Dienstag, 12. Juli 2016

Im Spiegel ferner Tage - Kate Rjordan

London 1932: Nach einer kurzen Affäre mit einem verheirateten Mann ist die 21-jährige Alice schwanger. Ihre Mutter ist auf den Ruf der Familie bedacht und arrangiert für die kommenden Monate einen Aufenthalt auf Fiercombe Manor im malerischen Gloucestershire. Dort wird Alice die Zeit bis zur Geburt ihres Kindes verbringen, welches anschließend zur Adoption freigegeben werden soll.
Bei ihrer Ankunft ist Alice gleich fasziniert von dem alten Anwesen. Schon bald entdeckt sie Spuren der früheren Besitzer, und ihre neugierigen Nachforschungen konfrontieren sie mit dem Schicksal der vormaligen Gutsherrin Elizabeth. Auf eigenartige Weise fühlt sich Alice mit der unbekannten Frau verbunden, als sie deren altes Tagebuch findet.


Die Handlung dieses Romans verläuft parallel in zwei Zeitsträngen. So verfolgt man einmal die Ereignisse zur Zeit von Alice, die 1932 auf Fiercombe Manor ankommt und einige Monate dort verbringt. Die Rückblicke führen den Leser ungefähr 34 Jahre in die Vergangenheit, zum Ende des 19. Jahrhunderts, als Elizabeth mit ihrer Familie dort lebte. Aus deren Tagebucheinträgen geht hervor, dass auch sie schwanger war, und unwillkürlich zieht Alice Vergleiche zu damals. Sie möchte gerne mehr über Elizabeth und ihr Schicksal erfahren.
Die Atmosphäre des alten Hauses wird recht unheimlich geschildert, und Alice hat so einige Erlebnisse, die auf mich jedoch irgendwie gestellt wirkten, um dem Anwesen einen gewissen Gruselfaktor zu verleihen. Es ist nicht recht klar, ob die Phänomene wirklich passieren oder ob Alice sie sich einbildet bzw. zu viel in Zufälle hinein interpretiert.
Ansonsten passiert nichts Aufregendes, und ich muss gestehen, dass sich die erste Hälfte des Romans für mein Empfinden ziemlich in die Länge zog. Später wird die Handlung etwas interessanter, und im letzten Drittel des Buches haben mich die Ereignisse dann doch packen und zumindest streckenweise mitreißen können.
Das Thema, welches hier im weiteren Sinn behandelt wird, ist ja eigentlich auch recht interessant. Es geht hauptsächlich um die Situation der Frauen zur Jahrhundertwende und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Gerade diversen besonderen Befindlichkeiten in der Schwangerschaft und danach wurde damals ein falsches oder oft auch gar kein Verständnis entgegengebracht. Was uns heute als Wochenbettdepression bekannt ist und wovon viele Frauen nach der Geburt betroffen sind, wurde als ein Anfall von Wahnsinn angesehen, kam damals fast einer Katastrophe gleich und hinterließ einen Makel, der nicht nur auf dem Ruf der betroffenen Frau lastete, sondern auch auf dem der ganzen Familie. Die Behandlungsmethoden waren nicht dazu angetan, es den Betroffenen leichter zu machen oder ihren Zustand zu bessern.

So richtig nahe bin ich den Protagonisten aus dem älteren Zeitstrang leider nicht gekommen. Sie blieben für mich blass und irgendwie seelenlos. Besonders Elizabeths Mann fand ich sehr irritierend, denn einerseits war er übertrieben eifersüchtig, dann wieder hatte ich den Eindruck, dass ihm eigentlich gar nichts an seiner Frau liegt, sondern dass er nur auf einen männlichen Nachfahren hoffte. Ganz und gar nicht nachzuvollziehen war für mich der letzte Satz des Klappentextes, nach dem Alice bei ihrer Spurensuche eine große Liebesgeschichte und einen schlimmen Verrat entdeckt. Beides habe ich vergeblich gesucht.

Mit der Gesamtbeurteilung dieses Romans tue ich mir ein wenig schwer, denn die Abschnitte um Elizabeth konnten mich so gar nicht überzeugen. Hier kommt noch dazu, dass es viele Zeitsprünge gibt und man oft nicht weiß bzw. erst wieder überlegen muss, in welcher Reihenfolge sich die Ereignisse abgespielt haben könnten.
Mit Alice und ihrer Geschichte erging es mir besser. Sie konnte ich gut verstehen, lässt man so einige unvernünftige Aktionen außer Acht, die meiner Meinung nach nur eingeflochten wurden, um die Geschichte mit mehr Spannung zu versorgen. Die Erzählung in diesem Zeitstrang erfolgte chronologisch nachvollziehbar, aber auch hier plätscherte die Handlung weitgehend gleichförmig dahin; es war nicht allzu viel geboten.

Der Schreibstil ist flüssig und eingängig, so dass sich das Buch eigentlich leicht lesen lässt. Ich muss jedoch gestehen, dass ich mich durch einen großen Teil des Buches mehr schlecht als recht hindurch geschleppt habe, weil es kaum Höhepunkte gab. Die letzten Abschnitte haben mich dann wieder ein wenig mit dem Roman versöhnt, aber insgesamt hat er mir allenfalls mittelmäßig gefallen.




1 Kommentar:

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