Bagdad 794: Der Kalif Harun al Raschid ist dem deutschen
Herrscher, der uns heute als Karl der Große bekannt ist, in inniger
Freundschaft verbunden. Im Bestreben, den nordischen König beim Bau seiner Pfalzkapelle
in Aachen zu unterstützen, schickt er ihm seinen besten Baumeister. Yussuf Ibn
Yakub bricht zu eine langen Reise auf; in seiner Begleitung befindet sich Ezra,
seine Tochter, die jedoch von klein auf in die Rolle eines Jungen schlüpfen
musste, um dem Vater den gewünschten Sohn zu ersetzen und ihn mit ihren
genialen Bauzeichnungen unterstützen zu können.
Eine gewaltige, steinerne Kuppel zu wölben, ist ihre Vision,
die sie jedoch nur in der Verkleidung, als „Architectulus“, verwirklichen kann.
In Aachen angekommen lernt sie Lucas, den Sohn des Baumeisters Odo von Metz
kennen. Ihre wachsende Zuneigung zu ihm
gefährdet ihre Tarnung und bringt ihren Lebenstraum in Gefahr.
Die historische Grundlage zu
Martina Kempffs neuem Roman ist ein Bauwerk, das seit 1978, als erstes in
Deutschland, zum UNESCO Weltkulturerbe erhoben wurde, der Aachener Dom. Zudem
jährte sich heuer im Januar der Todestag Karls des Großen zum 1200. Mal, ein
guter Anlass, sich über diese berühmte Figur der Weltgeschichte, seine
Herrschaft und seine Pläne Gedanken zu machen und ihm einen Roman zu widmen.
Man erfährt viel über diesen facettenreichen Herrscher, der für seine Zeit zum
Teil erstaunlich fortschrittliche Ansichten hatte.
Aber die eigentliche Hauptperson
der Geschichte ist Ezra, eine schöne und kluge junge Frau aus Bagdad, die ihre
Weiblichkeit versteckt und verstummt, um nicht entdeckt zu werden. Ich war
hingerissen von der jungen Heldin, die sich so vielen Schwierigkeiten ausgesetzt
hat, um ihr Ziel zu erreichen. Wenige wissen von ihrer wahren Identität, manche
ahnen es, aber die meisten erkennen nur, was sie sehen wollen, einen stummen
und ein wenig seltsamen jungen Bauzeichner, der seinen Vater beim Bau der
Pfalzkapelle unterstützt, denn der Kaiser verlangt schier Unmögliches. Er
möchte seine Kapelle von einer riesigen Kuppel gekrönt sehen, die für ihn nur
der erfahrene Yussuf Ibn Yakub und sein Sohn Ezra bauen können. Ein realer Bau
und eine phantastische Möglichkeit, wie er hätte entstanden sein können, werden
hier in einer atemberaubenden, fesselnden Geschichte dargestellt, die mich in
ihrer Detailtreue der Schilderungen begeistert hat. Man kann die Planung und
die Baufortschritte gut mitverfolgen. Hervorragend recherchiert bringt einem
dieser wunderbare Roman den historischen Ursprung eines Bauwerks nahe, das bis
heute nichts von seiner Rätselhaftigkeit und Faszination eingebüßt hat. Ich
kenne den imposanten Aachener Dom nur aus Erzählungen und von Fotografien, die
mich fasziniert und beeindruckt haben. Die Geschichte hat in mir den dringenden
Wunsch geweckt, die Schönheiten des Gebäudes selbst vor Ort zu bestaunen.
Nicht nur die Beschreibung der
eindrucksvollen Bauweise mit orientalischem Einfluss erzeugt hier den Zauber
von 1001 Nacht, sondern es sind die weisen Sprüche, teils aus dem Talmud und
Suren aus dem Koran, die häufig in die Handlung eingebunden sind und das
besondere Flair um Ezra unterstreichen. Zudem beginnt jedes Kapitel mit einem
passenden Zitat aus den Erzählungen von 1001 Nacht, das den Leser auf die
folgenden Ereignisse einstimmt.
Geschildert ist ein fiktives
Schicksal, das mich eigentümlich berührt hat und durch den realen Hintergrund
und die eingeflochtenen Episoden, die aufgrund von Ausgrabungen und wirklichen Ereignissen
entstanden sind, sehr lebendig wirkt.
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