Samstag, 1. November 2014

Elsas Stern - Agnes Christofferson

Ein Holocaust-Drama


Die Geschichte beginnt in New York, im Frühjahr 1979. Die junge Leni hat ihre Mutter Elsa in ein italienisches Restaurant zum Essen eingeladen, um ihr ein wenig Ablenkung zu bieten, da sie seit dem Tod des Vaters das Haus kaum noch verlässt. Als ein älterer Herr das Lokal betritt, scheint Elsa ihn zu kennen und erleidet plötzlich einen Nervenzusammenbruch. In dem Mann hat Elsa den ehemaligen KZ-Arzt Erich Hauser erkannt, der ihr damals, vor fast 35 Jahren, in Auschwitz das Leben zur Hölle machte.

Von ihrer älteren Schwester Salome erhält Leni ein altes Tagebuch ihrer Mutter. Bisher hatte Elsa ihre jüngere Tochter im Unklaren über die Vergangenheit der Familie gelassen. Erst aus den alten Aufzeichnungen erfährt sie vom tragischen Schicksal ihrer Mutter und der kleinen Salome, die zum Ende des 2. Weltkriegs aus dem antisemitischen Deutschland geflohen waren. Nachdem sie die Wahrheit erfahren hat, setzt Leni alles daran, den Peiniger ihrer Mutter zu finden und der Justiz zu überantworten.

Die Rahmengeschichte, die 1979 spielt, ist aus Lenis Sicht, in der 1. Person geschildert, während die Tagebucheinträge von Elsa in der dritten Person geschrieben sind. Dies hat mich anfangs ein wenig verwundert, aber im Nachhinein betrachtet, ist es gut so, denn dadurch wahren die grausamen Schilderungen wenigstens ein bisschen Distanz, nicht nur zum Leser, sondern in erster Linie auch zu Elsa selbst, denn sie hat vieles von damals verdrängt und möchte nicht darüber nachdenken oder gar sprechen. Auch so sind viele der Ausführungen kaum zu ertragen, wenn man erfährt, wie viel Leid die Gefangenen von Auschwitz damals erdulden mussten und nur in den wenigsten Fällen überlebten. Man erfährt von sadistischen Menschenexperimenten, die von gewissenlosen Ärzten in einem Trakt des Lagers durchgeführt wurden. Wer den Horror des Holocaust überlebte, wie Elsa, hat an der Bürde der Erinnerung sein Leben lang zu tragen.

Das Besondere an diesem Romankonzept ist, dass es hier nicht ausschließlich um die damalige Zeit geht, sondern dass auch langfristige Auswirkungen thematisiert werden. Holocaust ist ein Thema, das man gerne verdrängt und der Vergangenheit zuschreibt, aber dem ist nicht so. Wie im Roman geschildert, ziehen sich die Nachwirkungen bis in die Gegenwart, denn die damals Überlebenden waren für den Rest ihres Lebens gebrochen und gezeichnet an Körper und Seele. Nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Nachkommen und späteren Partner mussten mit diesen schweren Beeinträchtigungen leben oder wurden, wie in Lenis Fall, um ihre Wurzeln betrogen, da ihre Großeltern in Auschwitz umgekommen sind.

Agnes Christoffersons Roman geht an die Nieren und berührt bis ins Innerste. Zugleich ist er auch sehr wichtig, denn er tut etwas gegen das Schweigen und das Vergessen.

* * * * *

2 Kommentare:

  1. Wäre eine gute Lektüre für meine bevorstehende Reise nach Israel. Klingt wirklich interessant, auch wenn ich mich mit dem Thema Holocaust bis jetzt wirklich wenig beschäftigt habe.

    Wünsche Dir ein schönes Wochenende!

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    1. @Maegwin, danke, ich wünsche dir ebenfalls ein schönes Wochenende.
      Bücher dieser Art sind schwer zu lesen, denn sie tun einem in der Seele weh, aber ab und zu muss es sein.
      Ich bin schon gespannt auf deinen Reisebericht (den du hoffentlich scheibst), wenn du aus Israel zurückkommst.

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