New York 1890: Josephine Montfort
wächst in wohlhabenden und sehr behüteten Verhältnissen auf. Aber
statt dem Wunsch ihrer Familie nachzukommen und ihren Jugendfreund
Bram zu heiraten, wie es für eine junge Frau in ihrer
Gesellschaftsschicht üblich ist, träumt Jo davon, Journalistin zu
werden. Ihre heile Welt bricht zusammen, als sie vom Tod ihres Vaters
erfährt. Ein Unfall war es, durch seine eigene Waffe ist er ums
Leben gekommen, so wird es zumindest der Öffentlichkeit bekannt
gegeben. Aber Josephine glaubt an einen Unglücksfall genauso wenig
wie an Selbstmord, was es eigentlich gewesen sein soll, wie sie aus
internen Berichten erfährt. Eine zufällige Begegnung mit dem
attraktiven Reporter Eddie Gallagher zeigt ihr, dass sie mit ihren
Zweifeln nicht alleine ist.
Gemeinsam mit Eddie möchte sie
herausfinden, was wirklich geschah, wieso ihr Vater tot ist und wie
er ums Leben kam. Bei ihren Nachforschungen begibt sich die junge
Frau auf gefährliches Terrain, denn sie besucht Gegenden der Stadt,
wo eine junge Dame ihres Stands normalerweise keinen Fuß hinsetzen
sollte.
Mit ihrer Rosen-Trilogie hat Jennifer
Donnelly ihre eigene Messlatte sehr hoch gesteckt, und ich war
gespannt, ob die Autorin die herausragende Qualität, die man von ihr
kennt und erwartet, auch bei diesem neuen Roman halten konnte.
Zwar spielt diese Geschichte in New
York, aber es ist ungefähr die gleiche Zeit, und die Verhältnisse
und Gesellschaftsschichten sind ähnlich wie in London, wo ja „Die
Teerose“ spielt.
Jennifer Donnelly zeigt auch diesmal
wieder die gesellschaftlichen Unterschiede. Einerseits kann man den
Prunk und das feine Leben der begüterten Familien erleben, aber man
sieht auch die Kehrseite, erhält Einblick in die Situation in den
Elendsvierteln der Stadt, wo Kriminalität an der Tagesordnung ist.
Der Roman spielt in einer Zeit, wo es noch nicht alltäglich war,
dass Frauen aus gutem Haus einen Beruf ausgeübt haben. Die Kluft
zwischen Arm und Reich wird hier sehr deutlich aufgezeigt. Reiche
Mädchen machten eine gute Partie, gründeten eine Familie und waren
zum Repräsentieren und zum Kinder kriegen da, während die Ärmsten
der Armen bis zur völligen Erschöpfung schuften mussten, um am
Leben zu bleiben. Jo lernt beide Seiten kennen, wenn sie auch ihre
Ausflüge in die New Yorker Unterwelt geheim halten muss, um ihre
Familie nicht völlig vor den Kopf zu stoßen. Trotz ihrer
anfänglichen Naivität, die ihrem bisher so behüteten Leben
geschuldet ist, lässt sich Jo nicht unterkriegen und beißt sich
auch bei heiklen Situationen durch, denn sie ist ein starker
Charakter. Sie verfolgt hartnäckig ihr Ziel und schließt
außergewöhnliche Freundschaften.
Im Charakterisieren und Beschreiben ist
Jennifer Donnelly eine Meisterin. Es ist ihr auch diesmal gelungen,
mich zu fesseln und mit dieser Geschichte zu faszinieren. Der Roman
hat eine tolle, vielschichtige Atmosphäre und wirkt sehr
authentisch. Der lockere Schreibstil, der größtenteils ernst ist,
aber dazwischen auch immer mit einem Quäntchen Humor an den
richtigen Stellen aufwarten kann, lädt dazu ein, immer weiter zu
lesen. Man möchte sich gar nicht mehr von Jo und ihrer Geschichte
lösen. Neben der jungen Heldin hat der Roman viele weitere, sehr
interessante Personen zu bieten, die alle plastisch und detailreich
beschrieben sind. Bis zuletzt hält sich die Spannung und baut sich
ständig weiter auf, um in einem Finale zu enden, wie ich es nicht
erwartet hätte.
Mich konnte auch dieser „Donnelly“
wieder restlos begeistern.
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