Sonntag, 4. September 2016

Die Salbenmacherin und der Bettelknabe - Silvia Stolzenburg


Nürnberg im Februar 1409: Der elfjährige Waisenjunge Jona ist ein Dieb und Bettler. Kurz nach seiner Ankunft in Nürnberg wird er beim Stehlen erwischt und zu Zwangsarbeit verurteilt. Zusammen mit einem Leidensgenossen kann er fliehen und streunt halb verhungert und frierend durch die Stadt. Als ihn ein Mann anspricht und eine leichte Anstellung sowie eine Unterkunft und Verpflegung anbietet, kann er nicht widerstehen und sagt zu. Angeblich soll er nur eine kleine Gefälligkeit dafür erledigen. Aber ehe er sich versieht, steckt er in großen Schwierigkeiten, denn er ist in eine sehr dubiose Sache hinein geraten. Zu spät erwacht Jonas Misstrauen gegenüber seinem Auftraggeber, und er endet schwer verletzt in einem Hinterhof. Dort findet ihn die Salbenmacherin Oliviera und gerät ebenfalls in große Gefahr.


Dies ist der zweite Band und damit der Nachfolger des Romans „Die Salbenmacherin“. Die optische Gestaltung ist hervorragend auf den ersten Teil abgestimmt, und die beiden Bücher bilden eine harmonische und sehr schöne Einheit im Regal.
Endlich können wir das Schicksal von Oliviera weiter verfolgen, die ein Jahr zuvor ihre Heimat Konstantinopel verlassen hatte und nach Tübingen gereist war. Ich möchte nicht zu viel verraten und gehe daher gar nicht tiefer auf die Handlung und das private Umfeld der Protagonistin ein. Nur so viel: Oliviera lebt nun in Nürnberg und ist dabei, sich eine neue Existenz aufzubauen.
Es ist nicht unbedingt notwendig, den ersten Band gelesen zu haben, denn die wesentlichen Fakten zu früheren Ereignissen lässt Silvia Stolzenburg zwischendurch gekonnt in die Handlung einfließen, so dass man sich stets gut zurecht findet, und die Geschichte um den Waisenjungen Jona findet hier erst ihren Anfang. Aber ich empfehle doch, zuerst „Die Salbenmacherin“ zu lesen, denn das erhöht den Lesegenuss und sorgt auch für ein noch besseres Verständnis der Zusammenhänge.
Der neue Roman ist wieder spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Auch diesmal gibt es einen düsteren, leicht gruseligen Hintergrund. Auf Oliviera warten neue Probleme und Herausforderungen, und die Schatten der Vergangenheit lauern auch hier in der Stadt, die sie als ihre neue Heimat gewählt hat. Alle Charaktere, die in der Geschichte agieren, sind vielschichtig dargestellt und nicht immer leicht durchschaubar. Die Autorin versteht es meisterhaft, unheimliche Szenen sehr plastisch zu schildern, was einem beim Lesen häufig eine Gänsehaut beschert. Mir hat hier besonders gut gefallen, dass die Geschichte in Nürnberg spielt und die Schauplätze so ausführlich gezeichnet sind. Nürnberg ist eine Stadt, die ich häufig und gerne besuche, und in diesem Roman konnte ich im Geiste durch die Gassen wandern. Viele der beschriebenen Ecken waren mir vertraut, weil ich sie aus heutiger Sicht kenne. Auch wenn sich das Stadtbild natürlich sehr gewandelt hat, konnte ich mir die ganze Handlung noch viel besser vorstellen, denn die alten Gebäude sind ja noch vorhanden.

Ich mag den Schreibstil der Autorin sehr gerne, denn er ist flüssig, dabei aber nicht oberflächlich, sondern sehr eindrucksvoll. Jedenfalls war ich wieder ganz im Bann der turbulenten Ereignisse. Viel zu schnell war ich auf der letzten Seite des Buches angekommen. Aber für alle, denen es ebenso erging, hat die Autorin eine gute Nachricht; es wird eine Fortsetzung geben. Darauf freue ich mich schon sehr, denn die historischen Romane von Silvia Stolzenburg sind gut recherchiert und versprechen immer wieder ein fesselndes Lesevergnügen der Extraklasse.



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