Anna Zollinger, die Tochter eines
Seidenhändlers, lebt mit ihrer Familie im 16. Jahrhundert am
Zürichsee. Sie hat eine Zwillingsschwester, und obwohl die Mädchen
sich sehr ähnlich sehen, sind sie doch völlig unterschiedlich von
ihrer Wesensart. Nach dem Tod von Annas und Beatas Mutter heiratet
Linhart Zollinger erneut. Die Stiefmutter, eine herrschsüchtige
Frau, kommt vor allem mit der aufbrausenden Anna gar nicht zurecht
und veranlasst, dass das Mädchen ins Kloster geschickt wird. Was
Anna dort erlebt, ist unbeschreiblich und schrecklich. Zusammen mit
Anton Kreuzer, einem Pilger, den sie während ihres Aufenthalts im
Kloster kennenlernt und in den sie sich verliebt, flieht sie. Aus
Eifersucht bringt Kreuzer einen Reisläufer um und muss fliehen. Die
Verbindung zu Anna übersteht diese Tat nicht unbeschadet. Anna lernt
die schöne Brida, eine Dirne, kennen, und es führt eines zum
anderen; die beiden jungen Frauen geraten auf die schiefe Bahn.
Zusammen mit einer Fischerstochter, die ein Boot zur Verfügung hat,
begeht das räuberische Trio zahlreiche Raubüberfälle, meist auf
dem Zürichsee. Aber Annas „Erfolg“ währt nicht lange....
Die Handlung dieses Romans ist
außergewöhnlich, sowohl was die Umgebung angeht, in der sich die
Geschichte abspielt, aber auch mit Blick auf die Protagonisten. Das
Schicksal der Anna Zollinger und ihrer Komplizinnen ist sehr
authentisch beschrieben, so dass man sich häufig zwischendurch
fragt, ob die Geschichte wohl wirklich passiert ist oder nur
erfunden. Piero Schäfer, der Autor, hüllt sich hierüber in
Schweigen. Das Leben im sechzehnten Jahrhundert bot für junge Frauen
aus besser gestellten Familien nicht allzu viele Möglichkeiten, und
Anna, mit ihrem großen Freiheitsdrang, hatte schon bald Probleme,
das ihr zugedachte Schicksal zu akzeptieren. Sie ist keine
liebenswerte Protagonistin, denn auch wenn sie einem anfangs leid tut
und man viele ihrer Reaktionen nachvollziehen kann, begeht sie später
im Verlauf der Geschichte oft so brutale und herzlose Taten, dass
sich mein Verständnis und Mitleid sehr in Grenzen hielt. Auch die
anderen Charaktere handeln häufig unbeherrscht und ohne
nachzudenken. Beispielsweise konnte ich ganz und gar nicht verstehen,
wieso Linhart Zollinger nicht gemerkt hat, welch falsches Spiel seine
zweite Frau betrieb. Klar, er war viel auf Reisen, aber die ganze
Beschreibung seiner Ehe klang nicht danach, als sei es die große
Liebe, die ihn für die Realität blind machen würde. Deshalb ist es
mir unverständlich, dass er so gar nichts mitbekam, was in seinem
Haus ablief.
Insgesamt ist die Story fesselnd und
kurzweilig erzählt. Aber ab und zu sind mir kleine Ungereimtheiten
aufgefallen. Um nur ein Beispiel zu nennen: wie kommt ein Gefangener
in einer Zelle plötzlich an ein Locheisen? Die Erklärung, wie das
zustande kam und die folgende Befreiungsaktion waren für mich etwas
fadenscheinig erklärt. Aber wie gesagt, das sind Kleinigkeiten, die
den Lesegenuss nicht schmälern. Dass es im Anhang ein ausführliches
Glossar und eine detaillierte Personenliste gibt, finde ich sehr gut,
denn es kommen viele Personen in der Handlung vor, die man anhand der
Liste glücklicherweise immer leicht zuordnen konnte. Auch die
Begriffserklärungen im Glossar fand ich sehr hilfreich, hätte aber
noch ein paar weitere Begriffe erfassen können, denn es gibt im Buch
viele mundartliche und regionale Ausdrücke, die ich nicht kannte.
Das Cover zeigt eine Seenlandschaft in
der Abenddämmerung, was mir sehr gefällt und auch gut zum Roman
passt.
Alles in allem ist dies ein gelungenes
Buch, das eine etwas andere Lebensgeschichte erzählt. Wer jedoch
Romane mit Happy End bevorzugt, der sei gewarnt, denn er wird hier
nicht auf seine kosten kommen.
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