London
im Jahr 1894:
Eigentlich
sollte es ein schöner Abend werden, den Inspector Swanson mit seiner
Ehefrau im Londoner Adelphi Theater verbringen wollte, als
Entschädigung für seine häufige berufliche Abwesenheit. Aber dann
kommt alles ganz anders. Nur durch Swansons beherztes Eingreifen
entrinnt der berühmte Entfesselungskünstler Van Dyke knapp dem
Tode. Swanson wird hellhörig, als er erfährt, dass dies nicht der
erste Unglücksfall war, der sich im Kreis der engagierten
Zauberkünstler ereignet hat. Der Inspector wittert einen
Mordanschlag auf Van Dyke und stürzt sich gleich in die
zeitraubenden Ermittlungen, wodurch Mrs. Swansons Geduld wieder auf
eine harte Probe gestellt wird...
Zauberkunststücke
sind seine Passion, und so ist dieser neue Fall für Inspector
Swanson eine besondere und sehr interessante Herausforderung. Sein
Wissen über diverse Zauberkunststücke bringt ihm auch sehr schnell
die Erkenntnis, dass es sich bei dem misslungenen Trick Van Dykes
nicht um einen Unfall, sondern um einen Mordanschlag gehandelt hat.
Im
Gegensatz zum zweiten Band, wo wir einen Schritt in der Zeit zurück
gemacht haben, schließt sich dieser hier nun chronologisch an den
ersten an, genau genommen spielt er ein Jahr nach der Geschichte um
den Hope Diamanten. Wie mir schon in den vorherigen Bänden
aufgefallen ist, hat sich die Zusammenarbeit von Swansons
Ermittlungsteam über die Jahre gefestigt; man kann sich aufeinander
verlassen. Besonders gut gefällt mir Sergeant Peter Phelps, Swansons
„rechte Hand“, uein junger Mann, der zwar manchmal etwas
unbedarft wirkt, aber oft recht pfiffige Bemerkungen zum Besten gibt.
Auch Frederic Greenland, ein wohlhabender Lebemann, der sich manchmal
ein wenig langweilt und daher gerne für Swanson undercover
ermittelt, ist diesmal wieder mit von der Partie.
Sehr
detailliert geschildert und dadurch immer ein wenig schaurig sind die
Besuche beim forensischen Team der Londoner Kripo. Es ist
faszinierend, was damals, mit eher einfachen Methoden, schon alles
herausgefunden werden konnte.
Ein
Roman von Robert C. Marley, in dem man keine „alten Bekannten“
wieder trifft, ist schlicht undenkbar, denn gerade die Begegnungen
mit realen historischen Persönlichkeiten der damaligen Zeit machen
die Story so lebendig. So kann man sich auch diesmal wieder auf
interessante Dialoge mit Oscar Wilde freuen. Der exzentrische
Schriftsteller ist Inspector Swanson mittlerweile freundschaftlich
verbunden, und die Gespräche der beiden Männer werden zum Teil
recht philosophisch. Auch weitere damalige Zeitgenossen finden im
Roman Erwähnung, wie beispielsweise Joseph Merrick, der im
Viktorianischen Zeitalter als „Elefantenmensch“ bekannt war, der
zwar zur Zeit der Geschichte bereits nicht mehr lebte und keinen
wesentlichen Einfluss auf die Handlung hat, in der Erinnerung einer
einsamen jungen Frau jedoch weiterlebt.
Auch
die in einem Kapitel erwähnte sympathische Krankenschwester Edith
Louisa Cavell war eine reale Person mit einem spektakulären
Lebenslauf. Wenn ich an dieser Stelle Erich Weiß erwähne, wird das
kaum jemandem etwas sagen, denn im Roman ist er noch ein junger
Laufbursche, aber später machte er sich als Harry Houdini einen
Namen in Magierkreisen.
Ich
liebe es, in Romanen derart starke Verbindungen zur Wirklichkeit zu
finden und die Fäden zu verknüpfen, indem ich mir Quellen für
weitere Informationen suche, die über die eigentliche Handlung
hinaus gehen. In diesem Fall ist auch der Schauplatz authentisch,
denn auch das Adelphi Theatre existiert tatsächlich, und betrachtet
man alte Bilder, so fühlt man sich direkt in der Zeit
zurückversetzt.
Die
außergewöhnliche und sehr schöne Aufmachung des Buches rundet das
Ganze gekonnt ab, denn der Krimi besteht aus vier großen Teilen,
deren Anfang jeweils ein Vorsatzblatt mit Zitaten großer
Zauberkünstler bildet, auf dem der Elizabeth Tower des Big Ben immer
ein Stück weiter in den Blickpunkt rückt. Die Anfänge der
einzelnen Kapitel schmückt jeweils die kleine Illustration einer
alten Gaslaterne.
Mit
seiner großen Nähe zur realen Vergangenheit, mit hintergründigem,
manchmal etwas spöttischem Humor und faszinierenden Verflechtungen
in der Handlung war der dritte Krimi um Inspector Swanson wieder ein
absoluter Lesegenuss für mich.
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