Donnerstag, 20. November 2014

Winterapfelgarten - Brigitte Janson


Nach einem Gespräch mit ihrem Chef muss Claudia Konrad erkennen, dass sie mit gerade mal 51 Jahren schon zum alten Eisen gehört, denn sie soll von ihrer langjährigen Tätigkeit als Kosmetikberaterin und Fachverkäuferin, im Hauptgeschäft der Parfümerie Swan, in bester Lage, direkt unter Hamburgs Alsterarkaden, nun plötzlich ins Warenlager versetzt werden. Claudia ist empört und kündigt auf der Stelle, nicht ohne einen spektakulären Abgang, den sie sich noch im Verkaufsraum der Parfümerie leistet. Erst als sie wenig später den Rathausmarkt erreicht und sich erschöpft auf einer Bank niederlässt, wird ihr die Tragweite ihres spontanen Entschlusses bewusst, denn der Verlust ihres Arbeitsplatzes ist nicht ihre einzige Sorge. Schweren Herzens muss sie an ihre Tochter Jule denken, die nach einem tragischen Unfall nicht mehr sie selbst ist, die Öffentlichkeit meidet und seit damals nie mehr zu ihrer fröhlichen Unbeschwertheit zurückgefunden hat. Sara, ihre beste Freundin und zugleich Jules Patin, hat eigene Probleme, denn nach ihrer Scheidung lässt sie sich durch die Tage treiben, und es fehlt ihr an einer sinnvollen Aufgabe im Leben.
Als Claudia einen Apfel findet und hinein beißt, kommt ihr das Aroma vage vertraut vor, und die aromatische Frucht weckt eine unbestimmte Sehnsucht; sie erscheint ihr wie der symbolische Schlüssel zu einem Neuanfang.
Wenige Tage später, während eines Ausflugs ins Alte Land, bringt sie der Zufall zu einem verlassenen Apfelhof. Das erscheint ihr schicksalhaft, und sie beschließt spontan, das marode Anwesen zu kaufen. Von diesem Entschluss lässt sie sich durch nichts abbringen, nicht von den vernünftigen Argumenten ihrer Freundin Sara und schon gar nicht von dem mürrischen, unfreundlichen Nachbarn.

Die Geschichte handelt von vier Frauen, die alle in ihrem Leben an einem Scheideweg angekommen sind. Um nicht in einer Sackgasse zu landen, müssen sie sich für die Zukunft neu orientieren. Das ist einfacher gesagt als getan, denn Probleme lassen sich nicht einfach wegwischen, und neue Wege zu beschreiten, erfordert eine große Portion Mut. Claudia, Jule und Sara gehen das Wagnis ein, indem sie auf einen Apfelhof im Alten Land ziehen, um sich dort ihr Leben neu einzurichten. Als eines Tages die frisch verwitwete Elisabeth bei ihnen auftaucht und bleibt, obwohl sie eigentlich nur auf der Durchreise war, erscheint sie als Rettung in der Not, denn die resolute Rentnerin bringt Gemütlichkeit ins Haus und täglich etwas Leckeres auf den Tisch.
Es sind vier sehr unterschiedliche Charaktere, die hier aufeinander treffen, und doch funktioniert es mit dem Zusammenleben. Wäre da nicht Johann, der eigenbrötlerische Nachbar mit seinem riesigen Hund, könnte Claudia direkt glücklich sein, aber immer wieder gelingt es dem großen Mann mit den eisblauen Augen, sie aus der Ruhe zu bringen. Jule empfindet Johanns Gegenwart ganz anders, denn sie durchdringt seine eisige Fassade und erkennt, was er hinter seiner unnahbaren Art verbirgt. Auch Elisabeth hat den ernsten Mann schnell durchschaut und erweist sich als wertvolle Ratgeberin, nicht nur für ihn, sondern auch für die Bewohnerinnen des Apfelhofs.

Der Roman ist ganz anders als die heiter-turbulenten, manchmal etwas überspitzten Familienkomödien, die man von der Autorin unter dem Pseudonym Brigitte Kanitz kennt. Die vier Frauen von „Winterapfelgarten“, mit all ihren Sorgen, Nöten aber auch Hoffnungen, sind liebevoll und glaubhaft charakterisiert, ebenso Bauer Johann vom Nachbarhof. Die Protagonisten haben sich in mein Herz geschlichen, still und heimlich, ohne anzuklopfen, und obwohl ich weiß, dass sie fiktiv sind, habe ich direkt Sehnsucht bekommen, sie im Alten Land zu besuchen und mit ihnen in der gemütlichen Küche zu sitzen und Tee zu schlürfen. Für die vier Frauen erfüllt sich ein Traum, den man nur allzu gerne mit ihnen teilen würde. Der alte Apfelhof hat etwas Heilsames, ja Magisches für all seine Bewohner; er ist ihnen schnell zu einer richtigen Heimat geworden.
Während des Lesens hat man das Gefühl, in der Geschichte zu versinken und von ihr eingehüllt zu werden, wie von einer kuscheligen Decke. Es ist ein idealer Roman für stürmisch-kalte Herbst- und Wintertage. Er wärmt das Herz und streichelt die Seele – kurz gesagt, er tut richtig gut.



8 Kommentare:

  1. Eine sehr schöne Rezension. :) Mir hat "Winterapfelgarten" ebenfalls sehr gut gefallen.

    LG
    Sabine

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    1. Danke Sabine, das Buch ist ein starker Anwärter für mein November-Highlight.

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  2. Ist schon eine Weile auf meiner Wunschliste und kommt nach deiner Rezi definitiv beim nächsten Einkauf mit!
    Liebe Grüße
    Martina

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  3. Hey!
    Ich habe es als Hörbuch gehört und war auch angetan. Ich fand allerdings den Anfang etwas zäh, da die Figuren sehr lange eingeführt wurden.
    LG
    Yvonne

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    1. Mit Hörbüchern ist das immer so eine Sache. Mir geht es oft so, dass ich mit den Sprechern nicht klar komme; habe deine Rezi gelesen und gesehen, dass es bei dir zum Teil auch an der Sprecherin lag.

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  4. Das Buch subt hier noch :-) Danke für die Rezension!
    Lg Sonja

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    1. Ich wünsche dir viel Freude beim Lesen und bin schon gespannt, wie es dir gefällt. :-)

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