle spielen. Da ist einmal Jane, seine Ehefrau, die mit
den gemeinsamen Kindern in England zurück bleibt und auf seine
Rückkehr wartet, die nach und nach aber auch eigene Wege
beschreitet, an der Zeit des Alleinseins wächst, erstarkt und für
sich das Beste daraus macht.
Und
dann ist da das geheimnisvolle Schwertmädchen, einerseits stark und
mutig, aber auch mit geheimen Träumen und Wünschen - Lian, die sich
Fortune auch von ihrer schwachen, verletzlichen Seite zeigt und ihm
eine völlig neue Welt und eine andere Sichtweise eröffnet.
„Der
englische Botaniker“ ist ein vielschichtiger Roman, der mich in
mehrfacher Hinsicht begeistern konnte. Einerseits zeigen Teile der
Handlung sehr realistisch die besondere Situation in China auf, die
zur damaligen Zeit herrschte. So manches, was hier beschrieben ist,
bringt einen auf den Boden der Tatsachen zurück, beispielsweise wenn
man über die Ausmaße und Ursachen des Opiumhandels erfährt oder
von der erschütternden Tradition der Lotosfüße liest. Auch meinem
Wissensdurst wurde Rechnung getragen, denn ich habe sehr viel Neues
erfahren und gestaunt, welche Pflanzen, die uns heute so vertraut
sind, wir Robert Fortune verdanken, diesem ruhigen, sachlichen
Wissenschaftler, der eine Vielfalt pflanzlicher Schönheiten im
fernen Osten gefunden und nach Europa gebracht hat. Besonders hat
mich auch die Geschichte des Tees fasziniert, über die man im Roman
so einiges erfährt.
Es
ist eine Geschichte, die alle Sinne anspricht und zum Träumen
einlädt. Der Schreibstil ist sprachgewaltig und von zarter Poesie,
einfach wunderschön. Mich haben die traumhaften Schilderungen des
Landes, der Menschen und der Flora gefangen genommen und die teils
symbolhaften Darstellungen zum Nachdenken gebracht. Manches hat die
Autorin bewusst offen gelassen, damit man als Leser die Geschichte
weiterspinnen kann. Immer, wenn ich nun eine der im Buch erwähnten
Pflanzen sehe oder eine Tasse chinesischen Tee genieße, werde ich
wieder an diesen wundervollen Roman erinnert und lasse meine Gedanken
zu den Protagonisten schweifen.
😍😍😍😍😍
Huhu!
AntwortenLöschenDa hab ich mir einen wirklich tollen Tipp bei dir geholt!
Wie du gesehen hast, hat mir das Buch auch super gut gefallen! Ich werd mir die beiden anderen Rezis zu den Büchern der Autorin auch gleich mal anschauen :)
Liebste Grüße, Aleshanee