Nürnberg im Februar 1409: Der
elfjährige Waisenjunge Jona ist ein Dieb und Bettler. Kurz nach
seiner Ankunft in Nürnberg wird er beim Stehlen erwischt und zu
Zwangsarbeit verurteilt. Zusammen mit einem Leidensgenossen kann er
fliehen und streunt halb verhungert und frierend durch die Stadt. Als
ihn ein Mann anspricht und eine leichte Anstellung sowie eine
Unterkunft und Verpflegung anbietet, kann er nicht widerstehen und
sagt zu. Angeblich soll er nur eine kleine Gefälligkeit dafür
erledigen. Aber ehe er sich versieht, steckt er in großen
Schwierigkeiten, denn er ist in eine sehr dubiose Sache hinein
geraten. Zu spät erwacht Jonas Misstrauen gegenüber seinem
Auftraggeber, und er endet schwer verletzt in einem Hinterhof. Dort
findet ihn die Salbenmacherin Oliviera und gerät ebenfalls in große
Gefahr.
Dies ist der zweite Band und damit der
Nachfolger des Romans „Die Salbenmacherin“. Die optische
Gestaltung ist hervorragend auf den ersten Teil abgestimmt, und die
beiden Bücher bilden eine harmonische und sehr schöne Einheit im
Regal.
Endlich können wir das Schicksal von
Oliviera weiter verfolgen, die ein Jahr zuvor ihre Heimat
Konstantinopel verlassen hatte und nach Tübingen gereist war. Ich
möchte nicht zu viel verraten und gehe daher gar nicht tiefer auf
die Handlung und das private Umfeld der Protagonistin ein. Nur so
viel: Oliviera lebt nun in Nürnberg und ist dabei, sich eine neue
Existenz aufzubauen.
Es ist nicht unbedingt notwendig, den
ersten Band gelesen zu haben, denn die wesentlichen Fakten zu
früheren Ereignissen lässt Silvia Stolzenburg zwischendurch gekonnt
in die Handlung einfließen, so dass man sich stets gut zurecht
findet, und die Geschichte um den Waisenjungen Jona findet hier erst
ihren Anfang. Aber ich empfehle doch, zuerst „Die Salbenmacherin“
zu lesen, denn das erhöht den Lesegenuss und sorgt auch für ein
noch besseres Verständnis der Zusammenhänge.
Der neue Roman ist wieder spannend von
der ersten bis zur letzten Seite. Auch diesmal gibt es einen
düsteren, leicht gruseligen Hintergrund. Auf Oliviera warten neue
Probleme und Herausforderungen, und die Schatten der Vergangenheit
lauern auch hier in der Stadt, die sie als ihre neue Heimat gewählt
hat. Alle Charaktere, die in der Geschichte agieren, sind
vielschichtig dargestellt und nicht immer leicht durchschaubar. Die
Autorin versteht es meisterhaft, unheimliche Szenen sehr plastisch zu
schildern, was einem beim Lesen häufig eine Gänsehaut beschert. Mir
hat hier besonders gut gefallen, dass die Geschichte in Nürnberg
spielt und die Schauplätze so ausführlich gezeichnet sind. Nürnberg
ist eine Stadt, die ich häufig und gerne besuche, und in diesem
Roman konnte ich im Geiste durch die Gassen wandern. Viele der
beschriebenen Ecken waren mir vertraut, weil ich sie aus heutiger
Sicht kenne. Auch wenn sich das Stadtbild natürlich sehr gewandelt
hat, konnte ich mir die ganze Handlung noch viel besser vorstellen,
denn die alten Gebäude sind ja noch vorhanden.
Ich mag den Schreibstil der Autorin
sehr gerne, denn er ist flüssig, dabei aber nicht oberflächlich,
sondern sehr eindrucksvoll. Jedenfalls war ich wieder ganz im Bann
der turbulenten Ereignisse. Viel zu schnell war ich auf der letzten
Seite des Buches angekommen. Aber für alle, denen es ebenso erging,
hat die Autorin eine gute Nachricht; es wird eine Fortsetzung geben.
Darauf freue ich mich schon sehr, denn die historischen Romane von
Silvia Stolzenburg sind gut recherchiert und versprechen immer wieder
ein fesselndes Lesevergnügen der Extraklasse.
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