Donnerstag, 20. Dezember 2012

Die Plantage - Catherine Tarley



South Carolina 1781: Antonia Lorimer, die ihren Mann Henry im kürzlich beendeten Unabhängigkeitskrieg verloren hat, ist fest entschlossen, ihre von Engländern zerstörte Plantage wieder aufzubauen. Ihr missgünstiger Schwager versucht mit allen Mitteln, ihren Erfolg zu verhindern und legt ihr Steine in den Weg, wo er kann. Auf dieser Basis fällt es ihr nicht leicht, sich in einem von Männern beherrschten Metier zu behaupten.
Als sie eines Nachts einen schwer verwundeten britischen Soldaten in ihrem Pferdestall vorfindet, will sie dem Mann helfen und beschließt spontan, ihn gesund zu pflegen. Ihre humanistische Gesinnung kann ihr leicht zum Verhängnis werden, wenn öffentlich wird, wen sie in ihrem Haus beherbergt. Auch hat sie nicht mit der Sturheit und Unnachgiebigkeit ihres unfreiwilligen Gastes gerechnet. Obwohl er lebensgefährlich verletzt ist, gelingt es ihm immer wieder, seine Mitmenschen, allen voran Antonia, zu tyrannisieren. Mit der Zeit kommen sich die Protagonisten jedoch näher und spüren beide eine gewisse Anziehungskraft zueinander.
Als Ausgleich für seine Pflege und Genesung hilft William Marshall, wie sich der Engländer nennt, die Plantage wieder in Schwung zu bringen. Dank seiner tatkräftigen Unterstützung wiegt sich Antonia bald in Sicherheit und verlässt sich auf den Mann, den sie mittlerweile liebt. Aber sie hat nicht mit Williams Streben nach Unabhängigkeit gerechnet. Auch weiß sie so gut wie nichts über seine düstere Vergangenheit.

Es fällt mir nicht leicht, ein objektives Urteil für diesen Roman zu verfassen, denn ich muss gestehen, dass ich massive Probleme hatte, mich auf die Geschichte und die Personen einzulassen. Die Plantage Legacy, die dem Roman seinen Namen gab, blieb in meiner Vorstellung eine starre Kulisse. Fast alle Charaktere wirkten auf mich blass und ohne Konturen. Gerade von Antonia und William hätte ich gerne eine ausführlichere Beschreibung gehabt. Nur von wenigen Personen konnte ich mir ein klares Bild machen.
Der historische Hintergrund und die politischen Zusammenhänge im damaligen Unabhängigkeitskrieg sind hervorragend recherchiert, jedoch fast zu ausschweifend dargestellt. Häufig werden Situationen sehr detailliert ausgemalt oder Dialoge in aller Ausführlichkeit wiedergegeben, obwohl sie im weiteren Verlauf keine größere Bedeutung erlangen oder später gar nicht mehr zur Sprache kommen.

Erschreckend fand ich die Häufung abartiger Handlungsweisen im Verlauf der Geschichte. Kindesmissbrauch, Folter und andere Gewalttaten, bis hin zu brutalen Morden, kommen häufig zur Sprache und sind sehr genau beschrieben, so dass man sich plötzlich in einem Thriller wieder findet. Dieser Eindruck wird durch die zum Teil sehr moderne Sprache noch verstärkt.
Antonia, eigentlich die Hauptperson des Romans, gerät mehr und mehr in eine Statistenrolle und steht ständig im Schatten der „bösen Buben“ dieser Geschichte. Hat man anfangs noch den Eindruck, sie sei eine starke und mutige Frau, fallen einem schon bald ihre mangelnde Entschlusskraft und ihre Inkonsequenz auf. Mit der Zeit konnte ich viele ihrer Gedankengänge und Handlungen nicht mehr nachvollziehen. William konnte mich leider ebenso wenig überzeugen. Für seine Entschlüsse und Aktionen hat mir oft das tiefere Verständnis gefehlt, denn er ist egoistisch und rücksichtslos und lebt dabei eigentlich nur für seine Rache.
Auch der Bezug zur „Geschichte des Kriegers“, mit der dieser Roman beginnt, ging im Lauf der Handlung für mein Empfinden weitgehend verloren. Zwar ist am Schluss noch einiges dazu geschrieben; auch die alte Indianerin taucht wieder auf, aber eine wirklich sinnvolle Auflösung gibt es nicht, was ich schade finde, denn gerade diese alte Legende hatte mich anfangs auf das Buch neugierig gemacht.

Wenn ich das schöne Cover betrachte und den Klappentext lese, habe ich völlig andere Erwartungen an den Roman. Dies könnte unter Umständen bedenklich werden, beispielsweise wenn jemand auf der Suche nach einem Geschenk, in der Annahme, einen historischen Südstaatenroman in der Art von „Vom Winde verweht“ zu erhalten, zu diesem Buch greift und sich zudem auf den Aufkleber „Tipp des Monats“ verlässt. Auf diese Weise könnte der Roman leicht auch in die Hände Minderjähriger gelangen, was ich in Anbetracht der vielen brutalen und perversen Szenen für problematisch halte.
Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, ist der Anhang, in dem viele Begriffe erklärt werden. Leider findet man keine entsprechenden Fußnoten im Text, wo auf diese Möglichkeit der Information verwiesen wird.
Ich finde es schade, dass ich an diesem Buch so viele Kritikpunkte anbringen muss, denn einerseits enthält dieser Roman einen Fundus an Wissen über die Zeit und die Schauplätze. Leider ist es der Autorin für mein Empfinden nicht gelungen, diese solide Basis mit Leben zu füllen. Ich bin auf Grund der Aufmachung von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Hätte ich gewusst, was mich hier teilweise erwartet, wäre das Buch für mich nie in die engere Wahl gekommen.




4 Kommentare:

  1. Lieben Dank für Deine Rezi, denn ich war auch in der irrtümlichen Annahme, es würde sich bei dem Buch um eine Art "Von Winde verweht" handeln und habe es schon auf meine WL gelegt. Jetzt werde ich es mir nochmal überlegen.
    LG Isabel

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    1. Ja, das Cover sieht wirklich verführerisch aus, aber leider ist der Inhalt so ganz anders :-( Vielleicht hast du die Gelegenheit, 'mal in das Buch ein wenig 'reinzulesen, bevor du dich dafür oder dagegen entscheidest.
      LG
      Susanne

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    2. Hallo, Klusi, danke für die ausführliche und anschauliche Rezension. Auch ich habe mich auf ein Leseerlebnis à la "Vom Winde verweht" gefreut. Doch nach der Beschreibung lasse ich es lieber sein und halte Ausschau nach anderen Südstaaten-Romanen.

      Sehr zu empfehlen ist "Gute Geister" von Kathryn Stockett, das den "Southern Spirit" sehr gut wiedergibt, obwohl es in den 69er Jahren spielt.

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    3. Hallo Gast, ja, ich hatte auch etwas in der Art wie "Vom Winde verweht" erwartet. Leider sind Südstaaten-Romane nicht gerade häufig; man muss ganz schön suchen, um etwas in dieser Richtung zu ergattern. Da bleiben meist nur die alten Klassiker, und ich finde es schade, dass in der Art so wenig nachkommt. Anscheinend ist das Genre zurzeit nicht gefragt. Danke für den Tipp mit "Gute Geister". Ich kenne das Buch nur vom Hörensagen und durch einige Rezensionen, die durchweg positiv waren.
      Liebe Grüße
      Susanne (Klusi)

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