Der junge Historiker und Fachmann für alte Sprachen, Finn Nordstrom, lebt im Jahr 2264. Es ist ein Zeitalter, in dem Liebe fast unbekannt ist und die Erste Person Singular im Sprachgebrauch der Menschen nicht mehr vorkommt. Als Archäologen bei Ausgrabungen im Greifswalder Bodden ein wasserdichtes Köfferchen mit alten Tagebüchern finden, wird Finn damit beauftragt, sie zu übersetzen, denn er ist auch Spezialist für die Entschlüsselung handschriftlicher Texte, und die Aufzeichnungen stammen aus den Jahren zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Für die Wissenschaftler in Finns Zeit, wo die Geschäftsberichte der Deutschen Bank oder ein alter Versandhauskatalog aus dem Jahre 1992 zum Weltkulturerbe zählen, sind die Tagebücher eine äußerst wichtige Informationsquelle, da durch eine große Katastrophe im Jahr 2018 viele Dokumente, Bücher und Zeitzeugen vernichtet wurden.
Zuerst ist Finn enttäuscht, denn das Tagebuch entpuppt sich als die kindlich-romantische Erinnerung eines weiblichen Teenagers, kitschig verpackt in pinkfarbenes Vinyl. Je mehr Finn jedoch von der Schreiberin Eliana erfährt, umso stärker fühlt er sich ihr und ihrer Zeit verbunden. Sogar ein feiner Duft aus der Vergangenheit haftet dem Tagebuch noch an. Finn ist bezaubert von den Gedanken, den Gefühlen und dem feinen Humor der jungen Frau und fühlt sich immer stärker zu ihr hingezogen. Als er das Angebot bekommt, an der Entwicklung eines Reality-Spiels „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ teilzunehmen, das in die Jahre 2000 bis 2018 führt und dort spielen soll, wo Eliana damals gelebt hat, willigt er spontan ein. Was er in dem Spiel erlebt, kommt ihm beängstigend realistisch vor, und dann begegnet er in einer großen Berliner Buchhandlung seiner Tagebuchschreiberin. Er erkennt, dass es sich bei dem wissenschaftlichen Projekt, an dem er teilnimmt, nicht nur um ein Spiel handelt, sondern dass er wirklich durch die Zeit gereist ist. Von nun an ändert sich für Finn alles, was er bisher für richtig und wahr gehalten hat. Er fühlt sich zwischen den Zeiten gefangen und fragt sich, wie er die Kluft von 250 Jahren, die zwischen ihm und Eliana liegt, überbrücken kann.
Der Roman zeigt ein faszinierendes Szenario, wie die Welt in ca. 250 Jahren aussehen könnte. Vieles hat sich verändert, aber manches ist auch über die Jahre hinweg erhalten geblieben und wird zum Teil als wertvoller Kulturschatz gehütet. Die deutsche Sprache ist ausgestorben, kaum jemand kann noch Briefe in Handschrift verfassen, und Bücher werden fast nur noch als antike Schätze im Museum ausgestellt. Interessant ist auch der Blickwinkel, aus dem ein Mann dieser neuen Zeit unsere gegenwärtige Welt betrachtet. Es ergeben sich kuriose Momente, wenn Finn beispielsweise das erste Mal einen Hubba Bubba zu Gesicht bekommt oder sich wundert, was denn „DSDS“ sein könnte.
Seine Übersetzungstätigkeit und die Erfahrungen in dem Zeitreiseprojekt, an dem er teilnimmt, wirken sich stärker auf ihn aus, als er zu Beginn erahnen konnte. Er gewinnt Erkenntnisse, die nicht nur seine wissenschaftliche Arbeit beeinflussen, sondern die seine persönliche Sicht der Dinge und sein weiteres Leben bestimmen. Die Menschen seiner Zeit denken rationell und vermeiden Gefühle. Sie sehen sich in erster Linie als Gemeinschaft und haben in ihrer Sprache die 1. Person Singular abgeschafft. Finn beginnt nun zaghaft, von sich selbst wieder als „Ich“ zu denken.
Besonders hat mich an ihm begeistert, dass er in seiner hoch technisierten Zeit Bücher über alles liebt und von den gebundenen Werken alter Klassiker fasziniert ist. Sinnigerweise trifft er das Mädchen aus dem Tagebuch auch das erste Mal in einer Buchhandlung.
Mit ihm und Eliana, den Menschen aus unterschiedlichen Jahrhunderten, hat dieser Roman zwei Protagonisten, die man sehr schnell lieb gewinnt. Die Dialoge der beiden haben mich zum Schmunzeln gebracht. Sie sind geprägt von amüsanten Wortspielereien und einem feinen, versteckten Humor, der manchmal auch ein wenig ironisch wirkt. Auch hat mir die Handlung einen starken Eindruck vermittelt, der für einen Science Fiction-Roman sehr außergewöhnlich erscheint, sie ist warmherzig und gefühlvoll.
Die Geschichte entwickelt sich bis zuletzt rätselhaft und voller Geheimnisse. Manche Zusammenhänge kann man nur erahnen und selbst in der eigenen Phantasie weiterspinnen.
„Everlasting“ ist ein Roman, der bezaubert, mitreißt, mitfühlen lässt und zum Träumen bringt.
Vieles ist ungewiss, aber die Zeichen stehen auf „Hoffnung“.
Um mit den Worten der Menschen des 23. Jahrhunderts zu sprechen: „Dieser Leserin hat das Buch sehr gut gefallen!“
Herzlichen Dank an den Rowohlt-Verlag für das Leseexemplar.
Genau! Ich fand es auch grandios!
AntwortenLöschenWow, das ist jetzt die dritte begeisterte Rezension zum Buch, die ich gelesen habe :-) Hab das Buch mit höchster Priorität auf der WL, muss/will aber erst mal meinen SUB verkleinern, bevor ich wieder kaufe ... grml ^^
AntwortenLöschenDanke für die ausführliche Rezension!
AntwortenLöschenIch habe jetzt so viele begeisterte Rezensionen gelesen, dass das Buch ziemlich weit oben auf meiner Wunschliste steht.
LG
Yvonne