Berlin, zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Bei ihren Auftritten und auf dem Heimweg vom Varieté
Wintergarten fühlt sich die Sängerin Hetti Keller von einem asiatischen Mann
beobachtet und verfolgt. Als er eines Abends wieder auf sie wartet, kommt ihr
der Brite Charles Peter Jackson zur Hilfe und begleitet sie nach Hause. Hetti
fasst gleich Vertrauen zu dem jungen Mann, und es entwickelt sich bald eine
zarte Liebe zwischen den beiden. Als Hettis Mutter jedoch von der Verbindung
erfährt, setzt sie alle Hebel in Bewegung, Charles von ihrer Tochter fern zu
halten. Sie geht so weit, dass sie Hetti zu Verwandten aufs Land schickt, um
sie aus Charles’ Einflussbereich zu schaffen. Der Empfang in Gramstett ist
äußerst frostig. Tante Johanne verhält sich Hetti gegenüber schroff und
abweisend, und Onkel Heinrich lässt sich gar nicht blicken. Der kranke Mann
widmet seine ganze Zeit und Aufmerksamkeit seiner Erfindung im Keller des
Hauses, denn er hat ein Perpetuum Mobile geschaffen. Nur seine Frau und ein
gewisser Professor Regenmacher dürfen zu ihm. Hetti fühlt sich einsam und
verlassen, lediglich ihre Cousine Ida kümmert sich um sie und wird bald zu
ihrer Freundin und Vertrauten.
Mittlerweile sucht Charles nach Hetti. Er hat das ungute
Gefühl, dass ihre Abreise nicht ganz freiwillig war und dass sie in Gefahr sein
könnte.
Die bildhafte, gewaltige und zugleich einfühlsame Sprache
versetzt den Leser sehr gekonnt ins Geschehen und vermittelt ein plastisches
Bild der damaligen Zeit. Hetti ist eine schöne, sensible junge Frau und eine
begnadete Sängerin, ganz anders als die Damen, die Charles bisher gekannt hat.
Sie erscheint ihm wie eine Seelenverwandte. Trotzdem ist er hin- und her gerissen,
zwischen dem Bedürfnis, sich Hetti anzuvertrauen und den Zweifeln, ob sie einen
Mann wie ihn überhaupt lieben könnte. Charles wirkt, trotz seiner Schwindeleien
und nicht immer legalen Aktivitäten, von Anfang an sympathisch. Mit der Zeit
erfährt man dann auch, wieso er überstürzt aus England abgereist ist, und man
kann seine Handlungen besser einschätzen. Dass er Hetti unbedingt finden
möchte, ist nur allzu verständlich. Aber er muss mit einigen Schwierigkeiten
fertig werden, die sich ihm in den Weg stellen, und er weiß nicht, wo er mit
seiner Suche beginnen soll.
Die Geschichte wird von Seite zu Seite rätselhafter und
dramatischer, und man hat das dringende Bedürfnis, nur schnell weiterzulesen,
um zu erfahren, welche Geheimnisse Charles bedrücken, was er zu verbergen hat
und auch was es mit dem seltsamen Verhalten von Hettis Mutter und dem
mysteriösen Asiaten auf sich hat.
Sehr spannend entwickeln sich auch die Ereignisse im Haus von
Hettis Verwandten. Die Tante betreibt eine Wäscherei, und der Onkel arbeitet an
seiner Erfindung, einer riesigen Mangel. Was genau diesen monströsen Apparat im
Keller der Familie Pflog antreibt und auch, wie Heinrich zu seinen
schrecklichen Verletzungen kam, bleibt weitgehend ungewiss. Hier muss ich
sagen, dass mich die näheren Hintergründe doch auch sehr interessiert hätten,
obwohl natürlich gerade das Unausgesprochene der Geschichte eine zusätzliche
geheimnisvolle Ausstrahlung verleiht.
Mit der liebenswerten Hetti leidet man direkt mit, denn sie
hat einige dramatische und aufwühlende Begegnungen. Die meisten anderen Charaktere
des Romans bleiben bis zuletzt undurchschaubar und rätselhaft, und ich konnte
nicht alle Verhaltensweisen und Stimmungsschwankungen völlig nachvollziehen.
Mein Gesamturteil ist jedoch auf jeden Fall positiv, besonders
der ausdrucksvolle Schreibstil hat mich gefesselt, und ich kann das Buch sehr
empfehlen. Die zum Teil schaurige und phantastische Atmosphäre des Romans passt
besonders gut in die kalte, trübe Jahreszeit.
Vielen Dank für das Rezensionsexemplar an den Rowohlt Verlag.
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