Niederwesseling
1793. Agnes, die junge Halfin des Kirchhofs, ist nach dem plötzlichen
Tod ihres Mannes gezwungen, sich so bald wie möglich neu zu
vermählen. Die Wahl ihres Vaters Jakob Frings fällt auf Balthasar
Broicher, den fünften Sohn eines wohlhabenden Halfen aus dem
benachbarten Godorf. Die Zeiten sind unruhig. Die Alliierten pressen
die letzten Heu- und Haferrationen aus den Bauern heraus, von Westen
droht der Einmarsch der französischen Revolutionsarmee. Der Kirchhof
ist schon seit langem verschuldet, doch nun drohen Einquartierungen
und Repressalien den Menschen im Dorf ihre Lebensgrundlage zu
entziehen. Das sind jedoch keine Gedanken, mit denen sich
Balthasar dieser Tage beschäftigt, schon seit Jahren heimlich in
Agnes verliebt, sieht er sich endlich am Ziel seiner Träume. Doch am
Hochzeitstag schaut er nur in feindselige Gesichter. Wird er sich
gegen Jakob Frings Tyrannei behaupten, und, vor allem, wird er das
Herz seiner Frau erobern können?
Mein
Eindruck:
Mit
diesem Roman betritt die Autorin ein völlig neues Terrain, denn
bisher hat sie zeitgenössische Spannungsromane geschrieben. „Wind
von Westen“ ist in mehrerer Hinsicht anders. Zum einen spielt die
Geschichte Ende des 18. Jahrhunderts, während des ersten
Koalitionskrieges, als französische Truppen Köln und das rheinische
Umland besetzten und die Bevölkerung in Atem hielten. Die Bauern von
Niederwesseling bleiben von Einquartierungen und hohen Abgaben
ebenfalls nicht verschont. Auch Balthasar Broicher hat
Existenzsorgen, denn der Kirchhof, dem er nun als Halfe vorsteht, ist
verschuldet, und doch ist Balthasar glücklich, denn mit Anges'
Heirat hat sich sein Traum erfüllt, ist er doch schon seit langer
Zeit in die junge Frau verliebt. Aber es braucht seine Zeit, bis
Agnes ihr Misstrauen ihm gegenüber aufgibt und seine Gefühle
erwidert.
Eine
weitere Besonderheit dieses Romans ist, dass Cordula Broicher die
Geschichte ihrer eigenen Vorfahren erzählt, wie man bereits an
Balthasars Nachnamen erkennen kann. Es ist eher eine Geschichte der
leisen Töne, denn es sind größtenteils keine spektakulären
Ereignisse, von denen hier berichtet wird, sondern die Autorin
schildert den normalen Alltag einer Bauernfamilie zur damaligen Zeit.
Es war ein ständiger Existenzkampf, den Balthasar Broicher mit
seiner Familie ausfechten musste. Durch die schwierigen
Lebensumstände kommt es teilweise auch zu Neid und Missgunst unter
den Bauern, und gewisse Vorkommnisse schüren den Aberglauben in der
Bevölkerung. In dieser Beziehung ist Balthasar ein aufgeschlossener
und verständiger Zeitgenosse, der sich nicht so leicht ins Bockshorn
jagen lässt. Er sorgt für seine Familie und beschützt sie. Was für
die damaligen Menschen Normalität war, ist für uns heutzutage in
mehrfacher Beziehung unvorstellbar.
Mit
ihrem gewohnt schönen Schreibstil hat Cordula Broicher die
Geschichte ihrer Familie zur damaligen Zeit mit Leben erfüllt und
den Charakteren ein Gesicht gegeben, und man kann sich sehr gut in
die Ereignisse hinein versetzen. So gesehen hätte ich dem Roman
durchaus fünf Sterne gegeben. Es gab für mich nur einen
Wermutstropfen bei der Sache, denn es kommen viele mundartliche und
auch französische Redewendungen vor, die zwar alle im Anhang erklärt
sind, aber da ich den Roman als eBook gelesen habe, war es mir mit
der Zeit recht mühsam, die Begriffe alle nachzuschlagen. Das hat
meinen Lesefluss häufig ausgebremst, und ich habe zuletzt darauf
verzichtet, immer die Erklärungen nachzulesen, was wiederum manchmal
auf Kosten des Verständnisses ging. Zwar kann man sich das meiste
sinngemäß zusammenreimen, aber eben nicht immer. Zudem interessiert
es mich sehr, wie die Menschen ihrer Zeit und ihrer Gegend gesprochen
haben. Dass diese Begriffe im Roman vorkommen, macht ihn
authentischer, aber hier hätte ich mir die Erklärungen als Fußnoten
auf den jeweiligen Seiten gewünscht.
Dies
würde mich jedoch ganz sicher nicht hindern, weitere historische Romane der
Autorin zu lesen, denn letztendlich war ich fasziniert von diesem
realistischen Einblick in die damalige Zeit.
Auf Cordula Broichers Website gibt es noch interessante ergänzende Informationen zum Roman und eine Leseprobe. Schaut doch dort einmal vorbei.
Wie ich inzwischen von der Autorin erfahren habe, ist das mit den Erklärungen in der Printausgabe besser gelöst, dort hat man sie als Fußnoten auf den jeweiligen Seiten.
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