Sydney Town, New South Wales, 1827:
Einer Verleumdung wegen musste die junge Fanny Byron ihre Heimat
London verlassen. Nach einer langen Seereise hofft sie auf einen
Neuanfang in der Sträflingskolonie. Das wenige Geld, das sie hat,
wird ihr bald nach ihrer Ankunft gestohlen, so dass sie völlig
mittellos in dem fremden Land steht. In ihrer Not geht sie auf das
zweifelhafte Angebot von Montague Severin ein, der ihr und ihrer
kleinen Stiefschwester ein Zuhause verspricht, wenn Fanny für ihn
arbeitet. Sie soll in seinem Spielclub dafür sorgen, dass die dort
verkehrenden reichen Männer möglichst viel Geld im Glücksspiel
einsetzen. Er bezeichnet Fanny als seine Muse und stellt immer höhere
Ansprüche an sie, als er merkt, dass ihr die Männerwelt zu Füßen
liegt. Unter dem Künstlernamen Vianna Francis steigt sie zur „Venus
von Sydney“ auf, aber sie zahlt dafür einen hohen Preis. Severin
verlangt immer mehr von ihr und hat immer ausgefallenere Wünsche.
Zudem hat er ihr Daisy weggenommen, und Vianna weiß nicht, wo ihre
Stiefschwester ist. Vianna genießt einerseits das luxuriöse Leben,
aber sie kommt sich auch wie Severins Gefangene vor. Unter ihrer
rasch wachsenden Verehrerschar befinden sich zwei junge Männer, die
sich auf den ersten Blick in die schöne Frau verliebt haben. Es
gelingt den beiden, Vianna aus ihrem „goldenen Käfig“ zu
befreien, aber die Folge sind immer neue Feindseligkeiten und Kämpfe
zwischen den Halbbrüdern.
Das Leben in diesem Teil Australiens zu
Beginn des 19. Jahrhunderts ist sehr anschaulich und lebendig
geschildert. Gerade die landestypischen Details und Eigenheiten
kommen gut zur Geltung. Im Grunde genommen geht es im Roman zum
einen um Fannys (Viannas) Schicksal, aber zugleich ist es eine
Familiengeschichte, die hier erzählt wird, denn Felix und Mungo, die
beiden Söhne des reichen Kentigern L'Estrange spielen beide eine
tragende Rolle in ihrer Rivalität um Vianna, ihre gemeinsame große
Liebe. Felix hat hier anscheinend die besseren Karten, denn er
besitzt Geld, während sein Halbbruder Mungo, als Kentigerns Bastard,
weder Besitz noch einen guten Namen vorweisen kann. Seinen Ruf hat
er ein paar Jahre zuvor verloren, als er wegen eines unlauteren
Geschäfts eine Haftstrafe in der Sträflingssiedlung Moreton Bay,
unter dem brutalen Regiment von Captain Patrick Logan, verbüßen
musste. Die unmenschliche Haft hat Spuren an seinem Körper und
seiner Seele hinterlassen, und er wird von schweren Albträumen
gequält.
Die Dreiecksbeziehung zwischen den
Brüdern und Vianna nimmt für meinen Geschmack einen fast zu großen
Raum im Roman ein. Das ist ein ständiges Hin und Her und könnte
durchaus etwas kürzer erzählt werden. War die Geschichte anfangs
noch sehr interessant, so zog es sich doch im Mittelteil gewaltig in
die Länge. Auch blieben die meisten Charaktere ein wenig flach und
blass. So richtig konnte ich mich mit kaum einem der Protagonisten
anfreunden. Severin ist ein richtiger Unsympath, der nur auf seinen
Nutzen sieht und dafür über Leichen geht. Obwohl Vianna mit der
Zeit seinen miesen Charakter erkennt, trifft sie im Lauf der Handlung
Entscheidungen, die ich nicht nachvollziehen konnte. Sie machte auf
mich einen etwas oberflächlichen Eindruck, denn Luxus und Reichtum
scheinen ihr wichtiger zu sein als große Gefühle, und sie gibt sich
gerne kapriziös. Felix kam mir oft vor wie ein verwöhnter kleiner
Junge, der alles vom Leben beansprucht, aber eigentlich nicht weiß,
was er wirklich will. Kentigern und seine Frau spielen zwar
durchgehend eine Rolle, die auch wichtig ist, und doch blieben sie
mir fremd. Eigentlich waren es drei Personen, die mir die Geschichte
dann bis zuletzt schmackhaft gemacht haben. Da ist einmal Dr.
Alexander Gordon, den Mungo in Moreton Bay kennenlernt und der ihm
ein guter Freund wird. Auch Jane Quayle, Mungos Mutter, war mir sehr
sympathisch, eine tatkräftige Frau mit Herz und Verstand, und nicht
zuletzt Mungo. Er ist für mich die stärkste Figur in der
Geschichte, ein vielschichtiger, natürlicher und interessanter
Charakter, mit Stärken aber auch mit Schwächen. Sein Schicksal,
seine Entwicklung und seine Pläne haben mir das Buch bis zum Schluss
lesenswert gemacht. Aus seiner Sicht erfährt man von den Zuständen
im Gefangenenlager, unter Logan, der ja eine der realen historischen
Personen im Buch ist. Aber durch Mungos Augen entdeckt man auch die
Schönheiten der Landschaft und der Natur Australiens. Ihm ist es
auch zu verdanken, dass ich bis zuletzt durchgehalten und dem Roman
letztendlich doch noch vier Sterne gegeben habe.
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