Dienstag, 31. Mai 2011

Bloggeraktion: Die neuen Lieblingsbücher der Deutschen


Liebe Leser,
wie schon angekündigt startet morgen, am 01.06.2011, die Aktion "Blogger suchen die neuen 100 Lieblingsbücher der Deutschen". Ich freue mich sehr auf Eure persönlichen Lieblinge. So könnt Ihr mitmachen:
1. Schickt mir zwischen dem 01.06. und 01.08. 2011 eine Liste mit Euren 15 Lieblingsbüchern (Mail an klusi56@googlemail.com).
2. Vermerkt auf der Liste Euren Namen, Wohnort und Euer Alter.
3. Bücher aus Serien zählen einzeln, Ihr solltet also nicht schreiben "Biss-Trilogie", sondern Euch z.B. für "Biss zum Morgengrauen" entscheiden.
4. Die Reihenfolge der Bücher ist egal, nur die Anzahl der Nennungen auf allen Listen zählt.
5. Insgesamt nehmen 66 Blogs an der Aktion teil - reicht aber bitte Eure Liste nur bei einem dieser Blogs ein.
6. Gerne könnt Ihr im Freundes- und Familienkreis weitere Listen einsammeln und diese (wieder mit Namen, Wohnort und Alter) bei mir einreichen.
7. Auf meinem Blog findet Ihr regelmäßig Updates zur Aktion, genau wie bei ... (Herzbücher, Kielfeder und allen anderen teilnehmenden Blogs, die hier aufgeführt sind: Claudias Bücherregal ).


Montag, 30. Mai 2011

Die Vertraute - Eva Ibbotson


Wien vor hundert Jahren: Susanna Weber führt am beschaulichen Madensky-Platz einen Modesalon. Frau Susanna, wie sie von ihren Nachbarn und Kunden genannt wird, hat immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Menschen, die ihren Rat suchen. Sie hat das Herz auf dem rechten Fleck, und egal ob es um ein unglückliches Wunderkind geht, um einen Vater, der sich so sehr einen Sohn wünscht und mit sieben Töchtern gesegnet ist, ob für freiwillige oder unfreiwillige Vegetarier, für ihre revolutionäre Näherin oder einen Metzger auf Freiersfüßen, Susanna findet immer die passenden Worte des Trostes. Mit ihren lebensklugen Ratschlägen rettet sie so manche verfahrene Situation. Dabei verdrängt sie gerne ihre eigenen Sorgen, denn hinter der adretten und unbeschwerten Fassade hat auch Susanna ein paar Geheimnisse, die ihr von Zeit zu Zeit aufs Gemüt schlagen. Und dann wird die Idylle ganz plötzlich getrübt, und nicht nur Susannas Existenz ist in Gefahr, sondern der ganze Madensky-Platz mit allen Anwohnern ist bedroht, denn die Häuser dort sollen abgerissen werden…

Ein Jahr lang vertraut die sympathische Ich-Erzählerin ihrem Tagebuch alles an, was rund um den Madensky-Platz geschieht und was sie mit ihren Nachbarn, Kunden und Freunden erlebt. Man hat beim Lesen das Gefühl, als würde ein Hauch der damaligen Zeit herüberwehen. Leicht und beschwingt wirkt der Roman auf den ersten Blick, und der Wiener Charme wird spürbar. Mit Humor und Herzenswärme plaudert Susanna über ihren Alltag und über besondere Ereignisse. Die liebenswerte Art, wie sie Probleme anpackt, lässt einen schmunzeln. Doch sie Geschichte hat auch ernste Töne, die von Trauer, Angst und Enttäuschung berichten. „Die Vertraute“ ist ein wunderbarer Roman, der das Flair der guten alten Zeit perfekt herüberbringt, romantisch, einfühlsam und mit viel Zeitkolorit ausgeschmückt.

Samstag, 28. Mai 2011

Das Richterspiel - Sabine Kornbichler


Marlene Degner betreibt einen Dienstleistungsservice für Senioren. Sie begleitet ihre Kunden bei Arztbesuchen und erledigt kleinere Arbeiten und Besorgungen. Heidrun Momberg, ihre liebste Kundin, stürzt am letzten Tag des Jahres von einer Leiter und muss in die Klinik. In der Silvesternacht möchte die Ich-Erzählerin nach dem Kater der alten Dame sehen und findet in deren Haus eine tote junge Frau. Wie sich herausstellt, wurde sie umgebracht.
Als der erblindete und darum frühzeitig pensionierte, ehemalige Kommissar Arnold Claussen sie engagiert, um ihm bei seinen Recherchen das Augenlicht zu ersetzen, ist Marlene zuerst gar nicht begeistert und würde am liebsten ablehnen. Aber dann gewinnt der Drang die Oberhand, mehr über den schrecklichen Mord und die Zusammenhänge zu erfahren.

Von Anfang an war ich hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, das Buch schnell durchzuschmökern, um bald zu erfahren, wie die Geschichte ausgeht und dem Bedürfnis, langsam und bewusst zu lesen, um den angenehmen und schönen Schreibstil möglichst lange und ausführlich genießen zu können.
Sabine Kornbichler schreibt so selbstverständlich und natürlich, dass man das Gefühl hat, der Handlungsablauf könnte durchaus auch in der eigenen Nachbarschaft geschehen. Die Protagonistin ist mir sehr sympathisch, und ich könnte mir die liebenswerte und mutige junge Frau gut als Freundin vorstellen. Ihre Beweggründe und Reaktionen waren für mich überzeugend und nachvollziehbar.
Ich fand es sehr interessant, Marlene und Claussen bei ihren Nachforschungen über die Schulter zu schauen. Auch die wechselhafte Gemütslage des blinden Ex-Kommissars kann man ermessen, wenn man sich in seine Situation versetzt, was mit Hilfe der feinfühligen Beschreibung seines Schicksals sehr gut gelingt.

Die Handlung fesselt, zieht den Leser mit und lässt ihn bis zum Ende nicht los. Es ist nicht nur ein spannender, raffiniert angelegter Kriminalroman, sondern wie man es von ihr kennt bringt die Autorin wieder ein heikles Thema ins Geschehen. Diesmal geht es um Kindesmisshandlung, sensibel und doch eindringlich zur Sprache gebracht. Der Leser wird animiert, sich mit diesem brisanten und erschreckend realistischen Fall auseinanderzusetzen. Da geht es nicht einfach um einen Mord und ein greifbares Motiv, sondern hier spielt menschliches Versagen und falsch verstandene Psychologie eine Rolle; uralte Wunden werden berührt.
„Das Richterspiel“ ist ein sehr gelungener Roman, mit komplexen Zusammenhängen, ausgefeilt und bis zuletzt nicht vorhersehbar.

Freitag, 27. Mai 2011

Süße kleine graue Maus - Sandra Brown


Die schöne Rana, ein sehr bekanntes und beliebtes Ex-Model, zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück, um den Zwängen der Berühmtheit und der Bevormundung ihrer Mutter zu entgehen. Sie versteckt ihr attraktives Äußeres hinter unförmigen Kleidungsstücken und ihre exotischen Augen hinter einer getönten Brille. Als ein neuer Mieter in das Appartment gegenüber einzieht, reagiert Rana verwirrt. Der attraktive Trent Gamblin ist Footballspieler und übt eine ungeheure Wirkung auf die junge Frau aus. In seiner Gegenwart wird sie stetig hin und hergerissen zwischen Ablehnung und Faszination. Trent spürt bald, dass sich hinter Ranas unattraktiver Aufmachung eine ganz besondere Frau verbirgt.

Bei dem Roman handelt es sich um eine romantische Liebesgeschichte, die wie eine moderne Variante von Aschenputtel wirkt. Die Protagonisten sind recht einnehmend dargestellt, wenn sich auch die Handlung und die Beschreibung größtenteils auf Äußerlichkeiten reduziert. Nach anfänglichem Gezicke kommen sich Rana und Trent dann doch verhältnismäßig schnell näher. Dass Rana trotzdem ihre unscheinbare Fassade so lange aufrecht erhalten kann, erschien mir eher unrealistisch. Der Roman bietet eine süße Liebesgeschichte, die jedoch an Tiefe vermissen lässt. Mit gerade mal 190 Seiten ist das Buch nicht gerade ein Wälzer und das Lesevergnügen dementsprechend kurz. Für mich war es ein ganz netter, leicht zu lesender Zeitvertreib für zwischendurch, aber nicht mehr.

Samstag, 21. Mai 2011

Das Schokoladenmädchen - Katryn Berlinger


Als im Jahr 1896 ein deutscher Frachtdampfer auf dem Weg in die Heimat sinkt, ist Madeleine Gürtler eine der wenigen Überlebenden. Ein weiterer Geretteter, der wohlhabende Schweizer Konditor Urs Martieli, nimmt sich der mittellosen Waisen an und bietet ihr einen Ausbildungsplatz in seiner Hamburger Confiserie. Dort lernt die ehrgeizige junge Frau alles über das süße Handwerk. Mit ihrer Begabung, der Freude an den verführerischen Kreationen und ihrer Phantasie ist sie die perfekte Konditorin, und Martieli macht sie bald zur Leiterin seiner frisch errichteten Filiale in Riga. In ihrer neuen Heimat genießt sie die Erfolge ihrer selbst entworfenen Torten, das Leben und auch die Schwärmerei der Männer, die der jungen Schönheit zu Füßen liegen. Eines Tages kreuzt ein Ungarischer Graf ihren Weg, und es ist Liebe auf den ersten Blick…

Dieser Roman ist ein Angriff auf alle Geschmacksnerven. Die Herstellung der verschiedenen Leckereien wird so ausführlich beschrieben, dass man beim Lesen Appetit auf Torte oder Schokolade bekommt und am liebsten sofort selbst anfangen würde zu backen. Für alle, die nun Angst um ihre Figur bekommen, möchte ich mit einem Augenzwinkern einen Rat der Autorin zitieren, nämlich, beim Lesen das Buch so oft wie möglich mit beiden Händen zu halten, dann kann man gar nicht zu Naschwerk greifen. ;-)

Aber nicht nur die süßen Werke des Schokoladenmädchens sind ausführlich und geradezu plastisch beschrieben, auch das Leben in Riga, die Mode, die lettischen Bräuche, dies alles wird sehr ausführlich und doch kurzweilig geschildert. Sehr schön macht die Autorin Veränderungen deutlich, die sich zur Jahrhundertwende in allen Bereichen des Lebens vollzogen haben und die auch für die Menschen eine große Umstellung bedeuteten.

Der Roman spricht jedoch nicht nur die süße, leichte Seite des Lebens an, sondern befasst sich auch mit politischen und wirtschaftlichen Problemen, welche die Leute damals beschäftigt haben.

Madeleine ist eine selbstbewusste und ehrgeizige junge Frau, die in ihrer Art sehr gut in die damalige Welt passt. Sie hat in der Vergangenheit nicht nur süße Aromen geschmeckt, sondern auch erfahren, wie sich das bittere Elend anfühlt, wenn das Geld sauer verdient werden muss, damit die Familie nicht in Armut versinkt, wenn salzige Tränen der Trauer vergossen werden.

Auch wenn ich nicht alle Handlungen und Reaktionen der Protagonistin nachvollziehen konnte, so hatte ich durchaus großes Verständnis für sie. Wenn sie manchmal etwas schnippisch oder auch egoistisch reagierte, verstehe ich dies als Selbstschutz. In einer Welt, wo Frauen erst am Anfang der Emanzipation standen, hat sie einen Panzer um ihre Gefühle aufgebaut. Nur allzu menschlich und gut zu verstehen war für mich, wenn sie sich dann einfach ab und zu Entspannung und Trost in Form eines übrig gebliebenen Kuchenstückchens oder eines Gläschens Likör gegönnt hat.

„Das Schokoladenmädchen“ ist ein Roman zum genießen, der für mich zugleich aber auch lehrreich war, denn ich habe viel über eine mir bisher fremde Stadt und ihre Geschichte erfahren.

Freitag, 20. Mai 2011

Das Glück war mir hold

In den letzten Tagen gab es mehrmals Überraschungspost für mich.
Bei Vorablesen hatte ich Glück und wurde für Liv Winterbergs "Vom anderen Ende der Welt" ausgewählt, was mich besonders freut, da mir die Leseprobe schon sehr gut gefallen hat. Bei Literatopia habe ich "Der siebte Schwan" von Lilach Mer gewonnen. Dann kam das Buch "Hand aufs Herz" von Anthony McCarten, das ich in der großen Geburtstagsverlosung von Literaturfee gewonnen habe. Und gestern kam dann völlig unverhofft ein Umschlag von Jokers.de. Dort habe ich bei der Aktion "Testen und absahnen" zur Eröffnung des neuen Shops teilgenommen und ein allerliebstes Notizbüchlein aus dem Coppenrath-Verlag gewonnen. Es ist sehr schön ausgestattet, mit einem rosa Lesebändchen und Gummiband als Verschluss. Die Blankoseiten sind chamoisfarben (cremefarben), und hinten im Büchlein befindet sich eine Sammeltasche, wo man Notizzettel, Zeitungsausschnitte oder sonstige kleine Dinge aufbewahren kann.

Sonntag, 15. Mai 2011

Fräulein Smillas Gespür für Schnee - Peter Hoeg


Die 37-jährige Smilla Jasperson ist die Tochter einer Grönländerin und eines dänischen Arztes. Sie liebt nichts mehr als ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Die Mutter, eine Robbenjägerin, ist gestorben, zum Vater ist das Verhältnis eher gespannt.
Als ein kleiner Nachbarsjunge vom Dach stürzt, glaubt Smilla nicht an einen tödlichen Unfall. Sie kennt sich aus mit Schnee und Eis und liest aus den Spuren, dass Jesaja verfolgt worden ist. Ihre Nachforschungen bringen Smilla bald in Schwierigkeiten und sogar in Lebensgefahr.
Selten habe ich ein Buch gelesen, das die Leserschaft derart spaltet. Inzwischen habe ich den Eindruck gewonnen, entweder man liebt es oder man hasst es.
War mir am Anfang die Ich-Erzählerin Smilla noch einigermaßen sympathisch, so wurde ihr Verhalten für mich immer unverständlicher. Ich konnte weder ihre Gedankengänge noch ihre Handlungen nachvollziehen. Manches erschien mir auch schlichtweg unglaubwürdig. Bei den ersten Kapiteln schwankte ich stetig zwischen Faszination und gähnender Langeweile, wobei mit fortschreitender Handlung immer mehr das zweite Gefühl überhand nahm. Vieles, wie beispielsweise die Einrichtung eines Raumes, wird bis ins klitzekleinste Detail beschrieben, wobei mir letztendlich egal ist, ob sich in einer Kiste nun zwei oder auch drei Paar Gummihandschuhe befinden. Dafür blieben die Charaktere blass und fremd. Selbst zu Smilla, der Hauptperson, konnte ich keine rechte Verbindung aufbauen. Auch die manchmal wirren Gedankensprünge und Rückblicke in ihre Kindheit haben mir Smilla nicht näher gebracht.
Ich hatte schon Probleme, das Buch einzuordnen. Als Thriller betrachtet war mir die Handlung zu langatmig, verworren und zu wenig spannend. Vom literarischen Aspekt hat der Roman sogar einiges zu bieten, was beispielsweise Smillas fast poetische Betrachtungen zu Schnee und Eis betrifft. Ab und zu kommt auch der trockene, teilweise sarkastische Humor der Protagonistin zu Tage, leider viel zu selten. Wenig anfangen konnte ich mit ihren „philosophischen“ Lebensweisheiten, die mir eher fadenscheinig vorkamen.
Auch der Schluss war für mich sehr enttäuschend. Zwar klären sich zuletzt die Todesumstände von Jesaja, aber es bleiben so viele Zweifel offen, so viele Fragen ungeklärt. Man könnte es mit einem selbst gestrickten Pullover vergleichen, bei dem kein einziger der vielen losen Fäden vernäht wurde. Das Ergebnis wirkt ausgefranst und unfertig.

Samstag, 14. Mai 2011

Die Totenfrau des Herzogs - Dagmar Trodler


Die Handlung des Romans knüpft an „Die Rose von Salerno“ an.
Es sind erst wenige Monate vergangen. Ima von Lindisfarne lebt im Haus der Ärztin Trotta in Salerno und hilft ihr bei der Versorgung und Pflege der Kranken. Aber sie kommt nicht zur Ruhe. Die Herzogin erfährt, dass ihr Mann Robert Guiscard im Sterben liegt. In großer Eile bricht Sicaildis zur griechischen Insel Kephalonia auf, um die letzten Stunden an seinem Lager verbringen zu können. Spontan verpflichtet sie Ima, mit ihr zu reisen, in der Hoffnung auf Hilfe für den todkranken Mann. Für Guiscard kommt jede Rettung zu spät, aber Ima wird in eine Verschwörung hineingezogen, und auch Gérard, der ihr folgt, gerät in Gefahr. In dem Bestreben, seine Geliebte zu retten, begibt sich der Ritter in so manche, ausweglose Situation.

Die Autorin schreibt sehr bildhaft, und ihre Romanfiguren wirken dadurch greifbar. Sie schafft mit reicher Sprache und treffender Wortwahl eine sehr authentische Atmosphäre, so dass man Geräusche und Gerüche fast wahrnehmen kann. Mit ihrer wunderbaren, manchmal poetischen Ausdrucksweise erweckt sie sogar Steine und Bäume zum Leben. Ihre Art des Fabulierens gefällt mir sehr. Der Erzählstil nimmt den Leser gefangen und führt ihn in eine alte, ursprüngliche Welt.

Man möchte immer weiter und weiter lesen und Imas Schicksal verfolgen. Ich konnte mich gut in ihre Lage versetzen, wie sie mit sich selbst hadert, weil ihr der eigene Standesdünkel immer wieder zu schaffen macht. Dabei bleibt ihr nicht viel Zeit, über ihre Liebe und ihr Verhältnis zu Gérard nachzudenken, denn sie scheint das Unheil und die Gefahr förmlich anzuziehen. Imas Welt ist nicht nur gefährlich, sondern auch von Geistern und Dämonen bevölkert. Phantastisches und überlieferte, historische Fakten verbinden sich perfekt.

Mit ihrer Geschichte um Ima von Lindisfarne und Gérard de Hauteville ist es der Autorin wieder einmal gelungen, mich derart zu fesseln, dass ich alles um mich herum beim Lesen vergessen habe. Die Protagonisten sind beide keine einfachen Charaktere. Ohne es eigentlich zu wollen, machen sie sich gegenseitig das Leben schwer. Ihre Beziehung ist fernab jeder Romantik und doch sehr schön beschrieben. Ein großes Kompliment an Frau Trodler für diesen wunderbaren Roman.

Herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar an den Blanvalet Verlag.


Sonntag, 1. Mai 2011

Wer die Nachtigall stört - Harper Lee



Die Icherzählerin Jean Louise Fink, genannt Scout, lebt mit ihrem Vater, dem Anwalt Atticus Fink und ihrem Bruder Jem in einer kleinen Stadt in Alabama. Die beiden Kinder verleben eine unbeschwerte Zeit und begehen allerhand Streiche, die sich zum Teil auch gegen den
rätselhaften Nachbarn Arthur Boo Radley richten. Die Geschwister haben den Mann noch nie gesehen, da er sehr zurückgezogen in seinem stillen Haus lebt. Um ihn ranken sich verschiedene Gerüchte. Diese ganze Situation ist Scout und Jem nicht so recht geheuer, und sie malen sich in ihrer Fantasie alle möglichen und unmöglichen Geschichten aus. Es geschehen immer wieder Dinge, welche sich die Kinder nicht erklären können, die aber anscheinend mit dem Haus der Radleys und seinem mysteriösen Bewohner zusammenhängen.

Scouts harmonische, geborgene Kinderwelt wird jäh gestört, als ihr Vater als Pflichtverteidiger für Tom Robinson eingesetzt wird. Der farbige Baumwollpflücker soll angeblich eine weiße Frau vergewaltigt haben. Obwohl objektiv betrachtet schnell klar wird, dass Tom die Tat gar nicht begangen haben kann, sind nur wenige Menschen von seiner Unschuld überzeugt. In den 30er Jahren hatte ein Farbiger in den Südstaaten einen schweren, fast hoffnungslosen Stand, denn hinter der Fassade einer beschaulichen Kleinstadtidylle lauern Vorurteile und Rassenhass. Scout und ihr Bruder bekommen das ganze Ausmaß dieses Dramas hautnah mit. Die Engstirnigkeit, welche sie hier bei ihren nächsten Nachbarn erleben, können sie nicht begreifen, denn Intoleranz hat in ihrer kindlichen Vorstellung keinen Platz. Nun müssen sie erfahren, dass selbst ihr gerechter und vorurteilsloser Vater nur wenig ausrichten kann, obwohl er alles tut, um seinen Mandanten Tom vor der Verurteilung zu bewahren. Und der Hass des Vaters der angeblich vergewaltigten jungen Frau wendet sich am Ende auch gegen die gesamte Familie Fink.

Die Gedanken und Handlungen eines kleinen Mädchens im Angesicht von Rassenhass und Gewalt sind berührend und gehen unter die Haut. Da ist einerseits ihre kindlich heile Welt, voller Abenteuer und Geheimnisse, die Scout mit dem Bruder teilt, aber es gibt auch die Kehrseite, denn durch den Beruf und das Engagement ihres Vaters werden die Kinder bald mit der bitteren Realität konfrontiert. Sie müssen erleben, dass nicht alle Nachbarn nett und harmlos sind. Vieles ist nicht so, wie es auf den ersten Blick erscheint. „Wer die Nachtigall stört“ ist ein Plädoyer gegen Rassenhass und Vorurteile. Durch den flüssigen und ansprechenden Schreibstil liest sich der Roman leicht, obwohl der Inhalt sehr tiefgründig ist. Es wird nichts beschönigt, die Autorin hält der Gesellschaft einen klaren Spiegel vor. Zu Unrecht ist dieses Buch ein wenig in Vergessenheit geraten. Meiner Meinung nach gehört es bereits zu den Klassikern, und die Aussagen der Geschichte sind nach wie vor aktuell, denn das Thema „Rassenhass“ gab es zu jeder Zeit und gibt es leider auch heute noch.

Ich habe eine alte Ausgabe im Nachlass meines Vaters gefunden, und eine Leserunde bei Büchereule.de gab den Ausschlag für mich, die Geschichte nun endlich zu lesen. Ganz sicher werde ich es mir, mit etwas zeitlichem Abstand, erneut vornehmen, denn vieles, was zu Beginn beschrieben wird, kann man besser verstehen, wenn man das Ende kennt. In diesem Sinn ist es gut, bei dem Roman zum „Wiederholungstäter“ zu werden.
Ich kann für dieses Buch eine vorbehaltlose, absolute Empfehlung aussprechen.