Donnerstag, 17. März 2011

Verfahren - Ludwig Laher




"Nun erhalten sich aber die Gesetze im Ansehen, nicht weil sie gerecht sind, sondern weil sie Gesetze sind".
                                                          Michel de Montaigne, 1588


Exemplarisch wird das bisherige Schicksal der Kosovo-Serbin Jelena geschildert.
Die junge Frau war in ihrer Heimat mehrfach das Opfer von Gewalt, die ihr unter dem Vorwand ihrer Nationalität angetan wurde. Nach unvorstellbarem Elend und missglückten Selbstmordversuchen ist sie am Ende ihrer Kraft. Ein letztes Mal nimmt sie all ihren Mut zusammen und geht nach Österreich, bittet dort um Asyl. Das Asylgesetz in Österreich ist eines der strengsten in Europa. Wieso die verängstigte, eingeschüchterte Jelena jedoch in Schubhaft genommen wird, kann ich nicht verstehen, denn eigentlich liegt keiner der Punkte vor, die hierfür allgemein als Gründe genannt werden. Der deutschen Sprache noch nicht mächtig, ist sie nun der Willkür von Richtern, Protokollführern und Dolmetschern ausgesetzt, die manches anscheinend gar nicht verstehen wollen.
„Verfahren“ trifft hier im doppelten Sinn zu, denn einerseits erwartet Jelena im Land ihrer Zuflucht ein solches, zugleich ist ihre Situation ebenfalls als verfahren zu bezeichnen.
Der Autor schreibt im Nachwort, dass das Leben seiner Protagonistin beängstigende Parallelen mit einem realen Schicksal hat. Ich habe mir nicht nur bei einer Szene gewünscht, sie möge nicht wirklich passiert, sondern der Fantasie des Autors entsprungen sein.

Parallel zu Jelenas Fall gibt es zwei weitere Handlungsstränge, die auf den ersten Blick  unabhängig nebeneinander herlaufen, sich aber nach und nach zu einem verständlichen Konzept zusammenfügen.
Da ist einmal das Interview mit einem zuständigen Asylrichter. Dieser Doktor Zellweger plaudert ein wenig aus dem Nähkästchen, ziemlich selbstgerecht, wie mir scheint. Er gibt sich nach außen hin menschenfreundlich und gefällig, aber es gelingt ihm nicht völlig, dies glaubwürdig darzustellen.

Zuletzt erfährt der Leser noch vom Schicksal eines jüdischen Arztes, der als Kind, auf der Flucht vor den Nazis, Wien verlassen musste und in Großbritannien Aufnahme gefunden hat.
Seine Geschichte gestaltet sich somit gegengleich zu Jelenas, und seine schwere Vergangenheit veranlasst ihn, sich in der Hilfe für heutige Asylbewerber zu engagieren.

Anfang und Ende des Romans bilden zwei Kapitel über eine reale Demonstration, bei der ein Brüderpaar verhaftet wurde, dem anschließend ein unverhältnismäßig schwerer Prozess drohte.

Der Roman ist ein harter Brocken,  sowohl was den dramatischen Inhalt betrifft, als auch von der Ausdrucksweise, denn der Autor hat häufig Auszüge aus real existierenden Unterlagen und Protokollen verwendet, und diese sind im absoluten Fachjargon verfasst. "Verfahren" liest sich ganz sicher nicht leicht und schnell, und doch kann man es bis zuletzt nicht beiseite legen. 
Ludwig Laher hat sich mit intensiven Recherchen dem komplexen Thema Asylrecht gewidmet und einen Roman daraus gemacht, der durch die sachliche Schreibweise einerseits distanziert wirkt und doch sehr nahe geht.
Die Geschichte hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Sie gibt viel Stoff zum Grübeln und hat mich animiert, mehr über den Kosovo zu erfahren, mich ausführlicher mit dem Thema Fremdenrecht zu beschäftigen und genauer hinzusehen.

Für das Rezensionsexemplar bedanke ich mich ganz herzlich beim Haymonverlag.


1 Kommentar:

  1. Hi, für dich:

    http://herzbuecher.blogspot.com/2011/03/der-stylish-blogger-award-wahnsinn.html

    LG Sylvia

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