Donnerstag, 1. November 2012

Kaltes Herz - Charlotte Freise



Berlin, zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Bei ihren Auftritten und auf dem Heimweg vom Varieté Wintergarten fühlt sich die Sängerin Hetti Keller von einem asiatischen Mann beobachtet und verfolgt. Als er eines Abends wieder auf sie wartet, kommt ihr der Brite Charles Peter Jackson zur Hilfe und begleitet sie nach Hause. Hetti fasst gleich Vertrauen zu dem jungen Mann, und es entwickelt sich bald eine zarte Liebe zwischen den beiden. Als Hettis Mutter jedoch von der Verbindung erfährt, setzt sie alle Hebel in Bewegung, Charles von ihrer Tochter fern zu halten. Sie geht so weit, dass sie Hetti zu Verwandten aufs Land schickt, um sie aus Charles’ Einflussbereich zu schaffen. Der Empfang in Gramstett ist äußerst frostig. Tante Johanne verhält sich Hetti gegenüber schroff und abweisend, und Onkel Heinrich lässt sich gar nicht blicken. Der kranke Mann widmet seine ganze Zeit und Aufmerksamkeit seiner Erfindung im Keller des Hauses, denn er hat ein Perpetuum Mobile geschaffen. Nur seine Frau und ein gewisser Professor Regenmacher dürfen zu ihm. Hetti fühlt sich einsam und verlassen, lediglich ihre Cousine Ida kümmert sich um sie und wird bald zu ihrer Freundin und Vertrauten.
Mittlerweile sucht Charles nach Hetti. Er hat das ungute Gefühl, dass ihre Abreise nicht ganz freiwillig war und dass sie in Gefahr sein könnte.

Die bildhafte, gewaltige und zugleich einfühlsame Sprache versetzt den Leser sehr gekonnt ins Geschehen und vermittelt ein plastisches Bild der damaligen Zeit. Hetti ist eine schöne, sensible junge Frau und eine begnadete Sängerin, ganz anders als die Damen, die Charles bisher gekannt hat. Sie erscheint ihm wie eine Seelenverwandte. Trotzdem ist er hin- und her gerissen, zwischen dem Bedürfnis, sich Hetti anzuvertrauen und den Zweifeln, ob sie einen Mann wie ihn überhaupt lieben könnte. Charles wirkt, trotz seiner Schwindeleien und nicht immer legalen Aktivitäten, von Anfang an sympathisch. Mit der Zeit erfährt man dann auch, wieso er überstürzt aus England abgereist ist, und man kann seine Handlungen besser einschätzen. Dass er Hetti unbedingt finden möchte, ist nur allzu verständlich. Aber er muss mit einigen Schwierigkeiten fertig werden, die sich ihm in den Weg stellen, und er weiß nicht, wo er mit seiner Suche beginnen soll.
Die Geschichte wird von Seite zu Seite rätselhafter und dramatischer, und man hat das dringende Bedürfnis, nur schnell weiterzulesen, um zu erfahren, welche Geheimnisse Charles bedrücken, was er zu verbergen hat und auch was es mit dem seltsamen Verhalten von Hettis Mutter und dem mysteriösen Asiaten auf sich hat.
Sehr spannend entwickeln sich auch die Ereignisse im Haus von Hettis Verwandten. Die Tante betreibt eine Wäscherei, und der Onkel arbeitet an seiner Erfindung, einer riesigen Mangel. Was genau diesen monströsen Apparat im Keller der Familie Pflog antreibt und auch, wie Heinrich zu seinen schrecklichen Verletzungen kam, bleibt weitgehend ungewiss. Hier muss ich sagen, dass mich die näheren Hintergründe doch auch sehr interessiert hätten, obwohl natürlich gerade das Unausgesprochene der Geschichte eine zusätzliche geheimnisvolle Ausstrahlung verleiht.
Mit der liebenswerten Hetti leidet man direkt mit, denn sie hat einige dramatische und aufwühlende Begegnungen. Die meisten anderen Charaktere des Romans bleiben bis zuletzt undurchschaubar und rätselhaft, und ich konnte nicht alle Verhaltensweisen und Stimmungsschwankungen völlig nachvollziehen.
Mein Gesamturteil ist jedoch auf jeden Fall positiv, besonders der ausdrucksvolle Schreibstil hat mich gefesselt, und ich kann das Buch sehr empfehlen. Die zum Teil schaurige und phantastische Atmosphäre des Romans passt besonders gut in die kalte, trübe Jahreszeit.


Vielen Dank für das Rezensionsexemplar an den Rowohlt Verlag.


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