Australien zum Ende des 19.
Jahrhunderts: Nachdem die Schwestern Catherine und Victoria Wagner
ihre Mutter durch einen tragischen Unfall verloren und sich ihr Vater
in seiner Trauer verschließt, haben sie nur noch einander. Als der
Opalschürfer Luke als Zuckerrohrschneider nach Amber's Joy kommt und
eine Liebelei mit Catherine beginnt, erleben beide Schwestern eine
schmerzvolle Enttäuschung, und ihre Wege trennen sich. Es vergehen
viele Jahre, und es muss viel geschehen, damit Catherine und Victoria
wieder zueinander finden.
Hannover, etwa hundert Jahre später:
Auch hier geht es um zwei Schwestern. Franziska und Alina Lindhoff
haben früh ihre Eltern verloren, und Franziska, die ältere, musste
bereits in jungen Jahren Verantwortung für ihre jüngere Schwester
übernehmen. Nach einer schweren Enttäuschung, die das Verhältnis
der Geschwister stark belastet, beschließt Franziska kurzfristig,
nach Australien zu reisen. Einen alten Brief ihrer Großtante Ella,
die sie Jahre zuvor eingeladen hatte, hat sie im Gepäck und besucht
die ältere Dame. Ella ist auf der Suche nach den eigenen Wurzeln,
und Franziska hilft ihr dabei. Während ihrer Recherchen zu Ellas und
damit auch zu ihrer eigenen Familiengeschichte, entdeckt sie so
mancherlei Geheimnisse und auch Tragödien. Die gemeinsame Suche
stärkt das Band zwischen Ella und ihrer Großnichte, aber dann
scheinen ihre Pläne kurz vor dem Ziel zu scheitern. Wird es
Franziska gelingen, auch das letzte Familiengeheimnis zu lüften?
In dieser faszinierenden
Familiengeschichte geht es immer wieder um das Verhältnis zweier
Schwestern. Sind es im 19. Jahrhundert Catherine und Victoria, so
scheint sich das Schicksal auch in der Gegenwart zu wiederholen, denn
zwischen Franziska und Alina herrschen ebenfalls negative Gefühle
und Spannungen. Wie sich herausstellt, hatte auch Großtante Ella
eine Schwester, und auch da war das Verhältnis nicht zum Besten,
sondern von Enttäuschungen geprägt. Auf zwei Zeitebenen erlebt man
die Entwicklung mit, wie es zum jeweiligen Bruch zwischen den
Schwestern kam und auch, wie sie sich langsam wieder aufeinander zu
entwickeln. Beide Erzählstränge haben mich fasziniert. In der
Handlung, die im 19. Jahrhundert spielt, erfährt man viel über die
Zuckerrohrplantage der Wagners, die damals als Einwanderer nach
Australien kamen. Es ist kein leichtes Leben, das sie führen,
sondern es ist arbeits- und entbehrungsreich. Der Tod von Amber
Wagner hinterlässt eine Lücke, die sich nicht schließen lässt. Er
reißt eine Kluft zwischen die Schwestern und ihren Vater, der sich
gehen lässt und auf dem besten Weg ist, die Plantage und damit den
Lebensunterhalt für seine Familie zu verlieren.
In der Gegenwart muss Franziska wieder
lernen, anderen Menschen zu vertrauen. Nach allem, was sie gerade
erst erlebt hat, fällt ihr das nicht leicht. Ihre Recherchen,
gemeinsam mit ihrer Großtante, zur Familiengeschichte führt sie
ebenfalls nach Amber's Joy. Nach und nach findet sie zu sich selbst,
und es gelingt ihr, zu vertrauen und zu vergeben.
Die verschiedenen Charaktere sind auf
beiden Zeitebenen detailliert ausgearbeitet, und man kann die Gefühle
der Protagonisten nachvollziehen. Besonders Franziska, ihre
Handlungen und Reaktionen, konnte ich sehr gut verstehen. In der
Vergangenheit wie in der Gegenwart begegnet man auch Aborigines, und
immer hatte ich das Gefühl, dass diese Menschen mehr sehen und
anderen tief in die Seele schauen können. Sie, die rücksichtslos
aus ihrer Heimat vertrieben wurden und bei den meisten weißen
Einwanderern ein geringes Ansehen genießen, verfügen über eine
anrührende Herzlichkeit und einen bewundernswerten Weitblick.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich die
Tatsache, dass es in dem Handlungsstrang der Gegenwart eine sehr
eigenwillige Katze gibt. Diese starken Katzencharaktere sind ein
Markenzeichen der Autorin und für mich aus ihren Romanen nicht
wegzudenken. Aber in diesem Buch gibt es eine Besonderheit, denn im
Erzählstrang zur Vergangenheit bekommen Christiane Linds Katzen eine
starke Konkurrenz in Form eines Hundes. Es ist ein Blue Heeler mit
Namen Cookie, der treue Begleiter von Victoria, der einen ganz
besonderen Charme hat. Obwohl ich eigentlich eher ein „Katzenmensch“
bin, habe ich den kleinen tapferen Kerl sofort in mein Herz
geschlossen.
Zwischenmenschliche Emotionen kommen in
der gesamten Handlung sehr ausdrucksstark zur Geltung. Mich hat
dieser Roman von Anfang bis Ende gefesselt, und das Schicksal der
Frauen in beiden Jahrhunderten hat mich tief berührt. Die bewegende
Handlung, eingebettet in wundervolle Landschaftsbeschreibungen, hat
mich nachhaltig beschäftigt. Es ist wunderschön, wie Christiane
Lind alles zu einem Abschluss bringt, der zufrieden macht und rund
ist.
😍😍😍😍😍
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