Bretagne,
Ende 15. Jahrhundert:
Die
17-jährige Ismae entkommt einer erzwungenen Ehe und findet Zuflucht in einem
Kloster, wo noch den alten Göttern gehuldigt wird. Als Novizin erhält sie in
St. Mortain eine Ausbildung, um anschließend im Namen des Todesgottes als
Auftragsmörderin gegen Verräter eingesetzt zu werden. Drei Jahre später soll
sie sich endlich bewähren. Ihre erste große Aufgabe führt sie an den Hof der bretonischen
Herzogin Anne. Hier soll sie mit Kanzler Crunard und dem Edelmann Gavriel Duval
zusammenarbeiten, um die Herzogin vor Intriganten, Verrätern und falschen Ratgebern
zu schützen, denn um der Bretagne die Unabhängigkeit zu bewahren, müsste sich
die Herzogin mit einem Bündnispartner verheiraten. Bald beginnt Ismae, die
Befehle aus dem Kloster zu hinterfragen, da sie immer häufiger an deren
Richtigkeit zweifelt. Sie muss ihren eigenen Weg finden, ob sie den
Aufforderungen der Äbtissin weiterhin unbedingten Gehorsam leisten oder doch
lieber auf ihr Herz hören soll, weil sie feststellt: „Der Pfad meines Herzens
ist mit den Wünschen meines Klosters kollidiert.“ (Zitat von Seite 439).
In diesem
ersten Teil einer Trilogie vereinen sich Fantasy und historischer Roman in perfekter
und harmonischer Weise. Viele Ereignisse der Handlung orientieren sich an den geschichtlichen
Fakten, und neben ihren erdachten Protagonisten hat die Autorin einige
Persönlichkeiten der damaligen Zeit ins Spiel gebracht
Die Geschichte
kommt anfangs nur langsam in Fahrt. Zu Beginn erfährt man erst einiges über
Ismaes Ausbildung im Kloster, über die Aufgaben, die ihr künftig zugedacht
werden und auch über die politischen Gegebenheiten der Zeit. Ismae wird darin
unterwiesen, auf wie vielfältige Weise man einen Menschen töten kann. Für ihren
Einsatz am Hof der Herzogin wird sie vom Kloster nicht nur mit einer
umfangreichen Garderobe, sondern auch mit einem reichhaltigen Waffenarsenal und
verschiedenen Sorten Gift ausgestattet. Größere Probleme hat sie dann bei Hof,
ihren Opfern körperlich näher zu kommen, was sie zwangsläufig muss, um Mortains
Todesmal zu erkennen und ihren Auftrag auszuführen. Auch die enge
Zusammenarbeit mit Duval bereitet ihr Unbehagen, denn die Beiden streiten sich
nicht nur ganz herrlich, sondern es knistert bald auch gewaltig zwischen ihnen.
In Liebesdingen hat Ismae jedoch gar keine Erfahrung, denn das Fach
„Verführungskünste“ hat sie während ihrer Ausbildung häufig geschwänzt.
Die
geradlinige Protagonistin hat sich ganz dem Dienst am Heiligen ihres Klosters
verschrieben und schwankt jedes Mal zwischen Panik und Faszination, wenn
Gavriel Duval ihr näher kommt.
Ismae ist
eine etwas andere Heldin, denn einer Auftragsmörderin ihrer Art begegnet man
nicht sehr häufig, auch nicht in Büchern. Die bildhafte und gewählte
Ausdrucksweise der Ich-Erzählerin hat mir sehr gefallen und fügt sich auch gut
ins Bild des 15. Jahrhunderts. Viele ihrer Äußerungen bergen auch eine gute
Portion schwarzen Humor, wenn sie beispielsweise ganz trocken bemerkt: „Ich
tröste mich mit dem Wissen, dass es,
falls Duval sich je von mir erdrückt fühlt, daran liegen wird, dass ich ein
Kissen auf sein Gesicht halte und Mortain seine Seele empfehle. (Zitat von
Seite 232).
Viele humorvolle und auch einige romantische
Passagen vermitteln der Handlung eine gewisse Leichtigkeit, und obwohl man sich
das bei einer Meuchelmörderin kaum vorstellen kann, man muss sie einfach gern
haben, denn im Grunde ihres Herzens ist sie eine verletzliche junge Frau, mit
einer großen Sehnsucht nach Anerkennung und Zuneigung. Ihre Überlegungen und
Erkenntnisse, über ihren Dienst am Todesgott Mortain, und die Schlüsse, die sie
für sich daraus zieht, fand ich dann auch gut und zufriedenstellend.
„Grave Mercy“ spricht die Leser unterschiedlicher
Genres an und hat für verschiedene Interessengruppen etwas zu bieten. Mit der
empfohlenen Altersangabe (ab 12 Jahren) bin ich allerdings nicht so ganz einverstanden,
denn hier geht es zum Teil recht brutal zu, und verschiedene Todesarten werden
sehr ausführlich geschildert. Ich denke aber, für ältere Jugendliche (ca. ab 15
oder 16 Jahren), besonders wenn sie Interesse an historischen Romanen haben, spätestens
aber für junge Erwachsene, ist das Buch lesens- und empfehlenswert.
Band 2 der Trilogie, in dem es um die Novizin Sybella d'Albret gehen wird, von der schon im ersten Buch mehrmals die Rede war, erscheint am 10. Juni 2013:
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