Dienstag, 18. November 2014

Der Hexenschöffe - Petra Schier


Rheinbach im Jahr 1636: Fünf Jahre nach der ersten Welle von Hexenprozessen geht es nun wieder los. Der Hexenkommissar Jan Möden kommt in die Stadt und nimmt erste Verhaftungen vor. Unschuldige werden durch die Folter zu zweifelhaften Geständnissen gebracht, auf deren Basis sie dann öffentlich im Feuer sterben müssen. Die Prozesse mussten unter Anwesenheit der Schöffen Rheinbachs stattfinden, um ihnen einen offiziellen und rechtskräftigen Anstrich zu verleihen. Einer davon ist Hermann Löher. Obwohl er nicht mit Mödens Vorgehen einverstanden ist und ihn die Machenschaften mit Abscheu erfüllen, steht es nicht in seiner Macht, etwas dagegen zu unternehmen. Zu groß ist die Angst, dass durch seinen Widerstand die eigene Familie in den Brennpunkt von Mödens Interesse geraten könnte, wie es in der Vergangenheit schon einmal der Fall war. Löher hat längst durchschaut, dass bei den Prozessen nicht alles mit rechten Dingen zugeht, aber auch zusammen mit seinen Verbündeten gelingt es ihm nicht, dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Irgendwann jedoch kann er die Augen nicht mehr vor den Gräueltaten verschließen, die auf Mödens Anordnung hin stattfinden. Als er sich offen gegen den Hexenkommissar stellt, gerät nicht nur er selbst, sondern auch seine Familie in große Gefahr.

Mit ihrem neuen Roman beschreitet die Autorin Petra Schier neue Wege. Zwar habe ich schon viele historische Romane von ihr gelesen, aber im Vergleich war keiner vorher so düster wie "Der Hexenschöffe". Es ging auch in ihren vorherigen Werken um Aberglauben, Verbrechen und Krankheiten der Neuzeit, aber es waren bisher immer fiktive Geschichten mit glücklichem Ausgang.
Beim Hexenschöffen ist vieles anders. Das Wesentliche dabei ist, dass Hermann Löher wirklich gelebt und gewirkt hat. Die Autorin hat sich auf seine Spuren begeben und versucht, die damaligen Ereignisse so realistisch wie möglich wiederzugeben. Stellvertretend für alle damaligen Opfer begleiten wir im Roman die Angeklagte Marta Schmid, Ehefrau des Schöffen Neyß Schmid, von ihrer Verhaftung bis zur Hinrichtung. Was den Leser erwartet, ist ziemlich heftig, denn Petra Schier schildert die Prozeduren, welche die Angeklagte über sich ergehen lassen muss, ohne Weichzeichner. Ich musste häufig schlucken, gerade in Anbetracht der Tatsache, dass sich ähnliche Ereignisse damals wirklich in dieser Art zuhauf zugetragen haben. Man kann nur ansatzweise erahnen, wie umfangreich die Recherchen vorab wohl gewesen sind, die zum Roman führten. Im Anhang erläutert die Autorin ihre Beweggründe, weshalb sie Hermann Löher diese Geschichte gewidmet hat. Dort erfährt man auch einiges über das Rheinbacher Brauchtum des Mailehens, welches im Verlauf des Romans eine große Rolle spielt, und man erhält einen Einblick in Hermann Löhers Klageschrift, die dem Roman in vielen Punkten als historische Quelle zugrunde liegt.
Petra Schier hat hier in eindrucksvoller Weise die wahren Begebenheiten mit fiktiven Elementen zu einem anschaulichen Gesamtbild abgerundet, wobei sie sich nach eigenen Angaben stets nah an der Realität bewegt hat. Ihre Geschichte zeigt, dass durchaus nicht alle Menschen der damaligen Zeit mit der Hexenverfolgung einverstanden waren oder überhaupt an Hexen und Zauberer geglaubt haben, aber angesichts der wütenden, aufgehetzten Menge und der Gefahr, selbst als „Hexenpatron“ verdächtigt zu werden, waren die wenigen Vernünftigen machtlos und mussten zusehen, wie reihenweise Unschuldige hingerichtet wurden, um die Macht- und Geldgier der korrupten Verantwortlichen zu befriedigen.

Der Roman liest sich nicht leicht, denn er enthält zum Teil recht grausame Szenen, aber er ist beeindruckend und sehr lesenswert, und wenn man sich für historische Romane und insbesondere für die Ereignisse dieser Zeit interessiert, kommt man an diesem Buch ganz sicher nicht vorbei.

Auf ihrem Blog bietet Petra Schier jede Menge Hintergrundwissen zu Hermann Löher, zur Hexenverfolgung und auch zur Entstehung ihres Romans: Blog Petra Schier



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