Die Holunderschwestern Teresa Simon Heyne Verlag ISBN 978-3453419230 |
In der Rahmenhandlung geht es um die
Restauratorin Katharina Raith, die zusammen mit ihrer Partnerin und
besten Freundin Isi eine gut gehende Werkstatt betreibt. In ihrer
Freizeit kocht Katharina sehr gerne, bevorzugt Gerichte aus der
alten, handgeschriebenen Kladde, in der ihre Urgroßmutter Fanny ihre
Rezepte und persönlichen Tipps aufgeschrieben hat. Franziska Raith,
wie Fanny eigentlich hieß, hatte in jungen Jahren ihre Heimatstadt
Weiden verlassen und war nach München gegangen, wo sie als Köchin
arbeitete.
Eines Tages steht ein fremder junger
Engländer vor Katharinas Tür. Alex Bluebird, wie er sich vorstellt,
hat einige alte Fotos dabei und das Tagebuch von Fanny. Katharina ist
völlig verblüfft und kann sich gar nicht vorstellen, wie das
Tagebuch ihrer Urgroßmutter nach England gekommen sein soll.
Neugierig beginnt sie zu lesen.
Zusammen mit Katharina tauchen wir,
während sie in Fannys Tagebuch liest, in eine andere Zeit ein. Wir
lernen Fanny kennen, als sie mit dem Zug nach München unterwegs ist.
Während der Fahrt macht sie Bekanntschaft mit einer jüdischen
Familie und freundet sich mit der Tochter Alina an. Es ist nicht
leicht für die junge Frau, in München Fuß zu fassen, aber als
Fanny ihren Arbeitsplatz als Weißnäherin verliert, nimmt die
Familie Rosengart sie als Köchin bei sich auf. Sie verbringt eine
glückliche Zeit bei Alina, die ihr zur besten Freundin wird und
deren Familie. In der großen Stadt fühlt sie sich wohl, und bald
kommt sie auch in Kontakt mit Münchner Künstlerkreisen und kocht
für sie so manches Festessen. Eines Tages steht Fannys
Zwillingsschwester Fritzi vor der Tür. Auch sie möchte in München
bleiben und eine Anstellung finden. Es brechen schwierige Zeiten an,
und einige tragische Ereignisse sowie Fritzis Eifersucht entfernen
die Zwillingsschwestern immer mehr voneinander. Aber wie Fanny es
ausdrückt: Es geht nicht mit ihr, aber auch nicht ohne sie.
Gerade die Einblicke in die
Vergangenheit von Katharinas Familie, die man im Roman durch die
detaillierten Schilderungen aus Fannys Tagebüchern erhält, haben
mich fasziniert. Die frühere Handlung spielt im Zeitraum zwischen
den beiden Weltkriegen. Es ist eine Zeit des Umbruchs, die Monarchie
wird abgeschafft und vorübergehend entsteht eine Räterepublik. In
dieser Zeit werden die Nationalsozialisten und ihr Einfluss immer
stärker. Für die Familie Rosengart brechen schwere Zeiten an, denn
Juden sind in München nicht mehr sicher.
Für mich waren die Schilderungen der
damaligen Zeit besonders eindrucksvoll, weil es diverse Parallelen
zwischen Fannys und meiner Familie gibt, denn auch meine Urgroßmutter
war Köchin in München, und einige ihrer Rezepte von damals haben
wir in der Familie bewahrt. Auch musste ich beim Lesen oft an meine
Großeltern denken, die sich ebenfalls im Zeitraum der Handlung
kennengelernt haben. Es sind mir daher immer wieder Details aus alten
Erzählungen zu meiner eigenen Familiengeschichte eingefallen. Der
Erzählstrang über die Vergangenheit hat mich absolut fasziniert,
und mir ging es so wie Katharina mit Fannys Tagebüchern, ich konnte
gar nicht aufhören zu lesen. Spannend fand ich auch die vielen
Details zu Künstlern dieser Zeit, denn Fanny lernt nicht nur Paul
Klee und seine Familie kennen, sondern viele weitere interessante
Menschen, die damals in München gelebt haben. Hier wurde sehr viel
Reales in die Handlung aufgenommen, und die detaillierten
Beschreibungen der Schauplätze tun ein Übriges, den Leser zu
fesseln.
Die Abschnitte, die in der Gegenwart
spielen, sind für mein Empfinden wirklich nur ein netter Rahmen.
Hier hatte ich manchmal den Eindruck, dass die Handlung mit Hilfe
einiger Zufälle, die mir manchmal nicht so ganz glaubwürdig
erschienen, zurechtgebogen wurde. Auch wurden hier im
zwischenmenschlichen Bereich noch ein paar Dramen eingefügt, die für
mein Gefühl unnötig waren, weil sie etwas konstruiert wirkten. Ich
finde, die Tragödien der Vergangenheit hätten völlig ausgereicht.
Leider geht aufs Ende zu alles ziemlich schnell, und einige
Nebenzweige der Handlung verlaufen irgendwo im Nichts. Es klärt sich
nicht alles, und zu manchen Ereignissen hätte ich gerne etwas mehr
erfahren. Trotz meiner kritischen Anmerkungen hat mir der Roman aber
insgesamt ausgesprochen gut gefallen, schon aus dem Grund, weil mich
die Vergangenheit emotional sehr berührt hat. Auch gibt Fanny am
Schluss noch einige bayerische Rezepte preis, und beim Lesen musste
ich schmunzeln, denn alle hätten auch aus dem Kochbuch meiner
eigenen Urgroßmutter stammen können.
👍👍👍👍 1/2
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