Montag, 21. Juli 2014

Korallenfeuer - Isabel Beto


Anfang des 19. Jahrhunderts: Noëlle ist auf der Seychellen-Insel Mahé geboren und aufgewachsen. Kurz nach ihrem dreizehnten Geburtstag erhält sie das Brandzeichen, wie alle Sklaven, denn sie ist das Eigentum des früheren Korsaren Jean-François Hodoul. Er hat sich mit seiner Frau auf der kleinen Insel, die zu den französischen Kolonien gehört, niedergelassen und dort sein persönliches Paradies gefunden. Die Hodouls behandeln ihre Bediensteten freundlich, und so gesehen hatte Noëlle Glück mit ihren Herrschaften, denn die meisten Sklaven leiden sehr, werden von ihren Besitzern unterdrückt und misshandelt. Noëlle unterscheidet sich aber auch sonst von ihnen, denn sie hat hellbraune Haut. „Zu viel Milch im Kaffee“, wie ihr Herr es nennt, denn sie ist die Tochter einer Weißen und eines farbigen Sklaven.
Noëlle ist eine begnadete Köchin, und hilft auch als Heilerin in der kleinen Klinik der Insel. Als sich jedoch ihr Onkel Hugo schwer verletzt, ist sie ratlos. Ihre einzige Hoffnung, den alten Mann zu retten, ist der Schiffsarzt der französischen Fregatte, die gerade am Hafen von Mahé vor Anker gegangen ist. Thierry Carnot hilft gerne. Aber er hat etwas an sich, was die junge Frau verunsichert, und doch fühlt sie sich gleichzeitig zu ihm hingezogen. Sie wird nicht schlau aus dem verschlossenen Mann, der immer den Eindruck hinterlässt, als würde er vor etwas auf der Flucht sein. Die Zusammenarbeit in der Klinik bringt die beiden einander näher, wirft aber auch viele Fragen auf. Welches Geheimnis mag der attraktive Arzt verbergen? Als Noëlle sich ihrer Gefühle zu Thierry klar wird, spürt sie, dass die wachsende Zuneigung auf Gegenseitigkeit beruht, aber könnte ihre Liebe wirklich eine Zukunft haben?

Die ausführlichen und schönen Beschreibungen der kleinen Seychellen-Insel Mahé hören sich wirklich paradiesisch an. Am liebsten würde man sofort seinen Koffer packen, wenn man von traumhaften Stränden und der exotischen Flora und Fauna liest. Umso stärker wird einem die Unfreiheit der Eingeborenen bewusst, die im Zuge der Kolonialisierung durch die Franzosen in diesem Idyll leben und dabei der Willkür ihrer Herren ausgesetzt sind. Egal ob schuldig oder unschuldig, bestraft wird immer der Sklave. Zwar nimmt Noëlle eine Sonderstellung unter den Sklaven ein, was ihr keine Sympathien beschert, aber sehr schnell wird klar, dass es auch um das Schicksal der jungen Frau nicht besser bestellt ist als bei ihren Leidensgenossen.
Die sich entwickelnde Beziehung zu dem Schiffsarzt ist eine sehr mutige Geschichte, bei der ich anfangs skeptisch war, ob sie funktionieren könnte. Die Annäherung und beginnende Freundschaft zwischen der Sklavin und dem Arzt sind wohl nur möglich, weil auch Thierry in seinem Leben schon viel Unterdrückung und Unrecht zu spüren bekam.
Gut hat mir gefallen, dass die Schilderung der Charaktere nicht einseitig verläuft. Auch die sympathischen Protagonisten werden nicht als die unfehlbaren Helden dargestellt, denn auch Thierry Carnot muss zugeben, dass er in der Vergangenheit schon Sklaven geschlagen hat, und auch er ist in vielen Angelegenheiten machtlos, weil die humanitäre Einstellung damals eine völlig andere war. Dieses Eingeständnis lässt ihn menschlich und glaubhaft erscheinen. Sehr realistisch werden auch die Lebensbedingungen der französischen Kolonialherren dargestellt, denn hier, in der Fremde, hat sich eine ganz eigene Lebensart entwickelt, die aus der Not heraus entstanden ist, dass Luxusgüter Mangelware und manche Dinge des täglichen Bedarfs nur selten oder gar nicht verfügbar waren. Die Beschreibung von mondänen Abendroben der Herrschaften, kombiniert mit von Sklaven hergestellten Palmblattschuhen, hat mir so manches Schmunzeln entlockt.

Die Autorin hat viel Historisches in ihren Roman eingebracht, denn einige der beschriebenen Charaktere haben wirklich gelebt, beispielsweise Jean-François Hodoul oder Gouverneur Quincy, und auch so manches Ereignis hat damals in ähnlicher Weise stattgefunden.
Egal, von welchen Erwartungen an den Roman ich ausgehe, sie wurden für mich alle erfüllt. Einerseits ist es ein historischer Roman, dem man anmerkt, dass ihm gründliche Recherchearbeit vorausgegangen ist. Man erhält auch eine recht plastische Vorstellung der damaligen medizinischen Praktiken, und die Behandlungsformen sind beeindruckend, wenngleich auch sehr abschreckend für uns heutzutage.
Zugleich ist es aber auch eine romantische Geschichte, bei der die Fans des Genres „Love and Landscape“ auf ihre Kosten kommen. voller Romantik, Spannung und Abenteuer und das alles in einer traumhaften, exotischen Kulisse. Bis zum Schluss bangt man mit den Protagonisten, denen das Schicksal teilweise recht hart mitspielt. Der Roman hat kein „klassisches Happy End“. Es bleiben noch einige Fragen offen, was das Schicksal und die Zukunft von Thierry und Noëlle angeht. Man muss ein wenig zwischen den Zeilen lesen, denn alles Wichtige wurde geklärt oder angedeutet, und die Einzelheiten kann jeder für sich in Gedanken ausmalen und hoffen.
Noch ein Wort zum Cover, bei dessen Betrachtung man ins Träumen gerät. Der Strandabschnitt, mit dem Segelschiff und den Felsen im Hintergrund, in das warme Licht des Sonnenuntergangs getaucht, ist so stimmungsvoll und plastisch dargestellt, dass man sich dorthin wünscht und fast meint, die Füße in die Gischt halten und darin kühlen zu können.  Was könnte besser als Urlaubslektüre für die kommenden Sommerferien geeignet sein?



1 Kommentar:

  1. Hatte mich schon bei LB für die Leserunde beworben, aber leider kein Glück. Trotzdem ist das buch shcon auf meiner Wunschliste und jetzt nach deiner Rezi noch weiter nach oben gerutscht ;)
    Liebe Grüße Martina

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