In einer Klinik in Delhi bringt eine
indische Leihmutter ein Kind zur Welt. Auftraggeber und künftige
Eltern sind ein Paar aus London. Als bei dem Baby festgestellt wird,
dass es HIV-Positiv ist und kurz darauf die Leihmutter spurlos
verschwindet, ist die Bestürzung groß. Aber dies ist noch nicht das
Ende der Tragödie, denn das englische Paar kommt durch einen Unfall
ums Leben. Nun hat die kleine Amelia niemanden mehr; innerhalb
kürzester Zeit ist sie vom Wunschkind zum Problemfall geworden.
Simran Singh nimmt sich der Sache an
und reist nach London, um eventuelle Angehörige des Elternpaars zu
finden, für das Amelia bestimmt war.
Bei ihren Recherchen und ihrem
dringenden Versuch, dem kranken Baby zu helfen, ist es, als würde
die Sozialarbeiterin in ein Wespennest stoßen, denn sie findet ein
Gewirr aus Korruption, Täuschung und Verschleierung der Abläufe,
und sie scheint schlafende Hunde geweckt zu haben. Als auf sie selbst
ein Anschlag verübt wird, kommt ihr die Tragweite des Falls und die
Gefährlichkeit dieses Netzwerks erst so richtig zum Bewusstsein. Wem
kann sie noch vertrauen und wo sitzen die eigentlichen Drahtzieher?
Bei Simran Singhs zweitem Fall habe ich
mir mit dem Einstieg ziemlich schwer getan. Das lag ganz sicher nicht
an der Schreibweise , denn auch dieser Roman ist wieder flüssig
verfasst und sprachlich gut ausgearbeitet. Allerdings war es für
mich sehr gewöhnungsbedürftig, dass die Autorin bei ihrer Erzählung
sehr häufig zwischen Orten und Zeiten hin und her springt. Man
bewegt sich jedoch nicht auf einigen wenigen, überschaubaren
Zeitebenen, sondern die Handlung in der Gegenwart wird immer wieder
von Rückblenden unterbrochen, die einmal 7 Monate, dann 8 Monate,
beim nächsten Mal vielleicht 4 Monate etc. zurückführen und dabei
die Ereignisse an verschiedenen Orten schildern. Ich hatte meine
liebe Mühe, mit dem Tempo der Zeitsprünge mitzuhalten. Erschwerend
kamen die Vielzahl an ungewohnten indischen Namen dazu. Ich muss
gestehen, dass ich nach dem ersten Drittel schon fast aufgeben
wollte, aber ich bin froh, es nicht getan zu haben. Ich habe mich
intensiv auf die Handlung, mit all ihren Besonderheiten,
konzentriert, mir die Zeiten der Kapitel notiert und so dann bis
zuletzt durchgehalten. Was Simran Singh da aufdeckt, macht sprachlos,
denn wie die Autorin im Nachwort versichert, sind zwar ihre
Protagonisten fiktiv, die geschilderten Ereignisse jedoch leider nur
allzu real.
Für mich war das Thema absolutes
Neuland, denn bisher habe ich mich noch nie mit dieser Art von
Erfüllung eines Kinderwunsches befasst. Dass für Leihmutterschaft
inzwischen anscheinend ein starker Markt besteht und auf diesem
Sektor lange nicht alles mit rechten Dingen zugeht, sondern öfter
ins Illegale ausufert, ist eine Folge von Habgier und Größenwahn
der Verantwortlichen. Was in westlichen Ländern verboten ist, lässt
sich in ärmeren Ländern, wie Indien, anscheinend leicht
verwirklichen, denn hier bietet sich gerade für die armen Familien
eine Chance, auf eine bessere finanzelle Situation. Wieder einmal
macht die Autorin auf einen schweren Missstand aufmerksam, der
hauptsächlich die Frauen betrifft, denn deren Lage wird leider oft
ausgenutzt.
Mit ihrer Protagonistin hat die Autorin
zudem einen außergewöhnlichen starken Charakter geschaffen, denn
Simran Singh ist ganz und gar nicht so, wie man sich eine indische
Sozialarbeiterin vorstellt. Sie tritt meist burschikos auf, raucht
und trinkt auch schon gerne mal einen über den Durst, und sie kann
sehr hartnäckig sein, wenn sie ein Ziel verfolgt. Dabei scheut sie
auch die Gefahr nicht, nur wenn sie eine Flugreise unternehmen muss,
reagiert sie panisch. Ihre kleinen Schwächen machen sie sympathisch,
und ich kann mir nur allzu gut vorstellen, wieso Simran Singh bei
indischen Frauen mittlerweile Kult-Status erreicht hat.
Für mich sind die Romane von Kishwar
Desai etwas Besonderes, denn sie liefert nicht nur fesselnde
Krimikost, sondern nimmt sich auch kein Blatt vor den Mund, wenn es
darum geht, Gesellschaftskritik zu üben und sich mutig für die
Frauen Indiens einzusetzen.
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