Lady Gloria Wingfield befindet sich
zusammen mit ihrer Großtante Lady Blythe auf einer Reise durch
Italien. Sie hofft, unterwegs von ihrer Trauer um den toten Geliebten
abgelenkt zu werden und ihren trübsinnigen Gedanken zu entkommen.
Kurz vor Verona wird ihre Kutsche von einer jungen Italienerin,
Francesca Bertani, aufgehalten, die völlig außer sich ist. Sie
berichtet den beiden englischen Damen, dass es ein Duell zwischen
zwei jungen Männern gegeben hat, wobei einer getötet wurde. Der
andere, ihr Verlobter Giulio, ist seitdem spurlos verschwunden.
Francesca glaubt jedoch fest an seine Unschuld. Gloria fühlt sich
vom Kummer der jungen Frau berührt und an ihr eigenes Schicksal
erinnert und beschließt, in der Sache Nachforschungen zu betreiben.
Eine Reisebekanntschaft der Damen, der arrogante Lord Alexander
Lyndon, kommt zufällig ebenfalls am Ort des Geschehens vorbei und
mischt sich sofort ein. Von seiner selbstherrlichen Art fühlt sich
Gloria zusehends genervt, hält er doch ihr Engagement in der
Angelegenheit für töricht und für eine Dame unpassend.
Dementsprechend versucht er, ihr Vorschriften zu machen.
Aber da ist er bei Gloria an der
falschen Stelle. Mit Intelligenz und viel Charme nimmt sie dem
rechthaberischen Gentleman den Wind aus den Segeln. Ein Gespräch,
das nicht für seine Ohren bestimmt ist, das er aber zufällig mit
anhört, führt Lord Lyndon sein eigenes borniertes Verhalten vor
Augen.
Letztendlich geben beide ihre
Vorbehalte dem anderen gegenüber auf und unternehmen gemeinsam
Nachforschungen zu dem mysteriösen Todesfall. Sowohl Gloria als auch
Lord Lyndon erkennen, dass sie sich bei ihrer Einschätzung des
jeweils anderen getäuscht haben und dass sie sich bei ihrer
Recherche eigentlich recht gut ergänzen.
Dieser außergewöhnliche Kriminalroman
entführt die Leser ins schöne Verona zu viktorianischer Zeit. Mit
Gloria und Lord Lyndon hat die Geschichte sehr interessante und
vielschichtige Protagonisten, mit denen man stets neue Überraschungen
erlebt. Von beiden erfährt man zwischendurch immer wieder kleine
Fragmente ihrer Vergangenheit, die sich nach und nach zu einem Bild
zusammensetzen. Auch die weiteren Charaktere sind allesamt sehr
interessant dargestellt, wobei ich besonders Glorias geliebte
Großtante Jo schnell ins Herz geschlossen habe.
Sie und Gloria sind ein sympathisches
Gespann, beide stets elegant, die Etikette wahrend, wickeln sie doch
jeden Mann um den Finger, ohne dass er es wirklich merken würde. Die
Vorgehensweise der beiden Damen und die sich entwickelnden Dialoge
sind amüsant zu lesen, verraten sie doch sehr viel über die
damaligen Umgangsformen. Für Frauen dieses Zeitalters, mochten sie
noch so klug und vernünftig sein, war es schwer, von der
selbstherrlichen Männerwelt anerkannt zu werden. Aber Gloria und Jo
gelingt dies trotz aller Widrigkeiten, und so kommt es, dass Lord
Lyndon seine Überheblichkeit ablegt und Gloria in ihrem Vorhaben
unterstützt, sich näher mit dem Fall zu befassen, um der
verzweifelten Francesca zu helfen, deren Verlobter inzwischen wieder
aufgetaucht ist und nun, des Mordes angeklagt, im Gefängnis sitzt.
Neben der kriminalistischen Geschichte,
in der sich die Polizei nicht gerade mit Ruhm bekleckert, sondern die
Ermittlungen zwei adligen Ausländern überlässt, bringt einem der
Roman die Schönheiten Veronas nahe. Mit Hilfe eines
Baedeker-Reiseführers, den es damals bereits gab, wird man durch die
idyllischen Gassen und zu den verschiedenen Sehenswürdigkeiten
geleitet. Dabei wandelt man auf den Spuren Romeos und Julias, deren
tragisches Schicksal Gloria bei ihren Erkundungen inspiriert.
Ich fand diesen Roman sehr erquicklich
und kurzweilig, und besonders die dem Zeitalter so gut angepasste
Sprache sowie die authentisch dargestellte Lebensart haben mir sehr
gefallen. Mit großem Interesse las ich die Episode und die
ergänzenden Hinweise zur Blumensprache, die es seit dem 18.
Jahrhundert gibt, und es ist schade, dass diese heute kaum noch
bekannt ist, denn ich finde es eine schöne Idee, etwas durch die Blume
auszudrücken.
Viel zu schnell war der Roman zu Ende,
und es hieß, von den Helden der Geschichte Abschied nehmen, wobei
mich die letzten beiden Worte ganz besonders gefreut haben, denn sie lauten:
„Fortsetzung folgt“
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